Sie sind es leid, Steuern zu bezahlen? – Andreas Bangemann
Lernen Sie von Superreichen, wie man es vermeidet.
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Auslöser für diese selbstverständlich nicht ernstgemeinte „Vermögensberatung“ ist ein Beitrag von Cory Doctorow auf seinem Weblog pluralistic.net.
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Es geht dabei zwar um die aktuelle Aufdeckung (Herbst 2020) von Machenschaften aus dem Jahr 2000 eines Finanzberatungsunternehmens, das es seit 2007 nicht mehr gibt. Aber es ist davon auszugehen, dass es sich methodisch um eine Hydra handelt. Verliert sie einen Kopf, dann entstehen ihr, angepasst auf die momentan gültigen Rahmenbedingungen internationaler Steuergesetzgebung, an anderen Orten stets zwei neue.
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Ist es nicht eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wie sich Geldvermögen unter den Menschen verteilen? Ja, natürlich werden Sie sagen. Schließlich weisen sehr viele Autoren mit ihren Beiträgen in dieser Zeitschrift seit Jahren auf die Fehler im Wirtschafts- und Geldsystem hin und zeigen auf, wie daraus unweigerlich Ungleichverteilung entstehen muss.
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Immense Geldvermögen in Händen einer kleinen Élite von berühmten und weniger berühmten, meist einflussreichen Frauen und Männern sind die zwangsläufige Folge eines Geldsystems mit exponentiellem Wachstum. Natürlich wissen Sie das! Mittlerweile spricht man bei der absoluten Spitze nicht einmal mehr vom 1 % aller Menschen, auf die sich mit steigender Tendenz mehr als 60 % des Kapitals konzentriert. Innerhalb dieser Reichtumsklasse tut sich ebenso eine Kluft auf. Auf höchstem Niveau unter Multimillionären und Milliardärinnen gibt es wiederum gewaltige Unterschiede des Wohlstands. Auf den Grenzwert von einer Person hinstrebend wird deren Reichtum im Verhältnis zu den etwas weniger Superreichen immer größer. Zwischen dem reichsten Menschen der Welt (Jeff Bezos) und dem 5. reichsten (Mark Zuckerberg) Liegen 80 Milliarden Dollar Unterschied. Diese Differenz entspräche achzigtausend Haushalten, die „nur“ ein Vermögen von einer Million Dollar zur Verfügung haben. Die Städte Potsdam oder Saarbrücken haben jeweils rund 180.000 Einwohner. Jede und jeder einzelne von ihnen, inklusive Babys und Greise kämen auf ein Geldvermögen von einer Million Euro und wären alle zusammen nur so reich wie Jeff Bezos allein. Ein Superreicher mit einem Vermögen von 100 Millionen hätte nur 0,05 % desjenigen des Amazon-Gründers.
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Genug der Zahlen, die so oft und in regelmäßigen Abständen über alle medialen Kanäle veröffentlicht werden und fast nie zur Folge haben, dass man sich eingehend mit deren Zustandekommen befasst. Weil dem so ist und wir mit der Herangehensweise des Aufzeigens der zugrundeliegenden Systemfehler weniger Aufmerksamkeit erlangen als wünschenswert, ist es förderlich, einen Blick auf einen die Ungleichheit verstärkenden Aspekt zu werfen. Der Zweck dieser Offenlegung besteht in der Mitwirkung, Druck auf die Leute in verantwortlichen Positionen auszuüben, sodass endlich grundlegend Veränderndes geschieht. Ein weiteres Ziel ist die Sensibilisierung der Superreichen für ein Comeback ihres ethischen Gewissens. Wir können es doch nicht noch länger Jahr für Jahr hinnehmen, wie eine kurze Empörungswelle durch die Welt schwappt, wenn die Ungleichheit wieder einmal in Zahlenform in die Medien kommt.
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Anfang Mai 2021 „leakte“ die Nonprofit-Journalistenorganisation ProPublica ein Papier der US-Amerikanischen Steuerbehörde IRS. Daraus geht hervor, wie gering der Steueranteil der reichsten US-Bürger in Bezug auf ihr Einkommen und ihr Vermögen die letzten Jahre war. Acht der zehn reichsten Menschen der Erde sind US-Staatsbürger. Deren Gesamtvermögen beläuft sich auf rund 900 Milliarden US-Dollar. Darunter gibt es Personen, die mehrere Jahre überhaupt keine Einkommensteuern bezahlen mussten, weil sie ihren Einnahmen verrechenbare Verluste gegenüberstellen konnten. Völlig legal und den Steuergesetzen entsprechend, versteht sich.
Doch, wie ist so etwas möglich? Woher kommen derlei rechtmäßige Verluste, wenn die Leute, die sie geltend machen, dennoch immer reicher werden?
Unter den Superreichen kommt es gelegentlich zu Fällen, bei denen Familienmitglieder aus unterschiedlichsten Gründen selbst zu „Whistleblowern“ werden und Geheimnisse lüften, die beweisen, wie egoistisch und ohne moralische Bedenken Finanzkapitalisten sich gegen die Gemeinschaft, vertreten durch die Finanzbehörden, wehren. Und das, obwohl die Gesellschaft, in denen sie und alle ihre Mitmenschen leben jene strukturellen Errungenschaften erschaffen haben, die zum Erfolg jedes Einzelnen beitrugen.
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2013 veröffentlichten wir in der HUMANEN WIRTSCHAFT den Fall von Peter Buffet, dem Sohn Warren Buffets. Anlass war das Erscheinen eines Essays von ihm in der New York Times mit dem Titel „The Charitable Industrial Complex“, das sich auf entlarvende Weise mit der angeblichen Philanthropie der US-Oberschicht befasste. Peter Buffet tritt seither nicht mehr in Erscheinung. Versucht man, über ihn zu recherchieren, enden alle Bemühungen just in diesem Jahr 2013. In der Folge scheint er von der medialen Bildfläche verschwunden zu sein.
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Am 17. Juni 2021 schrieb die Millionenerbin Abigail Disney für das Nachrichtenportal „The Atlantic“ über Einzelheiten aus ihrer reichen Familie. Ihr Großvater Roy O. Disney gründete gemeinsam mit seinem Bruder Walt die Walt Disney Company. Mit Bezug auf die Veröffentlichung durch ProPublica äußert sie sich zu den völlig legalen Steuertricks der Superreichen.
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Am schlimmsten sei, so schreibt Abigail Disney, wie alltäglich und umfassend angewandt die Methoden und Praktiken zur Steuervermeidung seien. Und wie die meisten reichen Leute es schafften, ihr Verhalten nicht als unethisch zu beurteilen. Einkommen werden mit Verlusten aus vollkommen anderen Geschäften verrechnet, Vermögenswerte würden findig umgestaltet zum Zwecke weiteren Wachstums ohne daraus resultierende besteuerbare Erträge. Um das zu erreichen, nimmt man dafür Kredite auf, bessert damit die eigenen flüssigen Mittel auf und kann sich durch die Zinszahlungen arm genug rechnen, damit keine Steuern anfallen. Abigail Disney fragt: „Was motiviert Menschen mit dermaßen viel Geld, jedes letzte bisschen davon dem Zugriff der Öffentlichkeit zu entziehen?“ Antworten fand sie in ihrer eigenen Familie: „Mein Großvater Roy O. Disney, der zusammen mit seinem Bruder Walt die Walt Disney Company gründete, war ein glühender Verfechter dieser Idee. Er war so entschlossen, die Regierung daran zu hindern, etwas von dem Geld, das er seiner Familie hinterlassen wollte, an sich zu nehmen, dass er ‚generation-skipping-Trusts‘ einrichtete, um Steuerzahlungen zu umgehen. Was er damals tat, war äußerst effektiv. Das meiste davon ist heute illegal.“ Und weiter: „Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug beteuern, dass er ein guter Mann war – einer der besten, in der Tat. Aber ich werde auch hinzufügen, ganz am Ende dieses letzten Atemzuges, dass er das nicht hätte tun dürfen.“
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