Abschied von Wera Wendnagel – Ein Nachruf

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Abschied von Wera Wend­na­gel *26. Juni 1931 † 22. Jan. 2023
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Nach dem Tod ihrer Mutter Mari­an­ne schloss sich Wera Wend­na­gel den Anhän­gern Silvio Gesells an und wurde Vorsit­zen­de der „Initia­ti­ve für Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung“ (INWO). Sie war eines der letz­ten Urge­stei­ne der INWO und der gesam­ten Geld- und Boden­re­form­be­we­gung. Ihre Fami­li­en­wur­zeln reichen bis in die unmit­tel­ba­re Nähe des Grün­ders Silvio Gesell (1862 – 1930) zurück. Eine Welt jenseits von Kapi­ta­lis­mus und Kommu­nis­mus – diese ökono­mi­sche Perspek­ti­ve beglei­te­te Wera Wend­na­gels Leben. Das alter­na­ti­ve Wirt­schafts­mo­dell, das sie beweg­te, hat nie seine Aktua­li­tät verloren.
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Ihre Eltern Mari­an­ne Hoell, geb. Timm, und Rudi Hoell waren Mitar­bei­ter der von Mari­an­nes Bruder Hans Timm ab 1926 in Erfurt heraus­ge­ge­be­nen Wochen­zei­tung „Letzte Poli­tik“. Schon seit 191920 gehör­te Hans Timm zum engs­ten Mitar­bei­ter­kreis Silvio Gesells. Mit tages­ak­tu­el­len Bezü­gen verbrei­te­te die „Letzte Poli­tik“ die Ideen der Geld- und Boden­re­form als Mittel zur Über­win­dung von wirt­schaft­li­cher Ausbeu­tung durch Kapi­tal­zin­sen und Boden­ren­ten. Auf der Grund­la­ge von sozia­ler Gerech­tig­keit sollte die Poli­tik ihre herkömm­li­chen Hand­lungs­wei­se des Kamp­fes zwischen riva­li­sie­ren­den Inter­es­sen­grup­pen able­gen und über­ge­hen in eine inter­es­sen­neu­tra­le wissen­schaft­li­che Suche nach Lösun­gen gesell­schaft­li­cher Proble­me. Hans Timm und Rudi Hoell hatten sogar ihre Jura- und Medi­zin­stu­di­en abge­bro­chen, um für den „Physio­kra­ti­schen Kampf­bund“ – so hieß der linke Flügel der dama­li­gen Geld- und Boden­re­form­be­we­gung – mit ganzer Kraft publi­zis­tisch tätig werden zu können.
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Zusätz­lich grün­de­ten sie 1926 die „Wära-Tausch­ge­sell­schaft“, die in Erfurt und zahl­rei­chen ande­ren deut­schen Städ­ten und Regio­nen das gemäß Gesells Geld­re­form gestal­te­te priva­te Zahlungs­mit­tel „Wära“ heraus­gab. Infol­ge der großen Welt­wirt­schafts­kri­se ab dem Herbst 1929 erhielt die „Wära“ viel Zulauf. Als in Schwa­nen­kir­chen im Baye­ri­schen Wald ein still­ge­leg­tes Braun­koh­le­berg­werk mit Hilfe von „Wära“-Krediten wieder in Betrieb genom­men wurde, entstand dort binnen kurzer Zeit eine „Wära-Insel“, die – weil ansons­ten die Massen­ar­beits­lo­sig­keit stark anstieg – ein beacht­li­ches Medi­en­echo im In- und Ausland auslös­te. Trotz oder wegen ihres loka­len Erfolgs wurde die „Wära“ 1931 im Zuge der dama­li­gen Brüningschen Notver­ord­nun­gen verbo­ten. Zur Erin­ne­rung an dieses spek­ta­ku­lä­re Frei­geld­ex­pe­ri­ment gaben Mari­an­ne und Rudi Hoell ihrer Toch­ter den Vorna­men Wera.
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Ange­regt durch Silvio Gesells utopi­sche Para­bel „Insel Bara­ta­ria“ schrieb Wera Wend­na­gel den Roman „Mama Moneta oder die Frau­en­fol­ge“, der 1990 im Frank­fur­ter Ulrike Helmer Verlag erschien. Darüber­hin­aus enga­gier­te sie sich in unter­schied­li­chen frei­wirt­schaft­li­chen Organisationen.
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2010 erschie­nen ihre Lebens­er­in­ne­run­gen im Ulrike Helmer Verlag unter dem Titel „Mari­an­nes Vermächt­nis – Wie mir meine Mutter die Frei­wirt­schaft beibrachte“.
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