Geldvermögen und Schulden – Thomas Kubo
Die Bundesbank hat die Statistische Sonderveröffentlichung 4 zugunsten der neuen Statistischen Fachreihe »Finanzierungsrechnung« umgestellt. Die Sonderveröffentlichung 4 bot immer die Grundlage für die Spiegelgrafik Geldvermögen/Schulden von Helmut Creutz, Nr. 034⁄43. Diese ist hier bis 2019 verlängert als Darstellung wiedergegeben. Sie ist ferner um den Punkt »Übrige Welt« ergänzt, um alle volkswirtschaftlichen Konten abzubilden; allerdings ließen sich aus den Zeitreihen der Bundesbank nur Daten ab 1991 zur »Übrigen Welt« finden, weshalb die Zeitreihe im Hinblick auf die »Übrige Welt erst ab 1991 einsetzt.
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Die Statistik der Bundesbank beruht auf der ESVG 2010, welche in zwei Bereichen eine etwas feinere Differenzierung gegenüber der ESVG 1995 beinhaltet:
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Private Haushalte und die sog. Privaten Haushalte ohne Erwerbszweck (Vereine, Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften) werden nun getrennt dargestellt. Vorher wurden letztere unter »Private Haushalte« vermengt.
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Die zahlreichen Finanzinstitutionen werden nun differenzierter nach vier Bereichen dargestellt:
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Monetäre Finanzinstitute (entspricht in etwa Banken, enthält aber auch die Deutsche Bundesbank)
Investmentfonds (vermutlich zählen hierzu auch die Geldmarktfonds)
Sonstige Finanzinstitute (Umfasst auch Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten sowie firmeneigene Finanzierungseinrichtungen und Kapitalgeber.)
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Versicherungen und Pensionseinrichtungen
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Das Schattenbankensystem ist durch diese Gliederung noch nicht hinreichend aufgehellt, aber ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist getan. Es wäre auch interessant gewesen, wie sich die konkrete Bilanz der Deutschen Bundesbank selbst verändert hat. Diese wird aber immer noch unter dem Sektor »Monetäre Finanzinstitute« geführt.
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Die Übersicht bietet einige Erkenntnisse, wirft aber auch Fragen auf:
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Der Staat hat seine Verschuldung gegenüber dem Ausland etwas abgebaut, und die Verschuldung mehr in Richtung Binnenverschuldung umgeschichtet (Schuldverschreibungen erworben vom Ausland 2014⁄2019: 1.346/1.004 Mrd. €. Schuldverschreibungen erworben von inländischen Sektoren 2014⁄2019: 450⁄738 Mrd. Diese Zahlen enthalten Spuren der derzeitigen EZB-Politik. Die Übernahme von Staatsverschulden durch die EZB versetzt Investoren in die Lage, in die deutsche Wirtschaft zu investieren: Die Anteilsrechte des Auslandes an deutschen Firmen sind stark gestiegen 2014⁄2019: 1.454/1.874 Mrd.). Ausländische Investoren haben es also im derzeitigen Niedrigzinsumfeld durch die EZB-Politik leichter, das Geld aus dem Staatsanleihenmarkt abzuziehen, um es in der Realwirtschaft anzulegen. Gleichzeitig ist noch ein anderer Trend zu beobachten: Das Vermögen des Auslands ist zwar extrem stark gestiegen (es übertrifft inzwischen das der deutschen Privathaushalte), aber noch stärker ist die Verschuldung des Auslands gestiegen. Das Ausland steht mit insgesamt 9.329 Mrd. bei der Volkswirtschaft Deutschland in der Kreide, abzüglich der Vermögen ergibt das eine Nettoverschuldung von knapp 2 Billionen Euro. Damit ist der der Sektor »übrige Welt« brutto wie netto stärker verschuldet als die anderen vier.
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Die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck bilden mit ca. 60 Mrd. Bargeld- und Sichteinlagen sowie mit 90 Mrd. Anteilen und ca. 18 Mrd. Schuldverschreibungen den kleinsten Sektor. Dadurch, dass dieser Sektor aber kaum verschuldet ist, hat er gegenüber den anderen Sektoren einen gewissen Machtvorteil, auch wenn er insgesamt nur klein ist. Die Anlage der Vermögen aus diesem Sektor ging in den letzten Jahren vermehrt in Richtung Aktien/Investmentfonds.
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Ganz deutlich ist der Trend, dass Bargeld und Sichteinlagen stark gestiegen sind. Beispiele: Ausland 2014⁄2019: 1.280/1.660 Mrd. Die privaten Haushalte haben ihre Bargeldhaltung seit 2014 fast verdoppelt: 2014⁄2019: 128⁄253 Mrd. Bargeld und Sichteinlagen bei den privaten Haushalten insgesamt: 2014⁄2019: 1.999/2.590 Mrd.
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Wie sich Eigentumsformen und die rechtlichen Strukturen von Institutionen konkret in der Finanzierungsrechnung niederschlagen, bleibt unklar. Bei den berufsständischen Versorgungswerken ist es beispielsweise nachvollziehbar: Die Mitglieder zahlen Beiträge ein, das Versorgungswerk legt diese Beiträge an, und bucht Rückstellungen für zukünftige Rentenzahlungen ein. Die berufsständischen Versorgungswerke sind meist selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts, und haben als solche keinen Anteilseigner. Eine Kapitalgesellschaft wie eine GmbH ist jedoch einerseits eine eigenständige juristische Person, die Vermögen und Verbindlichkeiten hat, aber als Kapitalgesellschaft hat sie einen oder mehrere Anteilseigner. Die weitere Schwierigkeit besteht darin, dass Kapitalgesellschaften auch die Möglichkeit haben, ihre Vermögensverwaltung so zu gestalten, dass sie selbst Anteilseigner anderer Kapitalgesellschaften werden (etwa, indem sie Fondsanteile kaufen). Eine weitere Frage betrifft Unternehmen, die keine Kapitalgesellschaften sind (beispielsweise Einzelunternehmen, oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts). Vermutlich werden sie den Privathaushalten zugerechnet, weil dies auch steuerlich der Fall ist. Allerdings geht das nicht aus dem Bericht hervor. Die von Helmut Creutz und anderen Geldreformern stets geübte Kritik, dass Aktien den Geldvermögen zugeordnet werden, obwohl sie de facto Sachvermögen sind, wird hier zusätzlich ergänzt durch die verworrene alte Frage des Eigentums!
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