Die Zukunft stärker gewichten als die Gegenwart – Carsten Herrmann-Pillath
Warum wir der Biosphäre einen negativen natürlichen Zins bezahlen sollten
– - –
von Carsten Herrmann-Pillath ins Deutsche übersetzt von Andreas Bangemann
– - –
Der Zinssatz ist ein entscheidender, wenn nicht sogar der zentrale Parameter bei der Modellierung von Herausforderungen und Strategien für den Klimawandel. Er spiegelt unsere Haltungen gegenüber der Zukunft wider. Es gibt zwei grundsätzliche, wenn auch widersprüchliche Prinzipien, wie er zu bestimmen ist, was sich in der bahnbrechenden Debatte widerspiegelt, die durch den Stern-Report im Jahr 2007 ausgelöst wurde und die sich gegen die Position von William Nordhaus richtete. Ein Prinzip, das Nordhaus schon früh vertrat, ist die Verwendung des von den Märkten gebildeten langfristigen Zinssatzes, da dieser eine Art natürlichen Wert darstellt, der letztlich die menschlichen Zeitpräferenzen wiedergibt.
– - –
Ökonom:innen gehen meist davon aus, dass der Mensch die Zukunft aus vielen Gründen diskontiert. Folglich erwartet eine Entschädigung, wer auf einen gegenwärtigen Vorteil verzichtet, wie beispielsweise beim Sparen für die Zukunft. Deshalb müssen langfristige Zinssätze im Durchschnitt positiv sein. Das andere Prinzip wird aus der Ethik abgeleitet: Wir könnten zum Beispiel argumentieren, dass wir es einem glücklichen Zufall verdanken, in der Gegenwart geboren worden zu sein. Wenn wir bedenken, dass wir auch in die Zukunft hätten versetzt werden können, und vice versa die zukünftigen Generationen in die Gegenwart, dann ist es nur fair, Gegenwart und Zukunft gleich zu bewerten. Wir müssen das Wohl unserer zukünftigen Nachkommen genauso stark gewichten wie das unsere.
– - –
Heute leben wir in einer Welt, in der die Zinssätze längerfristig um die Nullgrenze zu schwanken scheinen. Die meisten Ökonom:innen sind der Meinung, dass dies ein anomaler Zustand ist, den die Zentralbanken zur Bekämpfung der Krisenwellen aufrechterhalten, die unsere Welt seit der Jahrtausendwende überschwemmen. Es gibt jedoch auch Stimmen, wonach mit dieser Begründung nur die Tatsache verschleiert werde, dass sich Null- und sogar Negativzinsen als die natürlichen Zinssätze auf längere Sicht herausgestellt haben. Man stelle sich die Konsequenzen für die Modellierung des Klimawandels vor, insbesondere im Zusammenhang mit Integrated Assessment-Modellen (dt. integrierten Bewertungsmodellen), die eine Schadensfunktion enthalten, in der der Diskontsatz von zentraler Bedeutung ist! Die Zukunft würde stärker gewichtet als die Gegenwart, mit drastischen Folgen für die Politik.
– - –
Es gibt viele stichhaltige Argumente für einen negativen natürlichen Zinssatz. Zu den Verfechtern dieser Ansicht gehören illustre Ökonomen wie der deutsche Carl-Christian von Weizsäcker. Nach gängiger Auffassung entsteht ein negativer Zinssatz, wenn die Nachfrage nach Kapital geringer ist als das Angebot. Dies ist die Spar- und Investitionsrelation, interpretiert nach der Loanable-Funds-Theorie. Sie bedeutet, wenn die Investitionsmöglichkeiten schrumpfen und weniger rentabel erscheinen, gleichzeitig aber der Bedarf an Ersparnisbildung steigt, sinkt der Preis des Kapitals: der Zinssatz. Seit der Jahrtausendwende wurden dafür mehrere Kernfaktoren ausgemacht, wie z. B. in Robert Gordons Theorie des langfristigen Produktivitätsrückgangs oder, wie von Weizsäcker betont, der demografische Wandel, der den Bedarf an Altersvorsorge erhöht.
– - –
Obwohl ich denke, dass all diese Argumente wichtige Ursachen für die makroökonomischen Trends erfassen, gibt es einen tieferen Grund, warum der natürliche Zinssatz negativ ist. Dieser wurde dargelegt von dem großen Außenseiter in der Geschichte der Ökonomie, Silvio Gesell, und wurde im Prinzip von mehreren berühmten Ökonomen erkannt, wie z. B. Irving Fisher und John M. Keynes, aber für die Marktwirtschaft irrelevant gehalten. Gesells Punkt ist, dass wir die Rollenverteilung von Angebot und Nachfrage auf dem Kapitalmarkt umkehren müssen: Die Sparenden bieten kein Kapital an, sondern fragen Sparmöglichkeiten nach, die von Investoren angeboten werden, welche die Ersparnisse produktiv verwerten können. Wie von Weizsäcker andeutete, gibt es dazu eine Verbindung zur Thermodynamik: Wenn Sparende selbst einen unproduktiven Kapitalstock aufbauen, wird dieser im Laufe der Zeit einem Verfall unterliegen. Gesell stellte sich einen schiffbrüchigen Seemann vor, der Kleidung, Zwieback und andere Gegenstände spart, die aber verrotten werden. Das ist negativer Zins bzw. Wertverlust. Wenn jemand anbieten kann, diese Ressourcen für produktive Zwecke zu nutzen und später in Naturalien zurückzahlt, kann er einen Preis für diese Leistung verlangen, also einen Abschlag. Übertragen wir diesen Gedanken auf die Menschheit als Ganzes: Wir bauen Kapital auf, sowohl privates als auch öffentliches, beuten sogar Naturkapital aus und konsumieren das Produzierte. All dies geht einher mit Abnutzung, Erosion, Verschleiß und Degradation der natürlichen Ressourcen. Wie können wir kollektiv für die Zukunft sparen? Wer sind die „Anderen“, die uns eine Sparleistung anbieten können? In der Vergangenheit konnten wir uns immer darauf verlassen, „Andere“ in Gestalt „anderer Volkswirtschaften“ zu finden, wie kürzlich China, das für die USA spart (die „Chimerica“-Geschichte). Aber für die Menschheit funktioniert das nicht: Wir sind wie der schiffbrüchige Seemann auf der Insel des Planeten Erde.
– - –
Fisher argumentierte, dass Negativzinsen in der realen Welt nicht vorkommen werden, weil wettbewerbsfähige Märkte Kräfte entfalten, die die Zwänge einzelner Verbraucher ohne Wahlmöglichkeiten beseitigen. Gesell liefert eine andere Sichtweise: Er argumentiert, dass positive Zinsen der Wirtschaft von profitorientierten Geldbesitzern, d. h. der Finanzwirtschaft, aufgezwungen werden. Da Geld nicht verrotten kann, gibt es ein deutliches Machtgefälle zugunsten der Finanzwirtschaft, die Geldbestände halten kann, ohne dass diese physisch entwertet werden können. Gesells Ansicht macht viel Sinn, wenn man die reale Situation bedenkt, in der die Entscheidungen der Sparenden relativ unelastisch gegenüber dem Zinssatz sind. Die meisten Menschen sparen aus anderen Gründen als um Zinsen zu verdienen, zum Beispiel für zukünftige Notfälle, für den Kauf eines Autos oder für die Heirat der Kinder. Es ergibt sich folglich eine Umkehrung der Rollen: Die Sparenden sind auf der Suche nach Spardienstleistungen, sie sind keine „Kapitalanbieter“. Die Sparenden zahlen für diese Dienstleistungen, was die Begründung von Negativzinsen liefert. In einer Wettbewerbswirtschaft, in der diese Dienstleistungen von vielen Unternehmen (Banken, Versicherungen usw.) angeboten werden, entsteht dadurch eine Kraft, die die Zinsen in den positiven Bereich zieht, aber es bleibt immer noch eine sehr große Spanne zwischen den Zinsen, die auf die Ersparnisse gezahlt werden, und den Renditen der Nutzer von Fonds.
– - –
Das bedeutet, die Gesell-Theorie stellt die Kernbeziehung in der Makroökonomie, das Sparen und Investieren, vom Kopf auf die Füße. Ich denke, dass dies der tiefere Grund ist, weshalb wir in eine Welt mit Zinssätzen nahe Null eingetreten sind.
– - –
In Ergänzung zu einem ethischen, können wir somit nun einen rein ökonomischen Grund vorbringen, warum die Zinssätze in Klimamodellen gleich Null sein müssten: die Zukunft sollte die gleiche Gewichtung haben wie die Gegenwart, wenn nicht sogar eine höhere. Tatsächlich spiegelt dies schlicht das Vorsorgemotiv im normalen Leben wider, wie es sich auch im tatsächlichen Sparverhalten zeigt. Die Menschen sind sich der Ungewissheit der Zukunft bewusst und suchen nach sinnvollen Möglichkeiten, sich darauf vorzubereiten und sie zu bewältigen. Um das zu erreichen, sind sie bereit, Kosten in Kauf zu nehmen: Sie geben gegenwärtige Vorteile auf, ohne eine über die Reduzierung der Unsicherheit hinausgehende Kompensation zu erwarten. Dies konstituiert den negativen natürlichen Zinssatz.
– - –
Um auf die Frage zurückzukommen, wer sind die „Anderen“, die uns Spardienstleistungen anbieten können? Wem sollen wir Negativzinsen zahlen und wie? Von Weizsäcker argumentiert, dass dies die Staatsschulden seien, genau was wir auch gerade erleben mit Anleiherenditen, die sogar negativ werden. Japan ist ein Vorgeschmack auf die Zukunft. Aber ich möchte noch eine weitere Beobachtung hinzufügen: Der Staat ist ein Teil der menschlichen Wirtschaft und in diesem Sinne auch ein Teil der Technosphäre.
– - –
Ich schlage vor, dass unsere Sparkassen, vielleicht vermittelt durch staatliches Handeln, „Mutter Natur“ sind, d. h. die Biosphäre. Wenn wir in die Biosphäre investieren, nutzen wir ein Sparvehikel, das die Lebensbedingungen in unserer Zukunft sichern kann. Die Biosphäre ist die ultimative produktive Ressource und kann uns helfen, die Kräfte der Zerstörung zu überwinden, die noch in der menschlichen Wirtschaft herrschen. Wenn sich der Staat mit dem primären Ziel verschuldet, in die Biosphäre zu investieren, d. h. Naturkapital aufzubauen, bedeutet dies, der „Mutter Natur“ negative Zinsen zu zahlen.^
– - – mehr online
– - –
von Carsten Herrmann-Pillath ins Deutsche übersetzt von Andreas Bangemann
– - –
Der Zinssatz ist ein entscheidender, wenn nicht sogar der zentrale Parameter bei der Modellierung von Herausforderungen und Strategien für den Klimawandel. Er spiegelt unsere Haltungen gegenüber der Zukunft wider. Es gibt zwei grundsätzliche, wenn auch widersprüchliche Prinzipien, wie er zu bestimmen ist, was sich in der bahnbrechenden Debatte widerspiegelt, die durch den Stern-Report im Jahr 2007 ausgelöst wurde und die sich gegen die Position von William Nordhaus richtete. Ein Prinzip, das Nordhaus schon früh vertrat, ist die Verwendung des von den Märkten gebildeten langfristigen Zinssatzes, da dieser eine Art natürlichen Wert darstellt, der letztlich die menschlichen Zeitpräferenzen wiedergibt.
– - –
Ökonom:innen gehen meist davon aus, dass der Mensch die Zukunft aus vielen Gründen diskontiert. Folglich erwartet eine Entschädigung, wer auf einen gegenwärtigen Vorteil verzichtet, wie beispielsweise beim Sparen für die Zukunft. Deshalb müssen langfristige Zinssätze im Durchschnitt positiv sein. Das andere Prinzip wird aus der Ethik abgeleitet: Wir könnten zum Beispiel argumentieren, dass wir es einem glücklichen Zufall verdanken, in der Gegenwart geboren worden zu sein. Wenn wir bedenken, dass wir auch in die Zukunft hätten versetzt werden können, und vice versa die zukünftigen Generationen in die Gegenwart, dann ist es nur fair, Gegenwart und Zukunft gleich zu bewerten. Wir müssen das Wohl unserer zukünftigen Nachkommen genauso stark gewichten wie das unsere.
– - –
Heute leben wir in einer Welt, in der die Zinssätze längerfristig um die Nullgrenze zu schwanken scheinen. Die meisten Ökonom:innen sind der Meinung, dass dies ein anomaler Zustand ist, den die Zentralbanken zur Bekämpfung der Krisenwellen aufrechterhalten, die unsere Welt seit der Jahrtausendwende überschwemmen. Es gibt jedoch auch Stimmen, wonach mit dieser Begründung nur die Tatsache verschleiert werde, dass sich Null- und sogar Negativzinsen als die natürlichen Zinssätze auf längere Sicht herausgestellt haben. Man stelle sich die Konsequenzen für die Modellierung des Klimawandels vor, insbesondere im Zusammenhang mit Integrated Assessment-Modellen (dt. integrierten Bewertungsmodellen), die eine Schadensfunktion enthalten, in der der Diskontsatz von zentraler Bedeutung ist! Die Zukunft würde stärker gewichtet als die Gegenwart, mit drastischen Folgen für die Politik.
– - –
Es gibt viele stichhaltige Argumente für einen negativen natürlichen Zinssatz. Zu den Verfechtern dieser Ansicht gehören illustre Ökonomen wie der deutsche Carl-Christian von Weizsäcker. Nach gängiger Auffassung entsteht ein negativer Zinssatz, wenn die Nachfrage nach Kapital geringer ist als das Angebot. Dies ist die Spar- und Investitionsrelation, interpretiert nach der Loanable-Funds-Theorie. Sie bedeutet, wenn die Investitionsmöglichkeiten schrumpfen und weniger rentabel erscheinen, gleichzeitig aber der Bedarf an Ersparnisbildung steigt, sinkt der Preis des Kapitals: der Zinssatz. Seit der Jahrtausendwende wurden dafür mehrere Kernfaktoren ausgemacht, wie z. B. in Robert Gordons Theorie des langfristigen Produktivitätsrückgangs oder, wie von Weizsäcker betont, der demografische Wandel, der den Bedarf an Altersvorsorge erhöht.
– - –
Obwohl ich denke, dass all diese Argumente wichtige Ursachen für die makroökonomischen Trends erfassen, gibt es einen tieferen Grund, warum der natürliche Zinssatz negativ ist. Dieser wurde dargelegt von dem großen Außenseiter in der Geschichte der Ökonomie, Silvio Gesell, und wurde im Prinzip von mehreren berühmten Ökonomen erkannt, wie z. B. Irving Fisher und John M. Keynes, aber für die Marktwirtschaft irrelevant gehalten. Gesells Punkt ist, dass wir die Rollenverteilung von Angebot und Nachfrage auf dem Kapitalmarkt umkehren müssen: Die Sparenden bieten kein Kapital an, sondern fragen Sparmöglichkeiten nach, die von Investoren angeboten werden, welche die Ersparnisse produktiv verwerten können. Wie von Weizsäcker andeutete, gibt es dazu eine Verbindung zur Thermodynamik: Wenn Sparende selbst einen unproduktiven Kapitalstock aufbauen, wird dieser im Laufe der Zeit einem Verfall unterliegen. Gesell stellte sich einen schiffbrüchigen Seemann vor, der Kleidung, Zwieback und andere Gegenstände spart, die aber verrotten werden. Das ist negativer Zins bzw. Wertverlust. Wenn jemand anbieten kann, diese Ressourcen für produktive Zwecke zu nutzen und später in Naturalien zurückzahlt, kann er einen Preis für diese Leistung verlangen, also einen Abschlag. Übertragen wir diesen Gedanken auf die Menschheit als Ganzes: Wir bauen Kapital auf, sowohl privates als auch öffentliches, beuten sogar Naturkapital aus und konsumieren das Produzierte. All dies geht einher mit Abnutzung, Erosion, Verschleiß und Degradation der natürlichen Ressourcen. Wie können wir kollektiv für die Zukunft sparen? Wer sind die „Anderen“, die uns eine Sparleistung anbieten können? In der Vergangenheit konnten wir uns immer darauf verlassen, „Andere“ in Gestalt „anderer Volkswirtschaften“ zu finden, wie kürzlich China, das für die USA spart (die „Chimerica“-Geschichte). Aber für die Menschheit funktioniert das nicht: Wir sind wie der schiffbrüchige Seemann auf der Insel des Planeten Erde.
– - –
Fisher argumentierte, dass Negativzinsen in der realen Welt nicht vorkommen werden, weil wettbewerbsfähige Märkte Kräfte entfalten, die die Zwänge einzelner Verbraucher ohne Wahlmöglichkeiten beseitigen. Gesell liefert eine andere Sichtweise: Er argumentiert, dass positive Zinsen der Wirtschaft von profitorientierten Geldbesitzern, d. h. der Finanzwirtschaft, aufgezwungen werden. Da Geld nicht verrotten kann, gibt es ein deutliches Machtgefälle zugunsten der Finanzwirtschaft, die Geldbestände halten kann, ohne dass diese physisch entwertet werden können. Gesells Ansicht macht viel Sinn, wenn man die reale Situation bedenkt, in der die Entscheidungen der Sparenden relativ unelastisch gegenüber dem Zinssatz sind. Die meisten Menschen sparen aus anderen Gründen als um Zinsen zu verdienen, zum Beispiel für zukünftige Notfälle, für den Kauf eines Autos oder für die Heirat der Kinder. Es ergibt sich folglich eine Umkehrung der Rollen: Die Sparenden sind auf der Suche nach Spardienstleistungen, sie sind keine „Kapitalanbieter“. Die Sparenden zahlen für diese Dienstleistungen, was die Begründung von Negativzinsen liefert. In einer Wettbewerbswirtschaft, in der diese Dienstleistungen von vielen Unternehmen (Banken, Versicherungen usw.) angeboten werden, entsteht dadurch eine Kraft, die die Zinsen in den positiven Bereich zieht, aber es bleibt immer noch eine sehr große Spanne zwischen den Zinsen, die auf die Ersparnisse gezahlt werden, und den Renditen der Nutzer von Fonds.
– - –
Das bedeutet, die Gesell-Theorie stellt die Kernbeziehung in der Makroökonomie, das Sparen und Investieren, vom Kopf auf die Füße. Ich denke, dass dies der tiefere Grund ist, weshalb wir in eine Welt mit Zinssätzen nahe Null eingetreten sind.
– - –
In Ergänzung zu einem ethischen, können wir somit nun einen rein ökonomischen Grund vorbringen, warum die Zinssätze in Klimamodellen gleich Null sein müssten: die Zukunft sollte die gleiche Gewichtung haben wie die Gegenwart, wenn nicht sogar eine höhere. Tatsächlich spiegelt dies schlicht das Vorsorgemotiv im normalen Leben wider, wie es sich auch im tatsächlichen Sparverhalten zeigt. Die Menschen sind sich der Ungewissheit der Zukunft bewusst und suchen nach sinnvollen Möglichkeiten, sich darauf vorzubereiten und sie zu bewältigen. Um das zu erreichen, sind sie bereit, Kosten in Kauf zu nehmen: Sie geben gegenwärtige Vorteile auf, ohne eine über die Reduzierung der Unsicherheit hinausgehende Kompensation zu erwarten. Dies konstituiert den negativen natürlichen Zinssatz.
– - –
Um auf die Frage zurückzukommen, wer sind die „Anderen“, die uns Spardienstleistungen anbieten können? Wem sollen wir Negativzinsen zahlen und wie? Von Weizsäcker argumentiert, dass dies die Staatsschulden seien, genau was wir auch gerade erleben mit Anleiherenditen, die sogar negativ werden. Japan ist ein Vorgeschmack auf die Zukunft. Aber ich möchte noch eine weitere Beobachtung hinzufügen: Der Staat ist ein Teil der menschlichen Wirtschaft und in diesem Sinne auch ein Teil der Technosphäre.
– - –
Ich schlage vor, dass unsere Sparkassen, vielleicht vermittelt durch staatliches Handeln, „Mutter Natur“ sind, d. h. die Biosphäre. Wenn wir in die Biosphäre investieren, nutzen wir ein Sparvehikel, das die Lebensbedingungen in unserer Zukunft sichern kann. Die Biosphäre ist die ultimative produktive Ressource und kann uns helfen, die Kräfte der Zerstörung zu überwinden, die noch in der menschlichen Wirtschaft herrschen. Wenn sich der Staat mit dem primären Ziel verschuldet, in die Biosphäre zu investieren, d. h. Naturkapital aufzubauen, bedeutet dies, der „Mutter Natur“ negative Zinsen zu zahlen.^
– - – mehr online
Aktuelle Kommentare