Ausweg aus dem Teufelskreis Wirtschaftswachstum – 200 Unterzeichner
Anlässlich der Post-Growth-2018-Konferenz in Brüssel im September haben über 200 Wissenschaftler einen offenen Brief verfasst.
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Unterzeichner sind unter anderen: Niko Paech von der Uni Siegen, der Soziologe Stephan Lessenich von der LMU München, Nachhaltigkeitsforscher Wolfgang Sachs vom Wuppertal Institut; aus Belgien Olivier de Schutter, der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung; aus Großbritannien die Ökonomin Kate Raworth und der Nachhaltigkeitsforscher Tim Jackson; aus den USA die Soziologin Saskia Sassen. Aus Deutschland noch u. a.: Hans Diefenbacher, Maja Göpel und Angelika Zahrnt, Hermann E. Ott, Tillmann Santarius.
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Der Brief richtet sich an die europäische Politik. Er wurde vom Guardian, bei Zeit Online und Der Freitag sowie vielen anderen europäischen Zeitungen wie Liberation, Wiener Zeitung, El Diario, Politiken, Gazeta Wyborcza veröffentlicht.
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Der Brief im Wortlaut: Europa, es ist Zeit, die Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum zu beenden
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In dieser Woche treffen sich Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und politische Entscheidungsträger*innen in Brüssel zu einer wegweisenden Konferenz. Ziel dieser Veranstaltung, die von Mitgliedern des Europäischen Parlaments aus fünf verschiedenen Fraktionen sowie Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen organisiert wird, ist es, die Möglichkeiten für eine Postwachstumsökonomie in Europa auszuloten.
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In den vergangenen sieben Jahrzehnten war das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) das übergeordnete wirtschaftliche Ziel der europäischen Staaten. Während aber unsere Volkswirtschaften gewachsen sind, haben auch die negativen Auswirkungen unseres Wirtschaftens auf die Umwelt weiter zugenommen. Wir überschreiten bereits die ökologischen Grenzen, die der Menschheit einen sicheren Handlungsraum auf diesem Planeten geben. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die Wirtschaftstätigkeit auch nur annähernd so weit von Ressourcenverbrauch oder Umweltverschmutzung entkoppelt, wie es tatsächlich notwendig wäre. Um die sozialen Probleme in den europäischen Ländern zu lösen, brauchen wir heute kein weiteres Wachstum. Was wir brauchen, ist eine gerechtere Verteilung der Einkommen und des Reichtums, den wir bereits haben.
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Zudem wird es immer schwieriger, überhaupt Wachstum zu erzeugen – weil die Produktivitätszuwächse abnehmen, die Märkte gesättigt sind und die Umwelt geschädigt ist. Wenn sich diese Trends fortsetzen, könnte es absehbar innerhalb des kommenden Jahrzehnts in Europa überhaupt kein Wachstum mehr geben. In dem Versuch, das Wachstum doch noch anzukurbeln, werden momentan mehr Schulden gemacht, Umweltregulierungen beseitigt, Arbeitszeiten verlängert und soziale Absicherungen gekürzt. Dieses aggressive Streben nach Wachstum um jeden Preis spaltet die Gesellschaft, schafft wirtschaftliche Instabilität und untergräbt die Demokratie.
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Die aktuellen politischen Entscheider*innen sind nicht bereit, sich mit diesen Themen zu befassen – zumindest bis jetzt nicht. Das Projekt der Europäischen Kommission, Beyond GDP,wurde zu GDP and Beyond. Das offizielle Mantra bleibt Wachstum – jetzt lediglich neu gekleidet als „nachhaltig“, „grün“ oder „inklusiv“ – aber dennoch in erster Linie Wachstum. Und obwohl es einen grundlegenden Widerspruch zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit gibt, formulieren selbst die neuen UN-Nachhaltigkeitsziele das Streben nach Wirtschaftswachstum als politisches Ziel für alle Länder.
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Die gute Nachricht: Es gibt eine Postwachstumsbewegung.
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Die gute Nachricht ist, dass sich in Zivilgesellschaft und Wissenschaft eine Postwachstumsbewegung herausbildet. Sie hat unterschiedliche Namen an verschiedenen Orten: Décroissance, Postwachstum, Steady State‑, Donut-Ökonomie, oder auch Wohlstand ohne Wachstum, um nur einige zu nennen. Seit 2008 haben regelmäßige Degrowth-Konferenzen Tausende von Teilnehmenden zusammengebracht. Eine neue globale Initiative, die Wellbeing Economies Alliance (oder WE-All), stellt Verbindungen zwischen diesen Bewegungen her, während ein europäisches Forschungsnetzwerk neue ökologische makroökonomische Modelle entwickelt hat. Diese Arbeiten zeigen, dass es möglich ist, die Lebensqualität zu verbessern, die lebendige Mitwelt wiederherzustellen, Ungleichheit zu reduzieren und sinnvolle Arbeitsplätze zu schaffen – und all das ohne Wirtschaftswachstum, vorausgesetzt, wir ergreifen Maßnahmen, um unsere derzeitige Wachstumsabhängigkeit zu überwinden.
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Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehören unter anderem die Begrenzung des Ressourcenverbrauchs, eine progressive Besteuerung, um die zunehmenden Ungleichheiten zu beseitigen, sowie eine schrittweise Verringerung der Arbeitszeit. Die Ressourcennutzung etwa könnte durch die Einführung einer CO2-Steuer eingedämmt werden. Die Einnahmen hieraus könnten als Dividende für alle ausgeschüttet oder zur Finanzierung von Sozialprogrammen verwendet werden. Die Einführung eines Grund- und eines Maximaleinkommens würde die Ungleichheit weiter verringern. Gleichzeitig könnte dies dazu beitragen, die Sorgearbeit neu zu verteilen und die Machtungleichgewichte zu verringern, die die Demokratie untergraben. Neue Technologien könnten genutzt werden, um die Arbeitszeit zu verkürzen und die Lebensqualität zu verbessern, anstatt dafür Massen von Arbeitenden zu entlassen und die Profite der wenigen Privilegierten zu steigern.
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Unterzeichner sind unter anderen: Niko Paech von der Uni Siegen, der Soziologe Stephan Lessenich von der LMU München, Nachhaltigkeitsforscher Wolfgang Sachs vom Wuppertal Institut; aus Belgien Olivier de Schutter, der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung; aus Großbritannien die Ökonomin Kate Raworth und der Nachhaltigkeitsforscher Tim Jackson; aus den USA die Soziologin Saskia Sassen. Aus Deutschland noch u. a.: Hans Diefenbacher, Maja Göpel und Angelika Zahrnt, Hermann E. Ott, Tillmann Santarius.
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Der Brief richtet sich an die europäische Politik. Er wurde vom Guardian, bei Zeit Online und Der Freitag sowie vielen anderen europäischen Zeitungen wie Liberation, Wiener Zeitung, El Diario, Politiken, Gazeta Wyborcza veröffentlicht.
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Der Brief im Wortlaut: Europa, es ist Zeit, die Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum zu beenden
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In dieser Woche treffen sich Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und politische Entscheidungsträger*innen in Brüssel zu einer wegweisenden Konferenz. Ziel dieser Veranstaltung, die von Mitgliedern des Europäischen Parlaments aus fünf verschiedenen Fraktionen sowie Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen organisiert wird, ist es, die Möglichkeiten für eine Postwachstumsökonomie in Europa auszuloten.
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In den vergangenen sieben Jahrzehnten war das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) das übergeordnete wirtschaftliche Ziel der europäischen Staaten. Während aber unsere Volkswirtschaften gewachsen sind, haben auch die negativen Auswirkungen unseres Wirtschaftens auf die Umwelt weiter zugenommen. Wir überschreiten bereits die ökologischen Grenzen, die der Menschheit einen sicheren Handlungsraum auf diesem Planeten geben. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die Wirtschaftstätigkeit auch nur annähernd so weit von Ressourcenverbrauch oder Umweltverschmutzung entkoppelt, wie es tatsächlich notwendig wäre. Um die sozialen Probleme in den europäischen Ländern zu lösen, brauchen wir heute kein weiteres Wachstum. Was wir brauchen, ist eine gerechtere Verteilung der Einkommen und des Reichtums, den wir bereits haben.
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Zudem wird es immer schwieriger, überhaupt Wachstum zu erzeugen – weil die Produktivitätszuwächse abnehmen, die Märkte gesättigt sind und die Umwelt geschädigt ist. Wenn sich diese Trends fortsetzen, könnte es absehbar innerhalb des kommenden Jahrzehnts in Europa überhaupt kein Wachstum mehr geben. In dem Versuch, das Wachstum doch noch anzukurbeln, werden momentan mehr Schulden gemacht, Umweltregulierungen beseitigt, Arbeitszeiten verlängert und soziale Absicherungen gekürzt. Dieses aggressive Streben nach Wachstum um jeden Preis spaltet die Gesellschaft, schafft wirtschaftliche Instabilität und untergräbt die Demokratie.
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Die aktuellen politischen Entscheider*innen sind nicht bereit, sich mit diesen Themen zu befassen – zumindest bis jetzt nicht. Das Projekt der Europäischen Kommission, Beyond GDP,wurde zu GDP and Beyond. Das offizielle Mantra bleibt Wachstum – jetzt lediglich neu gekleidet als „nachhaltig“, „grün“ oder „inklusiv“ – aber dennoch in erster Linie Wachstum. Und obwohl es einen grundlegenden Widerspruch zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit gibt, formulieren selbst die neuen UN-Nachhaltigkeitsziele das Streben nach Wirtschaftswachstum als politisches Ziel für alle Länder.
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Die gute Nachricht: Es gibt eine Postwachstumsbewegung.
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Die gute Nachricht ist, dass sich in Zivilgesellschaft und Wissenschaft eine Postwachstumsbewegung herausbildet. Sie hat unterschiedliche Namen an verschiedenen Orten: Décroissance, Postwachstum, Steady State‑, Donut-Ökonomie, oder auch Wohlstand ohne Wachstum, um nur einige zu nennen. Seit 2008 haben regelmäßige Degrowth-Konferenzen Tausende von Teilnehmenden zusammengebracht. Eine neue globale Initiative, die Wellbeing Economies Alliance (oder WE-All), stellt Verbindungen zwischen diesen Bewegungen her, während ein europäisches Forschungsnetzwerk neue ökologische makroökonomische Modelle entwickelt hat. Diese Arbeiten zeigen, dass es möglich ist, die Lebensqualität zu verbessern, die lebendige Mitwelt wiederherzustellen, Ungleichheit zu reduzieren und sinnvolle Arbeitsplätze zu schaffen – und all das ohne Wirtschaftswachstum, vorausgesetzt, wir ergreifen Maßnahmen, um unsere derzeitige Wachstumsabhängigkeit zu überwinden.
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Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehören unter anderem die Begrenzung des Ressourcenverbrauchs, eine progressive Besteuerung, um die zunehmenden Ungleichheiten zu beseitigen, sowie eine schrittweise Verringerung der Arbeitszeit. Die Ressourcennutzung etwa könnte durch die Einführung einer CO2-Steuer eingedämmt werden. Die Einnahmen hieraus könnten als Dividende für alle ausgeschüttet oder zur Finanzierung von Sozialprogrammen verwendet werden. Die Einführung eines Grund- und eines Maximaleinkommens würde die Ungleichheit weiter verringern. Gleichzeitig könnte dies dazu beitragen, die Sorgearbeit neu zu verteilen und die Machtungleichgewichte zu verringern, die die Demokratie untergraben. Neue Technologien könnten genutzt werden, um die Arbeitszeit zu verkürzen und die Lebensqualität zu verbessern, anstatt dafür Massen von Arbeitenden zu entlassen und die Profite der wenigen Privilegierten zu steigern.
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