Mehr „Wir“. Aber wie? – Ein Nachruf auf Silke Helfrich von Holger Kreft

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Mehr „Wir“. Aber wie? Commons und Commo­ning als Bezie­hungs­form, Wirt­schafts­wei­se und persön­li­che Ausrichtung

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Als ich vom Redak­teur dieser Zeit­schrift, Andre­as Bange­mann, die Nach­richt von Silke Helf­richs plötz­li­chem Tod hörte, war ich bestürzt. Nur einmal war ich ihr real begeg­net, aber ihr Name fiel und fällt mir immer wieder in der Fach- und popu­lär­wis­sen­schaft­li­chen Lite­ra­tur auf, die sich mit alter­na­ti­ven Wirt­schafts­mo­del­len beschäf­tigt. In der Absicht, die Forsche­rin und Akti­vis­tin, Autorin, Heraus­ge­be­rin, Refe­ren­tin Silke Helf­rich, ihr Werk und ihr Anlie­gen zu würdi­gen und auch im Kreis der Leserïn­nen der HW sicht­ba­rer zu machen, habe ich mich auf Spuren­su­che begeben. 

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Begegnungen
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Zunächst kannte ich sie nur über das Buch, das sie heraus­ge­ge­ben hat, um die wesent­li­chen Erkennt­nis­se der US-ameri­ka­ni­schen Commons-Forsche­rin und Nobel­preis­trä­ge­rin Elinor Ostrom ande­ren Menschen außer­halb der Fach­welt gut verständ­lich zu vermit­teln: Was mehr wird, wenn wir teilen: Vom gesell­schaft­li­chen Wert der Gemein­gü­ter (2011). Sie verant­wor­te­te darüber hinaus als Autorin, Über­set­ze­rin und Heraus­ge­be­rin zahl­rei­che deutsch­spra­chi­ge Stan­dard­wer­ke zum Commo­ning – zuletzt das gemein­sam mit David Bollier verfass­te Buch »Frei, fair und leben­dig. Die Macht der Commons«.

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Real sind wir uns kurz im Febru­ar 2014 in Wupper­tal begeg­net, als sie auf dem Weg zu einem Sympo­si­um war, das sich mit gemein­schaft­li­cher Stadt­pla­nung beschäf­tig­te und wo sie in einer der Sessi­ons einen von zwei Impuls­vor­trä­gen hielt. Sie berich­te­te mir bei dieser Gele­gen­heit, dass sie sich in der Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on der neu entste­hen­den Cusa­nus-Hoch­schu­le engagierte. 

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Ich nahm wahr, wie im Lauf der Zeit von ihr immer mehr Publi­ka­tio­nen zum Thema Commons und Commo­ning auftauch­ten und wie sie immer wieder von ande­ren namhaf­ten und geschätz­ten Autorïn­nen aus der Szene zitiert wurde.

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Schließ­lich fand ich auch einen Bericht über ein Wochen­end­se­mi­nar, das Silke zum Thema „Anders wirt­schaf­ten und den Wandel gestal­ten“ durch­ge­führt und dabei das alte Kinder­spiel „Die Reise nach Jeru­sa­lem“ hat spie­len lassen. Dieses Spiel ist für mich schon seit eini­gen Jahren eine tref­fen­de Analo­gie auf das Verdrän­gungs­den­ken in weiten Teilen unse­rer moder­nen Leis­tungs­ge­sell­schaft. „Ergat­te­re dir selbst einen Platz, komme was wolle“, heißt die zentra­le Ziel­set­zung. Nach einem ersten Spiel­durch­gang mit teil­wei­se ellen­bo­gi­gen Range­lei­en regte sie dann ihre Semi­nar­teil­neh­merïn­nen jedoch dazu an, mit dieser Ziel­set­zung zu brechen: „Vergesst für diesen Durch­lauf sämt­li­che ande­ren Regeln und folgt nur noch dieser hier: ‚Jeder findet einen Platz!‘“ soll sie gesagt haben. Aller­dings war sie auf die extre­me Gründ­lich­keit ihrer Teil­neh­merïn­nen nicht vorbe­rei­tet, mit der diese die ursprüng­li­che Spiel­idee nach und nach bis zur Unkennt­lich­keit auflös­ten. Daher inter­ve­nier­te sie offen­bar zunächst, bezeich­ne­te laut Semi­nar­be­richt dies jedoch im Anschluss als Fehler und entschul­dig­te sich damit, das Spiel in dieser Form zum ersten Mal ange­lei­tet zu haben.
Was ich an dieser (nicht persön­lich erleb­ten) Anek­do­te so klasse finde? Erstens scheint mir das Spiel und die Ände­rung der Regeln eine tref­fen­de Einfüh­rung in das Thema Commons zu sein: Wie gehen wir mit den Gütern um, die wir alle brau­chen? Welche Regeln geben wir uns? Wer wacht über deren Einhal­tung oder wie gewähr­leis­ten wir möglichst bewusst und entspannt, dass die Regeln so arbei­ten, dass unsere gemein­schaft­li­che Güter­pro­duk­ti­on läuft? Darin liegt viel Stoff zum Verar­bei­ten. Die Stühle im Spiel bilden aller­dings nicht die Verwo­ben­heit der Dinge unter­ein­an­der ab, die müssen wir uns noch hinzu­den­ken. Zwei­tens: Silke Helf­rich hat diesen Semi­nar­be­richt auch selbst auf ihren eige­nen Commons-Blog gestellt und damit viel­leicht auch ihr eige­nes Lernen gefei­ert. Zu finden ist er unter Commo­ning-lasst-uns-die-regeln-aendern. Es kommt noch ein Drit­tes: Weil ich gern wissen will, wie ich ein solches Hack­ing beglei­ten könnte, frage ich sie per Mail nach der Anlei­tung zu der spie­le­risch-expe­ri­men­tel­len Bear­bei­tung der „Reise nach Jeru­sa­lem“. Diese hatte sie auf ihrem Blog in Aussicht gestellt. Nach ein paar Tagen meldet sie sich, und es ergibt sich ein schö­ner offe­ner Gedan­ken­aus­tausch per E‑Mail, in dem sie mir groß­zü­gig noch weite­re wert­vol­le Anre­gun­gen gibt. Es passt zu dem Bild, das offen­bar viele Kolle­gen von ihr haben: In Nach­ru­fen von Menschen, die inten­siv mit ihr zusam­men­ge­ar­bei­tet haben, fallen Attri­bu­te wie freund­lich, offen, hilfs­be­reit und inspirierend.

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