Kapitalismus: Die unbequeme Wahrheit hinter dem Biodiversitätsverlust – Redaktion
Pádraic Fogarty, Ökologe und Autor, beschreibt in einem Artikel in der Irish Times den engen Zusammenhang zwischen dem kapitalistischen Wirtschaftssystem und dem alarmierenden Verlust der globalen Biodiversität. Berichte wie der Living Planet Index des WWF und der Zoological Society of London belegen den dramatischen Rückgang von 69% der überwachten Tierpopulationen seit 1970. Doch während diese Berichte den menschlichen Konsum als treibende Kraft der Umweltzerstörung nennen, versäumen sie es laut Fogarty und anderen Experten, die wahre Ursache des Problems explizit zu benennen: den Kapitalismus.
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Für die Geografin Anna Pigott (Swansea University) ist es der Kapitalismus, der den unersättlichen Konsum antreibt. Solange dieses System nicht als Wurzel des Problems erkannt werde, so Pigott, sei ein grundlegender Wandel nicht möglich. Der Kapitalismus sei kein unveränderliches Phänomen, das unweigerlich mit der menschlichen Natur verbunden sei, sondern ein soziales Konstrukt, das überwunden werden müsse.
In diesem Zusammenhang erklärt der Anthropologe Jason Hickel, dass der Kapitalismus durch drei Hauptmerkmale gekennzeichnet ist: künstliche Verknappung, ständige Expansion und fehlende demokratische Kontrolle. Entscheidungen in kapitalistischen Systemen werden von Kapitalbesitzern getroffen, deren primäres Ziel die Profitmaximierung und nicht der ökologische oder soziale Fortschritt ist. Dieses Streben nach Profitmaximierung führe dazu, so Hickel, dass Investitionen weiterhin in umweltzerstörende Industrien wie fossile Brennstoffe flössen, obwohl Technologien zur Reduzierung von Emissionen bereits verfügbar seien.
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Verdrängung alternativer Ansätze
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Patrick Bresnihan, Professor an der Maynooth University, kritisiert in diesem Zusammenhang die „Verschmelzung von Kapitalismus und Realität“ – das Narrativ, wonach der Kapitalismus alternativlos sei. Bresnihan betont, dass es andere Möglichkeiten gibt, die Beziehungen zwischen Mensch und Natur zu organisieren. Doch diese alternativen Modelle werden im öffentlichen Diskurs oft ignoriert, da der Kapitalismus als unveränderliche Realität angesehen wird.
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Das Problem der „versteckten Kosten“, die durch die Ausbeutung natürlicher Ressourcen entstehen, verdeutlicht, wie der Kapitalismus Umweltzerstörung systematisch verschleiert. Ressourcen wie Wälder oder Fischbestände werden oft unter ihrem Wert gehandelt, ohne die langfristigen Umweltschäden zu berücksichtigen. Obwohl Ansätze wie das „Natural Capital Accounting“ versuchen, diese versteckten Kosten sichtbar zu machen, kritisiert Bresnihan die Naivität solcher Ansätze. Die Umweltauswirkungen des Kapitalismus seien nicht auf mangelndes Wissen zurückzuführen, sondern ein notwendiger Bestandteil des Systems.
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Marktwirtschaft ohne Kapitalismus: Ein „Dritter Weg“?
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Der Artikel zeigt, dass die gegenwärtige Debatte über Umweltzerstörung oft von einer falschen Dichotomie beherrscht wird: der Wahl zwischen Kapitalismus und sozialistischer Planwirtschaft. Diese binäre Sichtweise lässt jedoch Raum für alternative Modelle. Eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus – ein „dritter Weg“ – könnte eine Lösung bieten, bei der das marktwirtschaftliche Prinzip erhalten bleibt, aber der Wachstumszwang durch verzinstes Kapital entfällt. Ein solches Modell könnte den im Kapitalismus systembedingten exponentiellen Anstieg des Ressourcenverbrauchs stoppen.
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Die von Fogarty diskutierten Ansätze des „Rewilding“ und der Dekommodifizierung bestimmter Wirtschaftssektoren könnten Ansätze für eine solche neue Form der Marktwirtschaft sein. Dass freiwillige Maßnahmen längst nicht mehr ausreichen, zeigt die Idee, Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen und durch verbindliche Vorgaben (wie z. B. neue Berichtsstandards in der EU) zu umweltgerechtem Handeln zu zwingen.
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Der Weg in eine postkapitalistische Zukunft?
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Auch wenn Fogartys Artikel nicht explizit auf die Frage nach einem System jenseits des Kapitalismus eingeht, so deutet er doch die Dringlichkeit eines grundlegenden Wandels an. Das kapitalistische Wirtschaftssystem, das auf unendlichem Wachstum basiert, steht in direktem Widerspruch zu den begrenzten Ressourcen unseres Planeten. Fogartys Appell lautet, dass die Diskussion über eine postkapitalistische Gesellschaft, in der Natur und Mensch im Mittelpunkt stehen, dringend in den Mainstream gebracht werden muss.
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Fazit
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Pádraic Fogarty zeichnet ein düsteres Bild von den Auswirkungen des Kapitalismus auf die globale Biodiversität, betont aber auch, dass alternative Wirtschaftssysteme möglich sind. Die Diskussion über Kapitalismus und Umwelt geht weit über die Frage des Konsums hinaus. Es ist eine Diskussion, die den Kern unseres Wirtschaftssystems hinterfragt und nach neuen Wegen sucht, in denen die Marktwirtschaft ohne die zerstörerischen Kräfte des Kapitalismus bestehen kann. – - –
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