IWF-Ökonomen diskutieren Fließendes Geld! – Steffen Henke

Wenn man im Kern das Geld­sys­tem verste­hen möchte, kommt man nicht daran vorbei, sich mit dem Thema der soge­nann­ten Geld­um­lauf­si­che­rung zu beschäf­ti­gen. Die Real­wirt­schaft dient dem Gemein­wohl dann am besten, wenn das Geld im Wirt­schafts­kreis­lauf möglichst gleich­mä­ßig zirku­liert. Nur wie wird dies erreicht? Es stellt sich also die Frage: Müssen Markt­teil­neh­mer, die mehr Geld verein­nah­men als sie aktu­ell ausge­ben wollen über Mecha­nis­men im Geld­sys­tem moti­viert werden, damit sie ihre über­schüs­si­gen Mittel frei­ge­ben und nicht horten? Hortung führt zu Störung des Wirtschaftskreislaufes.
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Im gegen­wär­ti­gen System wird diese Moti­va­ti­on norma­ler­wei­se mit einem Zins deut­lich größer null Prozent und Infla­ti­on (Infla­ti­ons­ziel der EZB: ca. 2 Prozent) geschaf­fen. Ergeb­nis dieser Geld­um­lauf­si­che­run­gen sind unter ande­rem zins­be­ding­te Umver­tei­lung von fast Allen zu Weni­gen, extre­me Kapi­tal­kon­zen­tra­tio­nen – Wirkung: Demo­kra­tie­ver­lust – und Umwelt­zer­stö­rung wegen des Wirt­schafts­wachs­tums­zwangs. Aus verschie­de­nen Ursa­chen, auf die hier nicht einge­gan­gen wird, liegt der aktu­el­le durch­schnitt­li­che Markt­zins jedoch derart nied­rig, dass er seine geld­um­lauf­si­chern­de Funk­ti­on nicht mehr ausrei­chend erfüllt. Deshalb sind die Volu­mi­na von täglich fälli­gen Einla­gen förm­lich explo­diert. Dadurch wieder­um sind die syste­mi­schen Risi­ken weiter massiv gestiegen.
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Eine alter­na­ti­ve Geld­um­lauf­si­che­rung wäre ein Zins deut­lich unter null Prozent, also Flie­ßen­des Geld. Oft wird in diesem Zusam­men­hang auch von „Nega­tiv­zin­sen“ gespro­chen. Diesen Begriff halte ich aller­dings schon wegen seinem nega­ti­ven Beiklang für unge­eig­net. Wer mag schon etwas „Nega­ti­ves“. Darüber hinaus wird der Begriff oft auch propa­gan­dis­tisch einge­setzt und führt Inter­es­sier­te regel­mä­ßig auf die falsche Fährte. Viele Geld­re­for­me­rin­nen und Geld­re­for­mer spre­chen deshalb von einer Umlauf­si­che­rungs­ge­bühr oder einem Umlaufimpuls.
Der Inhalt eines Arbeits­pa­piers von Ökono­men des IWF vom August 2018 fand in jüngs­ter Zeit den Weg in die Medien. In der Arbeit wird disku­tiert: Wie könn­ten Zentral­ban­ken den Leit­zins deut­lich unter null Prozent fest­set­zen? Ohne weite­re Maßnah­men wäre die Folge eine Flucht ins Bargeld. Inso­fern liegen die betref­fen­den IWF-Ökono­men rich­tig, wenn sie Über­le­gun­gen anstel­len, wie auch das Bargeld mit Kosten belegt werden kann. Spätes­tens dann sorgt eine solche Diskus­si­on bei Lese­rin­nen und Lesern, die sich mit der Thema­tik bisher nicht ausein­an­der­ge­setzt haben, für spür­ba­res Entsetzen.
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Am einfachs­ten wäre es vermut­lich, wenn auf Bargeld als Trans­ak­ti­ons­mit­tel ganz verzich­tet wird, denn auf täglich fälli­ge Einla­gen lassen sich deut­lich leich­ter Gebüh­ren erhe­ben. Dies lehne ich jedoch kate­go­risch ab! Auch im IWF-Doku­ment werden die Vortei­le des Bargel­des, wie zum Beispiel das anony­me Bezah­len und damit der Schutz der Privat­sphä­re und die Unab­hän­gig­keit von Tech­nik, herausgestellt.
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Alter­na­tiv könnte man durch­aus Gebüh­ren auch auf Bargeld erhe­ben. Bei dem erfolg­rei­chen Expe­ri­ment in Wörgl (1932 – 1933) muss­ten monat­lich für die soge­nann­ten Arbeits­wert­schei­ne für deren Gültig­keits­er­halt Stem­pel­mar­ken gekauft werden. Bei heute bereits einge­setz­ten regio­na­len Tausch­mit­teln wie dem Chiem­gau­er müssen Aufwert­mar­ken erwor­ben werden. Weite­re tech­ni­sche Lösun­gen wurden schon vor Jahren unter ande­rem in einem Heft der Huma­nen Wirt­schaft bespro­chen. Auf dieses Heft bezie­hen sich auch die IWF-Ökono­men. Inter­es­sant, beim IWF liest man die Humane Wirt­schaft. Selbst die Arbei­ten von Silvio Gesell werden erwähnt.
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Im oben genann­ten Arbeits­pa­pier des IWF wird ein drit­ter Weg behan­delt. Bargeld wird von täglich fälli­gen Einla­gen entkop­pelt. Letzt­ge­nann­te Aggre­ga­te werden von den Autoren des IWF-Doku­ments als elek­tro­ni­sches Geld bezeich­net. Das sehe ich bezüg­lich der Begriffs­de­fi­ni­ti­on kritisch, da streng zwischen Geld (Zentral­bank­geld) und täglich fälli­gen Einla­gen (z. B.: Gutha­ben auf Giro­kon­ten) unter­schie­den werden sollte, um ein besse­res Verständ­nis der Prozes­se zu erreichen.
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Die Reak­tio­nen von Ökono­men wie auch brei­ter Bevöl­ke­rungs­schich­ten zeigen, wie weit entfernt wir davon sind, dass die Mecha­nis­men im Geld­sys­tem erkannt werden. So spre­chen die Ökono­men Matthi­as Weik und Marc Fried­rich in Bezug auf Nega­tiv­zin­sen einer­seits vom „EZB-Folter­in­stru­ment“. Ande­rer­seits erklä­ren sie, dass Syste­me, die durch Zinses­zins expo­nen­ti­ell wach­sen, immer nur zeit­lich begrenzt funk­tio­nie­ren können. Welche Art der Geld­um­lauf­si­che­rung empfeh­len dann diese beiden Autoren? Oder sind sie der Meinung, dass es in einem Geld­sys­tem keiner Geld­um­lauf­si­che­rung bedarf? Sie verra­ten es uns nicht.
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Im Focus ist zu lesen, dass der „Vorschlag des IWF verhee­rend“ sei, da über „Straf­zin­sen“ eine „Enteig­nung der Sparer“ erfol­gen würde. Dabei über­sieht der Autor, dass die Kosten ausschließ­lich auf Bargeld und kurz­fris­ti­ge Einla­gen erho­ben werden. Nicht betrof­fen sind demnach mittel- bis lang­fris­ti­ge Einla­gen. Sparen, beispiels­wei­se für die Alters­vor­sor­ge, oder größe­re Anschaf­fun­gen in der Zukunft, ist ohne weite­res möglich. Sollte dem Leser oder der Lese­rin dieser Punkt noch nicht ganz klar sein, empfeh­le ich, sich mit der Zins­struk­tur­kur­ve beider Syste­me (Zinsen deut­lich größer null Prozent und Zinsen deut­lich klei­ner null Prozent) auseinanderzusetzen.
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