Modern Monetary Theory – eine Einführung – Dirk Ehnts

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Warum dem Staat das Geld nicht ausge­hen kann
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Im Jahr 2007 brach die sub-prime crisis in den USA aus. In der Folge einer Immo­bi­li­en­bla­se kam zu einem Zusam­men­bruch der Kredit­märk­te, erst im Zeit­lu­pen­tem­po und dann immer schnel­ler. Als am 15. Septem­ber 2008 die Invest­ment Bank Lehman Brot­hers Bank­rott anmel­de­te, wurde aus der Finanz­kri­se eine Wirt­schafts­kri­se. Der Zusam­men­bruch der priva­ten Inves­ti­tio­nen erzeug­te Arbeits­lo­sig­keit und einen Mangel an Nach­fra­ge. Die produ­zier­ten Güter und Dienst­leis­tun­gen konn­ten nicht alle verkauft werden, die Unter­neh­men entlie­ßen Arbeitnehmer*innen. Die Euro­zo­ne reagier­te 2009 mit einem fiska­li­schen Stimu­lus, bevor sie 2010 zu einer staat­li­chen Kürzungs­po­li­tik (Austeri­täts­po­li­tik) umschwenk­te. Statt die euro­päi­schen Bürger*innen und ihre Regie­run­gen durch zusätz­li­che Staats­aus­ga­ben zu retten wurden per Bail-out die Banken geret­tet. Quan­ti­ta­ti­ve easing sorgte dafür, dass die Preise für Vermö­gens­ti­tel hoch blie­ben und später dann dafür, dass die Regie­run­gen nicht in Proble­me mit ihrer Zahlungs­fä­hig­keit kamen. Dieser Poli­tik­mix erzeug­te Massen­ar­beits­lo­sig­keit in den betrof­fe­nen Ländern, während in Deutsch­land die Staats­aus­ga­ben der Bundes­re­gie­rung jedes Jahr stie­gen. Die Beschäf­ti­gung nahm zu und ein Aufschwung setzte ein, der 2019 kurz vor der Pande­mie ein wenig beach­te­tes Ende fand. Eine restrik­ti­ve Wirt­schafts­po­li­tik gab es dabei nicht. Zu keiner Zeit war die Infla­ti­ons­ra­te so hoch, dass die Euro­päi­sche Zentral­bank (EZB) meinte, eingrei­fen zu müssen.

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Diese Zusam­men­hän­ge müssen erklärt werden, damit sich alle eine eigene Meinung bilden können. Warum soll­ten Leser*innen nicht einfach auf ein Lehr­buch der Makro­öko­no­mie zurück­zu­grei­fen? Schließ­lich sind dort grund­le­gen­de Zusam­men­hän­ge erklärt. Leider stellt dies keine Möglich­keit dar. Mit den Worten, die Albert Einstein in den Mund gelegt wurden: „Proble­me kann man niemals mit dersel­ben Denk­wei­se lösen, durch die sie entstan­den sind.“ Die Ökono­men wähn­ten sich erfolg­reich. Bei der Tagung der Ameri­can Econo­mics Asso­cia­ti­on, dem Berufs­ver­band der US-Ökono­men, hielt 2003 ihr Präsi­dent Robert Lucas die presi­den­ti­al address und erwähn­te nicht ohne Stolz, dass das „zentra­le Problem der Vermei­dung einer Depres­si­on in der Praxis gelöst wurde“. Wider­spruch gab es nur von verein­zel­ten Ökono­men, von denen die meis­ten nicht der akade­mi­schen Welt angehörten.

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Die globa­le Finanz­kri­se hat gezeigt, dass sich die Volks­wirt­schafts­leh­re der letz­ten Jahr­zehn­te in die falsche Rich­tung entwi­ckelt hat. Die in den Zentral­ban­ken verwen­de­ten DSGE-Model­le versag­ten komplett in der Progno­se und auch in der Bewäl­ti­gung der Krise. Dass die Öffent­lich­keit von diesen Model­len noch nie gehört hat, liegt wohl nicht zuletzt an diesen Proble­men. Ökonom*innenen mit Model­len, die auf Bilan­zen und Bilanz­be­zie­hun­gen basie­ren, waren hinge­gen sehr erfolg­reich in der Erklä­rung, wie der nieder­län­di­sche Ökonom Dirk Beze­mer fest­stell­te. Einer dieser neuen Ansät­ze ist die Modern Mone­ta­ry Theory, die inzwi­schen mehr als 25 Jahre alt ist. Sie hat Vorfah­ren, die schon wesent­lich älter sind und von der MMT wieder­ent­deckt wurden. Vorgän­ger wie Knut Wick­sells Geld­zins und Güter­prei­se, Georg Fried­rich Knapps Staat­li­che Theo­rie des Geldes (1905) oder auch der Arti­kel von Abba Lerner Func­tion­al Finan­ce and the Fede­ral Debt (1941) sind für uns Ideen­ge­ber, auf deren Schul­tern wir uns stellen.

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Die Staatsfinanzierung 

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Die größte Erkennt­nis der MMT betrifft die Sequenz der Staats­aus­ga­ben. Die meis­ten Menschen denken, dass der Staat unser Geld braucht und daher unsere Steu­er­zah­lun­gen den Staat finan­zie­ren. Kaum jemand stößt sich daran, dass unser moder­nes Geld char­ta­lis­tisch ist, es also auf einer Prokla­ma­ti­on beruht. Moder­nes Geld ist das, was wir für Zahlun­gen an den Staat verwen­den. Die einzi­ge Quelle dieses Geldes ist die Zentral­bank, die ein Mono­pol auf die eigene Währung hat. Ihr kann weder das Geld ausge­hen noch kann sie insol­vent werden. Wenn aber der Staat mit seiner Zentral­bank der einzi­ge Schöp­fer des Geldes ist, dann brau­chen wir erst staat­li­ches Geld, bevor wir Steu­ern zahlen können. Die Zentral­bank hinge­gen kann als Schöp­fe­rin des Geldes ihre Ausga­ben nicht finan­zie­ren – sie bringt immer neues Geld ins Spiel.
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