Qualität zum Nulltarif – Eckhard Behrens
Wirkungen des Bildungswettbewerbs
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Wettbewerb gibt es auch außerhalb der Wirtschaft. Das wird kaum jemand bestreiten, aber nur wenige halten dies für besonders wünschenswert. Viele fühlen sich unsicher, ob sie den Wettbewerb im Bildungswesen, der hier und dort durch zurückgehende Schülerzahlen oder die Gründung von Schulen in freier Trägerschaft aufkommt, fördern oder zurückdrängen sollen. Die Sozialwissenschaft bietet für die Beurteilung dieser Frage nur wenige Untersuchungen an und diese schrecken häufig durch ihre allzu offensichtliche Gleichsetzung von Wirtschaft und Kultur gerade diejenigen ab, deren beruflicher Tätigkeitsbereich in Rede ist. Sie fühlen sich zutiefst missverstanden oder missinterpretiert durch diese sozialwissenschaftlichen Darstellungen.
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Viele Propagandisten des Bildungswettbewerbs übersehen folgendes: Der Wettbewerb der Schulen und Hochschulen, von dem in Deutschland neuerdings immer öfter die Rede ist, wirkt etwas anders als der bekannte wirtschaftliche Wettbewerb. Dies beruht auf typischen Unterschieden der sozialen Verhaltensweisen in Kultur und Wirtschaft. Diesen Unterschieden will ich mich zuwenden. Wer sie ins Auge fasst, wird erkennen, dass manche Kritik am Aufkommen der bildungspolitischen Wettbewerbsdiskussion auf vorschnell übernommenen Vorstellungen beruht, die am wirtschaftlichen Wettbewerb durchaus zutreffend gebildet wurden, aber nur dort gelten. Von dieser Erkenntnis kann man fortschreiten zu überraschenden Ausblicken auf das Verhältnis von Wirtschaft und Kultur.
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Preiswettbewerb und Qualitätswettbewerb
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Die Besonderheiten des kulturellen Wettbewerbs werden für marktwirtschaftlich Geschulte am ehesten verständlich, wenn man sie darauf aufmerksam macht, dass in der Wirtschaft der Preiswettbewerb Vorrang vor dem Qualitätswettbewerb hat; denn die Kosten einer Qualitätssteigerung müssen durch die erzielbaren Preise gedeckt werden. Die technisch machbare und von den Ingenieuren angestrebte Qualität ist den Kaufleuten immer zu teuer, wenn sie keine Chance sehen, die Preise mindestens im Gleichschritt mit den Kosten zu erhöhen. Aus jedem Industriebetrieb ist der ständige Kampf der Techniker mit den Kaufleuten bekannt, bei dem es immer darum geht, die Kosten im Rahmen der erzielbaren Preise zu halten; d. h. das kaufmännisch Machbare hat Vorrang vor dem technisch Mach- und Wünschbaren. Die meisten Produkte werden in mehreren Qualitätsstufen zu deutlich abgestuften Preisen angeboten; das Preis/Leistungsverhältnis ist jeweils sorgfältig abgewogen im Sinne voller Kostendeckung auf jeder Qualitätsstufe. Mit der Bewilligung oder Verweigerung eines höheren Preises bestimmen die Verbraucher, welchen kostenträchtigen Aufwand sie als qualitätssteigernd anerkennen.
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Dagegen hat im kulturellen Bereich der Qualitätswettbewerb Vorrang vor dem Preiswettbewerb, weil die Kostendeckung in der Regel nur zu einem geringen Teil über Entgelte (Preise) erfolgt. In erster Linie werden die Kosten des kulturellen Leistungs- oder Qualitätswettbewerbs durch Subventionen oder Spenden oder Einkommensverzichte der Anbieter finanziert.
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Menge und Qualität einer subventionierten Produktion werden nicht mehr ausschließlich von der Zahlungsbereitschaft der Nachfrageseite begrenzt. Zwar muss auch von kulturellen Einrichtungen Kostendeckung erreicht werden; aber für sie gibt es zu diesem Ziel nicht nur den Weg über die erzielbaren Preise, sondern auch noch staatliche Subventionen, private Spenden und die Bereitschaft der staatlichen oder privaten Träger und oft auch ihrer Mitarbeiter zum dauernden Verlustausgleich (Einkommensverzicht).
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Mit der Bedeutung des Kostendeckungsgrades der Entgelte, also mit der Bedeutung der Preise, nimmt auch die Lenkungskraft der Nachfrageseite im kulturellen Bereich ab. Für die Kultur ist eine ausschließliche Lenkung durch die Nachfrage auch nicht berechtigt. Durch Subventionen und Spenden wird die Angebotsseite dazu freigesetzt, die Richtung des kulturellen Fortschritts im Wesentlichen selbst zu bestimmen. Die Avantgarde produziert immer etwas, was noch kaum nachgefragt wird. Sie muss für ihre „Überproduktion“ Nachfrage weckend werben. Ohne Nachfrage bleibt auch ihre Produktion sinnlos; aber nicht eine zahlungskräftige, sondern eine urteilsfähige Nachfrage macht hier Sinn. Ihre Urteilsfähigkeit fördert den Leistungs- und Qualitätswettbewerb.
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Der Preiswettbewerb kultureller Einrichtungen führt zu nicht kostendeckenden Preisen bis hin zum Nulltarif (kein Beitrag des Abnehmers zu den Kosten des Anbieters) oder gar negativen Preisen (Stipendien = Zusatzkosten = Beitrag des Anbieters zu den Kosten des Abnehmers). Kulturelle Anbieter wollen Übernachfrage hervorrufen, damit sie unter den Kunden (Schülern, Studenten) die würdigsten auswählen können. In einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung sinken Schulgelder und Studiengebühren weit unter die Kosten; eine Untergrenze gibt es nicht. Die Preissenkung wird durch die Bemühung um Spenden und Subventionen ebenso finanziert wie die Kosten der Qualitätssteigerung.
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Wettbewerb gibt es auch außerhalb der Wirtschaft. Das wird kaum jemand bestreiten, aber nur wenige halten dies für besonders wünschenswert. Viele fühlen sich unsicher, ob sie den Wettbewerb im Bildungswesen, der hier und dort durch zurückgehende Schülerzahlen oder die Gründung von Schulen in freier Trägerschaft aufkommt, fördern oder zurückdrängen sollen. Die Sozialwissenschaft bietet für die Beurteilung dieser Frage nur wenige Untersuchungen an und diese schrecken häufig durch ihre allzu offensichtliche Gleichsetzung von Wirtschaft und Kultur gerade diejenigen ab, deren beruflicher Tätigkeitsbereich in Rede ist. Sie fühlen sich zutiefst missverstanden oder missinterpretiert durch diese sozialwissenschaftlichen Darstellungen.
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Viele Propagandisten des Bildungswettbewerbs übersehen folgendes: Der Wettbewerb der Schulen und Hochschulen, von dem in Deutschland neuerdings immer öfter die Rede ist, wirkt etwas anders als der bekannte wirtschaftliche Wettbewerb. Dies beruht auf typischen Unterschieden der sozialen Verhaltensweisen in Kultur und Wirtschaft. Diesen Unterschieden will ich mich zuwenden. Wer sie ins Auge fasst, wird erkennen, dass manche Kritik am Aufkommen der bildungspolitischen Wettbewerbsdiskussion auf vorschnell übernommenen Vorstellungen beruht, die am wirtschaftlichen Wettbewerb durchaus zutreffend gebildet wurden, aber nur dort gelten. Von dieser Erkenntnis kann man fortschreiten zu überraschenden Ausblicken auf das Verhältnis von Wirtschaft und Kultur.
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Preiswettbewerb und Qualitätswettbewerb
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Die Besonderheiten des kulturellen Wettbewerbs werden für marktwirtschaftlich Geschulte am ehesten verständlich, wenn man sie darauf aufmerksam macht, dass in der Wirtschaft der Preiswettbewerb Vorrang vor dem Qualitätswettbewerb hat; denn die Kosten einer Qualitätssteigerung müssen durch die erzielbaren Preise gedeckt werden. Die technisch machbare und von den Ingenieuren angestrebte Qualität ist den Kaufleuten immer zu teuer, wenn sie keine Chance sehen, die Preise mindestens im Gleichschritt mit den Kosten zu erhöhen. Aus jedem Industriebetrieb ist der ständige Kampf der Techniker mit den Kaufleuten bekannt, bei dem es immer darum geht, die Kosten im Rahmen der erzielbaren Preise zu halten; d. h. das kaufmännisch Machbare hat Vorrang vor dem technisch Mach- und Wünschbaren. Die meisten Produkte werden in mehreren Qualitätsstufen zu deutlich abgestuften Preisen angeboten; das Preis/Leistungsverhältnis ist jeweils sorgfältig abgewogen im Sinne voller Kostendeckung auf jeder Qualitätsstufe. Mit der Bewilligung oder Verweigerung eines höheren Preises bestimmen die Verbraucher, welchen kostenträchtigen Aufwand sie als qualitätssteigernd anerkennen.
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Dagegen hat im kulturellen Bereich der Qualitätswettbewerb Vorrang vor dem Preiswettbewerb, weil die Kostendeckung in der Regel nur zu einem geringen Teil über Entgelte (Preise) erfolgt. In erster Linie werden die Kosten des kulturellen Leistungs- oder Qualitätswettbewerbs durch Subventionen oder Spenden oder Einkommensverzichte der Anbieter finanziert.
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Menge und Qualität einer subventionierten Produktion werden nicht mehr ausschließlich von der Zahlungsbereitschaft der Nachfrageseite begrenzt. Zwar muss auch von kulturellen Einrichtungen Kostendeckung erreicht werden; aber für sie gibt es zu diesem Ziel nicht nur den Weg über die erzielbaren Preise, sondern auch noch staatliche Subventionen, private Spenden und die Bereitschaft der staatlichen oder privaten Träger und oft auch ihrer Mitarbeiter zum dauernden Verlustausgleich (Einkommensverzicht).
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Mit der Bedeutung des Kostendeckungsgrades der Entgelte, also mit der Bedeutung der Preise, nimmt auch die Lenkungskraft der Nachfrageseite im kulturellen Bereich ab. Für die Kultur ist eine ausschließliche Lenkung durch die Nachfrage auch nicht berechtigt. Durch Subventionen und Spenden wird die Angebotsseite dazu freigesetzt, die Richtung des kulturellen Fortschritts im Wesentlichen selbst zu bestimmen. Die Avantgarde produziert immer etwas, was noch kaum nachgefragt wird. Sie muss für ihre „Überproduktion“ Nachfrage weckend werben. Ohne Nachfrage bleibt auch ihre Produktion sinnlos; aber nicht eine zahlungskräftige, sondern eine urteilsfähige Nachfrage macht hier Sinn. Ihre Urteilsfähigkeit fördert den Leistungs- und Qualitätswettbewerb.
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Der Preiswettbewerb kultureller Einrichtungen führt zu nicht kostendeckenden Preisen bis hin zum Nulltarif (kein Beitrag des Abnehmers zu den Kosten des Anbieters) oder gar negativen Preisen (Stipendien = Zusatzkosten = Beitrag des Anbieters zu den Kosten des Abnehmers). Kulturelle Anbieter wollen Übernachfrage hervorrufen, damit sie unter den Kunden (Schülern, Studenten) die würdigsten auswählen können. In einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung sinken Schulgelder und Studiengebühren weit unter die Kosten; eine Untergrenze gibt es nicht. Die Preissenkung wird durch die Bemühung um Spenden und Subventionen ebenso finanziert wie die Kosten der Qualitätssteigerung.
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