Freigeld und Freiland – Felix Fuders
Freigeld und Freiland für eine wirklich freie, nachhaltig funktionierende und gerechte Wirtschaftsordnung
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Die Wirkung von Zinsen ist kein herausragendes Forschungsthema der Wirtschaftswissenschaften. In Zeiten von Negativzinsen gibt es zwar ein mediales Befassen, aber meist getragen von Erwartungen, die nichts mit der Systematik zu tun haben, sondern aus der Vergangenheit in die Zukunft getragen werden wollen. Geldanleger suchen weiterhin „Kapital“-Einkommen, für das keine eigene Leistung erforderlich ist. Die Exponentialkurve, nach der sich thesaurierende Geldanlagen entwickeln, hat nie aufgehört, wirkungsvollstes Verkaufsargument von Finanzberatern im Geldanlagebereich zu sein. Doch der Geldzins bringt verheerende volkswirtschaftliche wie auch moralisch-ethische Probleme mit sich, was weder in den Wirtschaftswissenschaften noch in der Moralphilosophie richtig verstanden wird.
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Der verheerende Effekt des Zinses wird dabei nicht „immer noch nicht“ gut verstanden, sondern immer weniger. Früher wurde er offenbar besser verstanden als heute, sogar schon von Aristoteles, von dessen Haushaltslehre „Oikonomia“ das Wort Ökonomie stammt. Im ersten Buch Politik verweist der Philosoph auf den widernatürlichen Charakter des Zinses und bemerkt etwas sarkastisch, aber treffend, dass Geld keinen Nachwuchs bekommt [1]. Er hält den Zins, und da stimme ich mit ihm überein, für die am meisten zu tadelnde Erwerbskunst. Thomas von Aquin und die Väter des kanonischen Rechts, wie im Übrigen auch Luther kannten die Problematik ebenfalls gut. Papst Benedikt der XIV schrieb in einer Enzyklika 1745, dass die Sünde darin bestehe, „dass jemand aus dem Darlehen selbst für sich mehr zurückverlangt, als der andere von ihm empfangen hat“ [2]. Für den jungen Luther war der Zins einfach nur Raub [3]. Tora, Bibel und Koran verbieten den Zins aus der Geldleihe [4].
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Erkenntnisproblem: Geld ist kein Kapital
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Ein wesentlicher Grund dafür, dass wir die dem Zins innewohnende Problematik heute nicht gut erkennen, ist möglicherweise, dass wir die Begriffe „Kapital“ und „Geld“ häufig als Synonyme verwenden. Kapital ist in der klassischen Volkswirtschaftslehre ein Produktionsfaktor neben menschlicher Arbeitskraft und Boden. Gemeint sind z. B. Maschinen, mit deren Hilfe Menschen unter Einbringung von Ressourcen (Boden) Güter und Dienstleistungen schaffen. Geld ist aber kein Produktionsfaktor, sondern ein Tauschmittel, mit dessen Hilfe man reale Güter oder Dienstleistungen gegeneinander austauschen kann. Geld ist eine Recheneinheit, die den Tausch erleichtert. Geld ist kein reales Gut, also keine Ressource und kein Kapital. Wenn wir aber meinen, dass Geld Kapital wäre, dann ist es natürlich schwer zu verstehen, warum es einen Unterschied machen sollte, einen Zins aus dem Verleihen von Geld zu ziehen oder einen Gewinn mit der Herstellung von Produkten oder Dienstleistungen zu machen. Unsere volkswirtschaftlichen, wie auch finanzmathematischen Modelle würfeln beides ganz regelmäßig durcheinander. Zwar mag zuweilen zunächst zwischen „Finanzkapital“ und „Realkapital“ unterschieden werden, aber in den Modellen werden anschließend ganz regelmäßig beide Termini wieder zusammengemischt und die Rendite von Finanz- und Realkapital miteinander verglichen, ganz so als ob es dasselbe wäre, ein Auto oder einen Geldschein zu vermieten. Bezeichnenderweise wird denn auch die Rendite von realwirtschaftlichen Investitionen, wie auch von Finanzmarktinvestitionen als „Verzinsung“ bezeichnet.
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Wichtig: Klare Unterscheidung zwischen Zinsen für die Geldleihe und realwirtschaftlichen Gewinnen.
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Die Tatsache, dass die Wirtschaftswissenschaften heute in verwirrender Weise jede Art des Gewinns als „Verzinsung“ bezeichnen, darf nicht zu einer Verwechslung von realwirtschaftlichen Gewinnen mit dem zu tadelnden Darlehenszins führen, welcher unabhängig von der Entwicklung der Produktivwirtschaft Zinsen und damit Geld einfordert und so die unnatürliche Eigenvermehrung des Geldes bewirkt. Selbstverständlich spricht nichts dagegen, einen Gewinn mit der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen zu erzielen. Wird Geld investiert, bestünde auch in einem System ohne Kreditzinsen die Möglichkeit, Gewinn zu machen. Das heißt, auch in einem kreditzinsfreien Wirtschaftssystem kann Geld gewinnbringend unternehmerisch eingesetzt, also „verzinst“ werden. Hierbei handelte es sich jedoch dann um eine Rendite, die auf einem realwirtschaftlichen Gewinn beruht. Kreditzinsen führen dagegen zu einer Abkoppelung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft. In einem kreditzinsfreien Wirtschaftssystem kann es keine Verselbständigung der Finanzmärkte gegenüber der Realwirtschaft geben, weil nicht Geld mit Geld verdient wird. Der Koran ist hier sehr explizit, indem er eben diese Gleichstellung von realwirtschaftlichen Gewinnen mit dem Geldzins verurteilt. Es würden diejenigen bestraft werden, die da sagen „Kaufgeschäfte und Zinsleihe sind ein und dasselbe“ [5].
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Missverständnis Islamic Banking
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Übrigens ist es wohl eben diese fehlende Unterscheidung zwischen realwirtschaftlichen Gewinnen und Geldzinsen, die bei nicht wenigen Kollegen zu der Ansicht führt, beim so genannten „Islamic Banking“, wo Zinsen für die Geldleihe verboten sind, würden versteckt dennoch Zinsen erhoben, das Zinsverbot würde also trickreich umgangen. So las ich einmal in einem Artikel der Financial Times Deutschland, dass Mercedes-Benz in Dubai die Verkaufszahlen seiner Autos durch Kredite erhöhen wollte [6]. Zur Umgehung des dort geltenden Zinsverbots wurde eine Gesellschaft gegründet, die die Autos kauft und an die Kunden weiterverkauft, allerdings auf Raten und insgesamt zu einem höheren Preis. Der Tenor des Artikels war der, dass es sich bei einem solchen Leasinggeschäft letztlich ebenfalls um einen Kredit handle, das Zinsverbot listig umgangen würde. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Finanzierungsmodell aber nicht um einen Kredit. Auch wenn die Kunden durch die Raten mehr bezahlen, als bei Barzahlung, handelt es sich bei dem Mehrpreis nicht um Kreditzinsen. Der Mehrpreis ist vielmehr vergleichbar mit einem Aufpreis, der auch bei Zahlung auf Zahlungsziel erhoben wird. Kauf auf Zahlungsziel ist meistens etwas teurer als sofortige Barzahlung, bei der man Skonto erhält. Der Aufpreis für die spätere Zahlung bei Kauf auf Zahlungsziel ist entgegen der irreführenden Darstellung in manchen Lehrbüchern der Bankwirtschaftslehre aber kein Kredit, sondern die Miete für die Benutzung des Produktes und nicht des Geldes bis zur endgültigen Bezahlung. Ebenso ist der höhere Kaufpreis, den Kunden in Dubai über die von Mercedes-Benz gegründete Gesellschaft bezahlen, kein Kredit, sondern entspricht der Miete für das Auto bis zur endgültigen Zahlung.
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Unterscheidung Sachmittelkredit und Geldkredit
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Im Islamic Banking werden diese Kredite treffend als „Sachmittelkredite“ bezeichnet. Es wird nicht Geld, sondern ein Sachmittel, also ein Produkt verliehen. Produkt und Geld sind anders als beim Kredit nicht voneinander getrennt. Der Zwischenhändler trägt beispielsweise das Risiko, dass der Kunde einen Mangel an dem Fahrzeug findet und deshalb nicht weiterzahlen möchte. Eine Bank interessiert es dagegen nicht, ob das Produkt, das der Kunde mit dem geliehenen Geld kauft, Mängel hat. Sie verlangt unabhängig davon den Zins. Wenn alle „Kredite“ so funktionieren würden wie im dargestellten Beispiel, so könnte sich die Geldmenge nicht von der Produktivwirtschaft abkoppeln. Eine Geldmenge, die nicht schneller wächst als die Produktivität der Wirtschaft, sondern stabil bleibt, erzeugt automatisch eine stabile Währung. Und: Es fände keine weitere Umverteilung des Reichtums von denjenigen, die real etwas produzieren, zu denjenigen, die Zinsen beziehen, statt.
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