Verbraucherzentrale sieht Negativzinsen für… – Redaktion
Das Argument, wonach Banken wie beispielsweise die Deutsche Skatbank, eine Volks- und Raiffeisenbank aus dem thüringischen Altenburg, die negativen EZB-Zinsen an ihre Kunden weitergeben, halten die Verbraucherschützer für „ökonomisch unsinnig“. In einem auf der Webseite der Einrichtung hinterlegten längeren Positionspapier wird ausführlich auf die rechtliche Situation eingegangen. Aber auch eine ökonomische Einschätzung findet sich darin.
Zitate aus der Pressemitteilung:
„Sparkonto mit Negativzinsen irreführend“
Für Verbraucher sind negative Zinsen damit zwar weiterhin eine Ausnahme. Vor dem Hintergrund der negativen EZB-Zinsen stellt sich aber die Frage, ob in Zukunft weitere Banken Negativzinsen erheben werden. Aus Sicht des vzbv wäre das jedoch nicht zulässig.
Dazu Klaus Müller, Vorstand des vzbv: „Innerhalb bestehender Verträge sind Negativzinsen für Verbraucher rechtlich unzulässig. Banken können allenfalls bei neuen Verträgen negative Zinsen vereinbaren. Dann aber noch von einem Sparkonto zu sprechen, wäre nicht nur widersinnig sondern auch klar irreführend.“
Banken und Sparkassen, die Negativzinsen erheben, dürften dann auch nicht mehr wie bisher mit der vollen Höhe der gesetzlichen Einlagensicherung werben. Wahrscheinlicher als ein Negativzins seien daher am Ende neue Gebühren.
„Weitergabe“ negativer EZB-Zinsen ökonomisch unsinnig
Die „Weitergabe“ negativer Notenbankzinsen an Privatkunden ist aus Sicht des vzbv zwar bei Neuverträgen rechtlich durchaus zulässig, allerdings ökonomisch ungerechtfertigt.
„Negative EZB-Zinsen an Verbraucher weiterzugeben ist aus ökonomischer Sicht völlig unsinnig. Banken sind vom Einlagezins der Europäischen Zentralbank nur indirekt betroffen. Wie stark, darüber entscheidet ihr Geschäftsmodell. Mit Konsumenten- und Unternehmenskrediten lässt sich durchaus auch weiterhin Geld verdienen“, so Müller.
Sollten Banken Negativzinsen an Verbraucherinnen und Verbraucher in unzulässiger Weise weitergeben, behalten sich der vzbv und die Verbraucherzentralen juristische Schritte vor.
Einlagen von Verbraucher
Verbraucher verfügen über knapp 1,8 Billionen Euro an Bankeinlagen. Gut die Hälfte davon entfällt allein auf Giro-und Tagesgeldkonten. Rechtlich gesehen sind für Einlagen die Regeln des Darlehensvertrags anzuwenden. Kern des Darlehensvertrags ist eine gegenseitige Verpflichtung der Vertragspartner. Verbraucher überlassen ihrer Bank Geld und erhalten dafür einen Zins. Eine einseitige Umkehrung dieser Verpflichtungen (Verbraucher überlassen ihrer Bank Geld und zahlen einen Zins) ist aus Sicht des vzbv unzulässig.
Wir haben Experten aus geldreformerischen Kreisen gebeten, die Sicht der Verbraucherzentrale zu kommentieren. Hier einige Auszüge aus dieser Befragung:
Niedrige Zinsen
im Interesse der Verbraucher
Sie schreiben in ihrer Pressemitteilung vom 18. 02. 2015 zunächst, Negativzinsen für Verbraucher seien rechtlich unzulässig, und dann weiter, die Weitergabe negativer EZB-Zinsen sei ökonomisch unsinnig. Ich halte die erste Aussage für unzutreffend, denn die Konditionen für Girokonten und Sparkonten können bankseitig jederzeit geändert werden, mit einem sofortigen Kündigungsrecht des Kunden. Wichtiger ist aber die Frage nach dem ökonomischen Sinn. Die Leitzinsen der Zentralbank haben Einfluss auf die Zinsen am Geldmarkt, also für sehr kurzfristige Gelder. Wenn nun weitere Banken ankündigen, auf kurzfristig angelegte Kundengelder einen Negativzins zu erheben, so ist zu erwarten, dass die Bankkunden in größerem Maß längerfristig festlegen. Dies anzuregen ist ökonomisch äußerst sinnvoll, denn die längere Festlegung mindert das Risiko der Fristen- und Losgrößentransformation („aus kurz mach lang und aus vielen kleinen weniger größere“), sie senkt somit insgesamt das Risiko des Kredit- und Einlagengeschäfts der Banken. Weiterhin wirkt dies für stabilen Niedrigstzins am Kapitalmarkt (langfristige Gelder). Beides stabilisiert das Wirtschaftsgeschehen von Grund auf. Außerdem sind die Menschen, deren Interessen Sie vertreten, bei weitem nicht nur Sparer, sondern auch Verbraucher. Und die Verbraucher bezahlen in ihrer Gesamtheit sowohl die positiven Zinsen, die an die Sparer ausgezahlt werden, wie auch die Risikoprämien. Denn auch Banken müssen ihre Kosten durch ihre Einnahmen decken, und das sind i. w. die Kreditkosten der Wirtschaft. Und die wiederum gehen in die Produktpreise ein! Insofern ist die Maßnahme, die Sie kritisieren, gerade im Interesse der großen Mehrheit der Verbraucher, die nicht über mehrere Millionen auf dem Girokonto verfügen.
Alwine Schreiber-Martens, Jahnishausen
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Das Recht auf
Zinseinkommen ist Unsinn
In der akademischen Volkswirtschaftslehre mag es Uneinigkeiten über die genaue Erklärung des Zinssatzes geben, es besteht jedoch weitestgehend Einigkeit darüber, dass der Zinssatz im Laufe der Kapitalakkumulation und Sättigungstendenzen der Volkswirtschaft fällt. Ferner ist in jedem volkswirtschaftlichen Modell offen, ob die Variable Zinssatz einen positiven oder negativen Wert annimmt. Die Höhe des gleichgewichtigen Zinssatzes ist eben mit abhängig von anderen Größen wie der Sparquote, des Kapitalstocks und der Wachstumsrate. Übrigens gilt genauso für Arbeits- oder Gewinneinkommen: es kann kein Recht auf eine Art oder eine bestimmte Höhe eines Einkommens geben. Wenn das Volkseinkommen 1 € beträgt, so kann nicht mehr als 1 € verteilt werden – das Recht auf ein Einkommen impliziert damit die Enteignung an anderer Stelle. Bei vielen Rechten auf Sozialtransfers bzw. Versorgungsleistungen gilt das unzweifelhaft sinnvolle und gerechte Umlageprinzip: die Arbeitenden zahlen über ihre Beiträge die Transfers an die Arbeitslosen, die Gesunden zahlen über ihre Beiträge für die Kranken, das Kindergeld wird über die Steuern der Kinderlosen aufgebracht usw.. Und beim „Recht auf Zins“? Da bleibt ja nur die Arbeit – also sollte eine neue Kategorie von Abgaben auf die Arbeit eingeführt werden, damit auch in Niedrigzinsphasen die Kapitalzinsen abgesichert werden? Das Recht auf Zinseinkommen ist also offensichtlicher Unsinn. Das Recht auf Zins ist eine Erfindung, um die Interessen des Kapitals in einer zur Sättigung strebenden Volkswirtschaft zu verteidigen. Ein zu hohes Zinsniveau verteuert Investitionen und schafft damit Arbeitslosigkeit – eine kaum mehr wachsende Wirtschaft ohne Arbeitslosigkeit und ohne steigende Ungleichheit kann nicht mit einem positiven Zinssatz funktionieren. Das Fallen des Zinssatzes auf Null und sogar darunter ist die einzige Möglichkeit, steigende Arbeitslosigkeit, steigende Ungleichheit, steigende Staatsverschuldung und steigende Umweltzerstörung zu vermeiden.
Ferdinand Wenzlaff
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Das Undenkbare ist wirtschaft-liche Realität geworden
Die Pressemitteilung und die ausführliche Ausarbeitung der Verbraucherzentrale zeigen beide, welche Erschütterung von nominalen negativen Zinsen ausgehen. Real negative Zinsen haben wir ja schon lange, aber sie standen nicht so im Bewusstsein und waren vor allem nicht Bestandteil der Verträge der Verbraucher mit ihren Banken, sondern allenfalls ein Bestandteil ihrer jeweiligen Kalkulation.
Das Undenkbare ist eingetreten, Negativzinsen sind eine wirtschaftliche Realität geworden, die immer mehr Menschen betrifft – auch ganz normale Verbraucher könnten bald betroffen sein. Da ist es die Pflicht der Verbraucherzentrale genau zu prüfen, ob die Verträge der Verbraucher mit ihren Banken es zulassen, den Zinsen einfach ein anderes Vorzeichen zu geben. Negative Zinsen galten bisher als undenkbar, also sind sie in den Verträgen bisher nicht vorgesehen. Die Banken können sie daher nicht im Wege einer einseitigen Zinsänderung in bestehende Verträge einführen. „Pech gehabt!“ kann man den Banken daher nur zurufen. Und wenn sie sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen wollen und eine Erfüllung der Verträge „nach Treu und Glauben“ (§ 242 BGB) verlangen, dann sollte man ihnen entgegenhalten, dass ein vertieftes Studium der Volkswirtschaft auch die Freiwirtschaftslehre Silvio Gesells hätte umfassen müssen. Dann hätte es keine Überraschung gegeben.
Die Verbraucherzentrale räumt allerdings ein, dass die Banken in Neuverträgen andere Vertragsbedingungen vereinbaren, also auch Negativzinsen vorsehen können. Solche Verträge im Wettbewerb der Banken um Kunden durchzusetzen, wird nicht einfach sein. – Was die Verbraucherzentrale allerdings verschweigt, ist der Umstand, dass die meisten Bankverträge seitens der Bank kündbar sein dürften – natürlich auch ein Problem des Wettbewerbs der Banken um Kunden. Da wird es vorher viele und lange Kundengespräche geben. Schließlich wird es aber doch für Alle neue Verträge geben.
Wir Freiwirte wissen, dass die kurzfristigen Zinsen noch viel stärker in den negativen Bereich absinken müssen, wenn die Konjunktur schlecht und die Arbeitslosigkeit hoch ist. Im Euro-Raum ist dieser Fall – mit Ausnahme von Deutschland und weniger anderer Länder – längst gegeben. Wir stehen also erst am Anfang eines Prozesses der wirtschaftlichen und rechtlichen Neuorientierung Aller, auch der Banken und ihrer Kunden.
Eckhard Behrens
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