Die Insel der Macht – Armin Schachameier
In diesem kurzen Artikel möchte ich ein von mir entworfenes Gruppenspiel vorstellen, welches ich mit Studierenden durchgeführt habe. Es ermöglicht, grundlegende politisch-ökonomische Denkweisen und Argumentationen zu verstehen und demokratische Prozesse vor dem Hintergrund von Einkommens- und Vermögensungleichheit zu reflektieren. Auch das Wirken und der Einfluss der Medien spielen eine Rolle.
– - –
Das Spiel findet auf einer fiktiven Insel mit 1000 Einwohnern statt. Durch den Bezug zu sozioökonomischen Daten und Fakten aus Deutschland wird versucht, gesellschaftspolitische Realitäten abzubilden. Die tatsächliche Komplexität der Lebensverhältnisse kann natürlich nur bedingt und ausschnittweise dargestellt werden.
– - –
Die Übernahme von festgelegten Rollen und Funktionen macht es den Teilnehmer_innen möglich, Erfahrungen in politischen Diskussionen zu sammeln. Am Ende werden diese gemeinsam reflektiert und eingeordnet. Das Spiel soll Denkanstöße geben.
– - –
Drei Grundrechtstypen und politische Strömungen
– - –
Auf der Insel finden politische Debatten statt. Beteiligt sind drei Lager, die in ihrer inhaltlichen Ausrichtung den Fokus jeweils auf Partizipations‑, Abwehr- oder Anspruchsrechte legen (vgl. Hübner o. J.).
– - –
Die „Demokraten“ fordern maximale Partizipationsrechte ein. Sie setzen sich für die Umsetzung von möglichst viel direkter Demokratie ein. Die Bürger_innen sind an möglichst vielen Entscheidungen zu beteiligen.
– - –
Die Abwehrrechte stehen bei den „Liberalen“ im Vordergrund. Sie verteidigen die Freiheit der Bürger_innen vor staatlichen Eingriffen. Vor allem ist das Privateigentum zu schützen. Im Hinblick auf die Ökonomie wird die Auffassung vertreten, dass die selbstregulierende Kraft der freien Marktwirtschaft für eine angemessene Allokation der Ressourcen sorgt. Der Staat sollte möglichst wenig regulativ eingreifen.
– - –
Demgegenüber treten die „Sozialisten“ für Anspruchsrechte wie Güter- und Chancengleichheit ein. Durch Umverteilung soll sozialen Ungleichheiten entgegengewirkt werden. Der Markt ist vom Staat zu regulieren. Privateigentum sollte weitgehend in staatliches Gemeingut übergehen.
– - –
In der politischen Philosophie ist diese Einteilung der Grundrechtstypen weit verbreitet. Sie bildet wesentliche politische Strömungen und Denkweisen ab, die sich im 19. Jahrhundert entwickelt und bis heute, zum Teil in etwas abgeschwächter Form, Bestand haben (vgl. Hübner o. J.).
– - –
Die Lebensverhältnisse der Bewohner
– - –
Das Vermögen ist unter den Inselbewohnern ungleich verteilt, entsprechend der realen Verteilung in Deutschland (siehe Grafik unten). Es gibt einige sehr reiche Menschen, deren Einkommen und Vermögen um ein Vielfaches höher ist als das der übrigen Bevölkerung.
– - –
Die Superreichen sind die Inhaber der großen Unternehmen und sie beschäftigen eine Vielzahl der Bewohner. Es ist möglich, aber nicht zwingend notwendig, hierfür genaue Zahlen festzulegen.
– - –
Die Anzahl der Armen und Arbeitslosen entspricht den aktuellen Zahlen in Deutschland. Nach dem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes lag die Armutsquote 2017 je nach Datenquelle zwischen 15,8 und 16,8 Prozent (vgl. Aust, Rock, Schabram 2018, 3). Die Arbeitslosenquote betrug im Februar 2020 5,3 Prozent (vgl. Arbeitsagentur 2020).
– - –
Am Spiel nehmen, neben den Vertreter_innen der drei oben beschriebenen politischen Lager, auch die „Superreichen“ teil. In Varianten können auch Rollen für weitere Dezile vergeben werden, zum Beispiel für die ärmsten 20 Prozent.
– - –
Medien
– - –
Auf der Insel gibt es einen großen privaten Medienkonzern. Dieser gibt mehrere Zeitungen heraus und steuert alle Fernseh- und Nachrichtensender. Um die Shareholder des Konzerns zufriedenzustellen, müssen jährlich Gewinne erzielt werden. Der Sender ist zur Finanzierung seiner Kosten von Werbeeinnahmen abhängig. Diese stammen in erster Linie und in sehr großem Umfang von den reichen Großkonzernbesitzern.
– - –
Den theoretischen Hintergrund dieser Zusammenhänge bilden die von Herman und Chomsky (1994) in ihrem Bestseller „Manufactoring Consent“ beschriebenen „Medienfilter“. Die Profitorientierung, die Eigentumsverhältnisse und Einnahmequellen haben demnach einen Einfluss auf die Zusammenstellung der angebotenen Programme (vgl. ebd., 3–18).
– - –
Ausgangssituation, Ablauf und Ziel des Spiels
– - –
Die Teilnehmenden werden den fünf beschriebenen Gruppen zugeordnet. Folgende Grafik illustriert die Ausgangssituation:
– - –
Darüber hinaus ist es auch möglich, die Rahmenbedingungen noch zu konkretisieren. Es kann angenommen werden, dass es eine repräsentative Demokratie mit einem Parlament und einer aktuellen Regierung gibt. Durch die Bestimmung weiterer Gruppen, Funktionen und Positionen kann das Spiel erweitert werden.
– - –
Die Gruppen erhalten jeweils die Aufgabe, Argumente und Diskussionsstrategien zu entwickeln, um die Mitspieler_innen der anderen Lager von ihrer Position zu überzeugen und auf ihre Seite zu ziehen. Es geht darum, möglichst viel Macht durch gute Argumentationen zu erlangen.
– - – mehr online
Aktuelle Kommentare