„Marktwirtschaft: Zu einer neuen Wirklichkeit“ – Rezension von Andreas Bangemann
„Marktwirtschaft: Zu einer neuen Wirklichkeit“
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30 Thesen zur Transformation unserer Wirtschaftsordnung
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Ein Buch von Stephan Bannas und Carsten Herrmann-Pillath
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Rezension von Andreas Bangemann
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Wer käme auf die Idee, bei einer Beerdigung etwas Weltveränderndes zu planen? Das war auch in dieser Geschichte nicht vorgesehen, aber das Manifest, wie die Autoren ihr Werk selbst bezeichnen, nahm seinen Anfang am Grab von Walter Oswalt, der am 23. Juli 2018 in Frankfurt am Main starb. Er war Enkel von Walter Eucken, dem bekanntesten Vertreter und Mitbegründer des deutschen Ordoliberalismus. Die Verbundenheit zu diesem Thema, brachte Stephan Bannas und Carsten Herrmann-Pillath an jenem Tag zusammen, mit der Folge, dass das hier zu besprechende Buch entstand.
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Manifeste sind meist erhaben und zugleich angreifbar. Ein derartiger Fahrplan zur Veränderung der Welt kämpft mit einer enormen Bürde. Handelt es sich doch „nur“ um auf Papier geschriebene Worte zu Themen, innerhalb derer es keine praktischen Beispiele eines Funktionierens der angestrebten Ziele gibt. Je umfassender ein Thesenpapier aktuelle Bezüge herstellt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Umsetzung am Widerstand von Mehrheiten oder an einflussreichen Einrichtungen scheitert, aus unterschiedlichsten Gründen.
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Vor diesem Dilemma stehen alle, die ein Gespür für die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen haben und die Trutzburg des Altüberkommenen vor sich sehen. Ohne eine Einheit aus einander bedingenden und erforderlichen Neuregelungen kann keine andersartige Struktur entstehen und folglich auch kein Paradigmenwechsel.
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Die zerstörerischen Auswirkungen des aktuellen Wirtschaftens in sozialer und ökologischer Hinsicht liegen offen zu Tage. Politik und Wissenschaft strampeln sich ab und kämpfen an einzelnen Fronten für punktuelle Verbesserungen, um direkte Bedrohungen abzumildern. An kaum etwas lässt sich besser festmachen, wozu symptombezogener Aktionismus führt, als an den derzeitigen Coronamaßnahmen. Ein hoffnungsloser Kampf sich widerstreitender Meinungen, Gewissheiten und Machtdemonstrationen hat ein in vielerlei Hinsicht tief gespaltenes Volk hervorgebracht.
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Akute Schwierigkeiten erfordern zwar rasches und mutiges Handeln zur Schadensbegrenzung. Aber immer offenbaren sich auch falsch gesetzte Prioritäten früherer Zeiten. Deshalb sollte man im Grunde nie direkt zur Tagesordnung übergehen, wenn ein Problem gelöst erscheint, stattdessen stets die Frage anschließen, wie es dazu kam und welche Rolle systemische Grundlagen spielen. An ihnen setzen umfassende Utopien und daraus hervorgehende Manifeste wie das vorliegende an. Es handelt sich um einen umsichtig durchdachten Wegweiser, der die aus der Vergangenheit entstandene Gegenwart in eine Zukunft führen soll, die keine Fortschreibung ist, sondern neue Regeln einführt, die sich von bisherigen unterscheiden. Die mit diesem Buch von den Autoren vorgelegten Leitgedanken haben in Deutschland eine lange Tradition und erlebten ihre Blütezeit nach der Katastrophe des 2. Weltkriegs. Der Ordoliberalismus, aus der Freiburger Schule in den 50-er Jahren hervorgegangen, entfaltete in Person des ersten Nachkriegswirtschaftsministers Ludwig Erhard eine unstreitige Wirkung. Die in dieser Zeit einsetzende Entwicklung der jungen Bundesrepublik hin zu einem heute anerkannten weltwirtschaftlichen Schwergewicht wuchs im Laufe der Jahre in das Umfeld eines mittlerweile verpönten Neoliberalismus hinein. Die ursprünglichen Intentionen der Vordenker verloren sich, weshalb der Ordoliberalismus neben vielen anderen klugen Ideen zur Veränderung des menschlichen Wirtschaftens heute ein gesellschaftliches Mauerblümchendasein fristet.Die 30 Thesen der beiden Autoren haben zum Ziel, die Marktwirtschaft zu einer neuen Wirklichkeit zu führen. Sie sind ein wertvoller Beitrag zur Transformationsgesellschaft, wie die gegenwärtige immer häufiger genannt wird. Die bedeutendsten Auswirkungen des Wirtschaftens der Neuzeit werden schonungslos aufgedeckt und mit einer eklatanten Ungenauigkeit heutiger Wirtschaftswissenschaften aufgeräumt: der Unterscheidung von Kapitalismus und Marktwirtschaft. Im Ergebnis führt dieser bisherige Mangel in den Grundlagenwerken der Ökonomie zu Unklarheiten bei der Beurteilung von realen Folgen einerseits und einer ständig am Kochen gehaltenen Gegensätzlichkeit von Sozialismus/Kommunismus und Kapitalismus andererseits. Am Ende entscheiden Machtfragen über die Deutungshoheit, ohne die Probleme im Kern gelöst zu haben. Im Grunde wird damit ein wissenschaftliches Armutszeugnis offenbar.
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Die Transformationsthesen der beiden Autoren gehören deshalb mit Nachdruck in die Mitte des Zukunftsdiskurses für die Wirtschaftswelt von morgen gestellt. Ohne grundlegende Neuausrichtung bezüglich vieler Fragen wird es keine Nachhaltigkeit geben. Dafür bieten Bannas und Herrmann-Pillath in einzelnen Punkten Stoff für kontroverse Auseinandersetzungen hinsichtlich deren Gewichtung, aber jeder dieser Punkte ist ein Mosaikstein für das entstehende Bild einer Gesellschaft von morgen und der Einbettung des Menschen in seine Umwelt.
Im Kern geht es darum, einen Weg zu entwickeln, wie individuelle Freiheit mit gesamtgesellschaftlichen und ökologischen Erfordernissen zu einer Balance finden. Ein überlegt entworfenes Gefüge ordnender und freiheitlicher Elemente muss in eine Wirklichkeit münden, innerhalb derer die Ordnung nicht fesselnd wahrgenommen wird und individuelle Freiheit im menschlichen Miteinander fantasievoll gedeihen kann. Ein moderner Ordoliberalismus kann dazu den Instrumentenkasten anbieten. Wie genau der aussehen könnte, ist in diesem Werk von 132 Buchseiten auf inspirierende Weise niedergelegt. Es findet sich, kreativ eingebettet, darin auch die Würdigung von Ideen vieler nie angemessen zu Ehren gelangter Denker vergangener Tage wieder, nicht zuletzt derjenigen von Silvio Gesell und Henry George als nur zwei zu nennender, die in dieser Zeitschrift eine Rolle spielen.
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Um zum Lesen des Werks anzuregen, seien hier nur einige der Themen angerissen, die ihren festen Platz im Manifest haben:
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Planetare Verantwortung des Menschen
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Wirtschaft ist Mittel, kein Selbstzweck
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Gemeingüter
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Generationenübergreifende Nachhaltigkeit
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Freiheit von wirtschaftlichem Zwang
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Gleichwertigkeit von Arbeit in Gemeinschaft, Gesellschaft und Wirtschaft
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Prinzipien des Wettbewerbs
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Motivationales Leitbild: Persönliche Haftung
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Strukturelles Leitbild: Subsidiarität
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Fiskalische Nachhaltigkeit
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Grundsicherung
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Wissen als Gemeineigentum
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Staatliches Geld und Geldwertstabilität
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Der Finanzsektor dient der Realwirtschaft
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30 Thesen zur Transformation unserer Wirtschaftsordnung
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Ein Buch von Stephan Bannas und Carsten Herrmann-Pillath
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Rezension von Andreas Bangemann
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Wer käme auf die Idee, bei einer Beerdigung etwas Weltveränderndes zu planen? Das war auch in dieser Geschichte nicht vorgesehen, aber das Manifest, wie die Autoren ihr Werk selbst bezeichnen, nahm seinen Anfang am Grab von Walter Oswalt, der am 23. Juli 2018 in Frankfurt am Main starb. Er war Enkel von Walter Eucken, dem bekanntesten Vertreter und Mitbegründer des deutschen Ordoliberalismus. Die Verbundenheit zu diesem Thema, brachte Stephan Bannas und Carsten Herrmann-Pillath an jenem Tag zusammen, mit der Folge, dass das hier zu besprechende Buch entstand.
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Manifeste sind meist erhaben und zugleich angreifbar. Ein derartiger Fahrplan zur Veränderung der Welt kämpft mit einer enormen Bürde. Handelt es sich doch „nur“ um auf Papier geschriebene Worte zu Themen, innerhalb derer es keine praktischen Beispiele eines Funktionierens der angestrebten Ziele gibt. Je umfassender ein Thesenpapier aktuelle Bezüge herstellt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Umsetzung am Widerstand von Mehrheiten oder an einflussreichen Einrichtungen scheitert, aus unterschiedlichsten Gründen.
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Vor diesem Dilemma stehen alle, die ein Gespür für die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen haben und die Trutzburg des Altüberkommenen vor sich sehen. Ohne eine Einheit aus einander bedingenden und erforderlichen Neuregelungen kann keine andersartige Struktur entstehen und folglich auch kein Paradigmenwechsel.
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Die zerstörerischen Auswirkungen des aktuellen Wirtschaftens in sozialer und ökologischer Hinsicht liegen offen zu Tage. Politik und Wissenschaft strampeln sich ab und kämpfen an einzelnen Fronten für punktuelle Verbesserungen, um direkte Bedrohungen abzumildern. An kaum etwas lässt sich besser festmachen, wozu symptombezogener Aktionismus führt, als an den derzeitigen Coronamaßnahmen. Ein hoffnungsloser Kampf sich widerstreitender Meinungen, Gewissheiten und Machtdemonstrationen hat ein in vielerlei Hinsicht tief gespaltenes Volk hervorgebracht.
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Akute Schwierigkeiten erfordern zwar rasches und mutiges Handeln zur Schadensbegrenzung. Aber immer offenbaren sich auch falsch gesetzte Prioritäten früherer Zeiten. Deshalb sollte man im Grunde nie direkt zur Tagesordnung übergehen, wenn ein Problem gelöst erscheint, stattdessen stets die Frage anschließen, wie es dazu kam und welche Rolle systemische Grundlagen spielen. An ihnen setzen umfassende Utopien und daraus hervorgehende Manifeste wie das vorliegende an. Es handelt sich um einen umsichtig durchdachten Wegweiser, der die aus der Vergangenheit entstandene Gegenwart in eine Zukunft führen soll, die keine Fortschreibung ist, sondern neue Regeln einführt, die sich von bisherigen unterscheiden. Die mit diesem Buch von den Autoren vorgelegten Leitgedanken haben in Deutschland eine lange Tradition und erlebten ihre Blütezeit nach der Katastrophe des 2. Weltkriegs. Der Ordoliberalismus, aus der Freiburger Schule in den 50-er Jahren hervorgegangen, entfaltete in Person des ersten Nachkriegswirtschaftsministers Ludwig Erhard eine unstreitige Wirkung. Die in dieser Zeit einsetzende Entwicklung der jungen Bundesrepublik hin zu einem heute anerkannten weltwirtschaftlichen Schwergewicht wuchs im Laufe der Jahre in das Umfeld eines mittlerweile verpönten Neoliberalismus hinein. Die ursprünglichen Intentionen der Vordenker verloren sich, weshalb der Ordoliberalismus neben vielen anderen klugen Ideen zur Veränderung des menschlichen Wirtschaftens heute ein gesellschaftliches Mauerblümchendasein fristet.Die 30 Thesen der beiden Autoren haben zum Ziel, die Marktwirtschaft zu einer neuen Wirklichkeit zu führen. Sie sind ein wertvoller Beitrag zur Transformationsgesellschaft, wie die gegenwärtige immer häufiger genannt wird. Die bedeutendsten Auswirkungen des Wirtschaftens der Neuzeit werden schonungslos aufgedeckt und mit einer eklatanten Ungenauigkeit heutiger Wirtschaftswissenschaften aufgeräumt: der Unterscheidung von Kapitalismus und Marktwirtschaft. Im Ergebnis führt dieser bisherige Mangel in den Grundlagenwerken der Ökonomie zu Unklarheiten bei der Beurteilung von realen Folgen einerseits und einer ständig am Kochen gehaltenen Gegensätzlichkeit von Sozialismus/Kommunismus und Kapitalismus andererseits. Am Ende entscheiden Machtfragen über die Deutungshoheit, ohne die Probleme im Kern gelöst zu haben. Im Grunde wird damit ein wissenschaftliches Armutszeugnis offenbar.
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Die Transformationsthesen der beiden Autoren gehören deshalb mit Nachdruck in die Mitte des Zukunftsdiskurses für die Wirtschaftswelt von morgen gestellt. Ohne grundlegende Neuausrichtung bezüglich vieler Fragen wird es keine Nachhaltigkeit geben. Dafür bieten Bannas und Herrmann-Pillath in einzelnen Punkten Stoff für kontroverse Auseinandersetzungen hinsichtlich deren Gewichtung, aber jeder dieser Punkte ist ein Mosaikstein für das entstehende Bild einer Gesellschaft von morgen und der Einbettung des Menschen in seine Umwelt.
Im Kern geht es darum, einen Weg zu entwickeln, wie individuelle Freiheit mit gesamtgesellschaftlichen und ökologischen Erfordernissen zu einer Balance finden. Ein überlegt entworfenes Gefüge ordnender und freiheitlicher Elemente muss in eine Wirklichkeit münden, innerhalb derer die Ordnung nicht fesselnd wahrgenommen wird und individuelle Freiheit im menschlichen Miteinander fantasievoll gedeihen kann. Ein moderner Ordoliberalismus kann dazu den Instrumentenkasten anbieten. Wie genau der aussehen könnte, ist in diesem Werk von 132 Buchseiten auf inspirierende Weise niedergelegt. Es findet sich, kreativ eingebettet, darin auch die Würdigung von Ideen vieler nie angemessen zu Ehren gelangter Denker vergangener Tage wieder, nicht zuletzt derjenigen von Silvio Gesell und Henry George als nur zwei zu nennender, die in dieser Zeitschrift eine Rolle spielen.
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Um zum Lesen des Werks anzuregen, seien hier nur einige der Themen angerissen, die ihren festen Platz im Manifest haben:
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Planetare Verantwortung des Menschen
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Wirtschaft ist Mittel, kein Selbstzweck
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Gemeingüter
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Generationenübergreifende Nachhaltigkeit
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Freiheit von wirtschaftlichem Zwang
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Gleichwertigkeit von Arbeit in Gemeinschaft, Gesellschaft und Wirtschaft
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Prinzipien des Wettbewerbs
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Motivationales Leitbild: Persönliche Haftung
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Strukturelles Leitbild: Subsidiarität
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Fiskalische Nachhaltigkeit
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Grundsicherung
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Wissen als Gemeineigentum
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Staatliches Geld und Geldwertstabilität
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Der Finanzsektor dient der Realwirtschaft
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Im Buch wird eine kurze, auf den Punkt gebrachte Erklärung zu den einzelnen Thesen dargelegt. Im zweiten Teil kommentieren und erläutern die Autoren die Thesen und deuten an, wie es im Ergebnis zum Zusammenspiel in der transformierten Marktwirtschaft kommen soll.
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Im letzten Abschnitt widmen sich Stephan Bannas und Carsten Herrmann-Pillath den Wegen, Übergängen und Herausforderungen, die sich bei der Umsetzung des Manifests ergeben werden.
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Prädikat: Absolut lesenswert für jeden an der Veränderung von Wirtschaft Interessierten.
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