„Anything goes“ – Politik als Popkultur
„Anything goes“ – Politik als Popkultur
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So richtig hat man es bis heute nicht realisiert, dass mit dem politischen Aufstieg Donald Trumps und der inzwischen erfolgten Konsolidierung seines Einflusses auf das amerikanische Wahlvolk ein fundamentaler Umschwung stattgefunden hat in Bezug auf das Selbstverständnis von und den Umgang mit Politik. An die Stelle einer rationalen, wenn auch oft heftigen Debatte unterschiedlicher Positionen, manchmal auf der Suche nach einer gemeinsamen Lösung, oft auch die eine Seite die andere überwältigend, aber immer noch in einer Art von Dialog, hat sich jetzt ein System etabliert von „facts and alternative facts“, und es ist den Menschen überlassen, welche „facts“ ihnen zusagen.
Das ist Politik als Popkultur: „anything goes“ – so lange es gefällt.
Mit meiner Einschätzung amerikanischer Politik im Zeitalter von Trump als einer Form der Popkultur will ich zunächst einmal überhaupt kein Werturteil verbinden. Ich stelle Popkultur keineswegs – wie das viele Europäer und auch manche Amerikaner tun – auf eine niedrige und weniger achtenswerte Stufe innerhalb gesellschaftlicher Errungenschaften. Popkultur ist nicht die arme Verwandte der Hochkultur. Sie ist ein kulturelles Phänomen eigener Prägung, das seinen eigenen Gesetzen folgt. Popkultur ist nicht nur völlig unabhängig von der Hochkultur, sie ist, wie jeder Beobachter der modernen Gesellschaft zugeben wird, ein kulturelles Phänomen, das alle Aspekte des modernen Lebens durchzieht und bestimmt: Kunst, Mode, Unterhaltung, Lebensart. Und jetzt auch Politik?
Die Ausgangslage
Man muss sich, um diesem Gedanken nachzugehen, erst einmal von dem schockierenden Gefühl frei machen, dass eine Angelegenheit, die so ernst und wichtig für das Wohlergehen der Gesellschaft ist, assoziiert sein könnte mit etwas so Unruhigem, Ungeregeltem, irgendwie Undefinierbarem, wie wir Popkultur in ihren bekannten Erscheinungsformen erleben. Über diesen Eindruck muss man hinwegkommen, man muss sich freimachen von diesen Assoziationen und in das Wesen von Popkultur eintauchen.
Was ist Popkultur
und wie konnte sie jetzt auch in der Politik zu einem bestimmenden Faktor werden?
Um diese Frage zu beantworten, ist es nötig, zu der eben zitierten Phrase
„anything goes“ zurückzukehren; denn diese Aussage führt zum Wesenskern der Popkultur: was sie ist und vor allem wie sie funktioniert. Mancher mag bei diesem Ausdruck an das gleichnamige Musical von Cole Porter aus den Dreissiger Jahren denken, und vielleicht hat es den Mann angeregt, der das
„anything goes“ zum Kern seiner Philosophie gemacht hat. Sicherlich wird er aber beeinflusst worden sein von der Erfahrung mit den Studentenunruhen in den Sechzigern an der Universität Berkeley, wo er damals lehrte. Das wichtigste Buch des österreichischen Philosophen Paul Feyerabend „Against Method“ (deutsch: Wider den Methodenzwang) kreist um die These, dass es keine bindenden Regeln und Gesetze gebe, die Wissenschaft, Erfahrung, Verhalten bestimmen – weder für das Individuum noch für die Gesellschaft – sondern „anything goes“.
Was aber ist die Beziehung zwischen dieser philosophischen Theorie und dem Phänomen Popkultur, und wie erklärt sich der Einbruch der Popkultur in die Politik? Popkultur ist eine Abkürzung für Populäre Kultur, und das heißt nichts anderes als Kultur, die ihre Wurzeln im Volk hat und ihre Energie aus dem Volk erhält. Auf den ersten Blick scheinen sich Kultur und Volk nicht so richtig zu vertragen. Ist nicht Kultur etwas Abgehobenes, Edles, Verfeinertes, irgendwie Perfektioniertes, womit es sich abhebt vom Alltagsleben und banalem Verhalten? Das ist in der Tat der ursprüngliche Charakter von Kultur, etwas das – wie das Wort sagt – „kultiviert“ wird, aus einem Rohzustand in Form gebracht wird nach bestimmten festgesetzten Regeln. In diesem Sinne, als Hochkultur, bezieht sie sich auf viele Bereiche der Kunst und des Geschmacks.
Aber neben dieser Art von Kultur, und unabhängig von ihr, hat sich der Begriff Kultur ausgebreitet in viele Bereiche menschlicher Aktivitäten. Man spricht von Esskultur, Baukultur, Stadtkultur, Redekultur, Wohnkultur, und vielem mehr. Kultur ist „demokratisiert“ worden, sie ist nahezu allgegenwärtig in der modernen Gesellschaft. All diese Formen von „-kultur“ tragen aber diesen Namen zu Recht, weil sie mit der Hochkultur den einen wichtigen Aspekt gemeinsam haben, die Kreativität. Sie geben einem Aspekt alltäglicher Aktivität eine gewisse Form, die von der Gesellschaft allgemein akzeptiert wird und sich damit sozusagen als Standard etabliert. Der entscheidende Unterschied zur Hochkultur besteht darin, dass popkulturelle Standards nicht stabil und dauerhaft sind, weil sie nicht auf festen Regeln und Gesetzen von außerhalb beruhen, sondern ihre Wurzeln in Geschmack und Wünschen des Volkes haben. Sie sind in ständiger Bewegung und dem Wechsel des Geschmacks unterworfen, wie man an den Strömungen der Mode, des Lebensstils, der Unterhaltung, der Kunst beobachten kann, weil Popkultur keinen festen Regeln folgt, sondern nur ein Gesetz kennt: es muss dem Volk gefallen, aus dem heraus es sich entwickelt.
„Anything goes“
Aus diesem Exkurs zum Charakter von Popkultur wird deutlich, dass Paul Feyerabends „anything goes“, ohne direkt dieses Phänomen anzusprechen, die perfekte Erklärung für die Omnipräsenz von Popkultur in unserer Gesellschaft ist. Es gibt keine Regeln, keine Gesetze, keine Grenzen, nach denen entschieden wird, was richtig und was falsch ist, was akzeptabel und was nicht, was wertvoll ist und was einfach nur Schrott, es gibt nur einen Faktor, der darüber entscheidet, ob etwas sich durchsetzt bei dem Bemühen, den Ton (zumindest für eine Weile) anzugeben für einen bestimmten Bereich der Gesellschaft: es muss eine ausreichend große Menge von Gefolgsleuten anziehen. „Anything goes“, solange es einer ausreichend großen Gruppe von Leuten gefällt, ihm zu folgen: „Mach was Du willst“. Solange Leute es gut finden, hast Du eine Chance, Erfolg zu haben und Deinen Geschmack, Deine Sicht der Welt, Dein Wertesystem zur allgemeinen Norm zu machen.
Und nun Trump! Hatte er einen Plan, Popkultur in die Politik einzuführen oder die Politik den Regeln der Popkultur zu unterwerfen? Natürlich nicht. Aber indem er nach den Regeln der Popkultur agierte, gelang es ihm, diese in die Politik einzuführen und einige der grundlegenden Elemente des politischen Lebens auszuhebeln: Erfahrung, Rationalität, Zurückhaltung, Verantwortungsbewusstsein, Integrität, Verlässlichkeit. Dabei verfolgte er keinen finsteren Plan. Er schaffte das einfach, indem er nur er selbst war. Donald Trump ist die Verkörperung von Popkultur. Sein ganzes Erwachsenenleben hat er an einem Bild von sich gearbeitet, sich zu einer Person von öffentlichem Interesse und Bewunderung stilisiert, indem er sich all der Mittel bediente, die Popkultur zur Verfügung stellt. Er wollte ein „Star“ werden, und er wurde einer, indem er die Medien ununterbrochen mit demselben Futter bediente, das die Popstars nutzen, um das Interesse ihrer Gefolgschaft wach zu halten: das Prahlen mit seinem Reichtum und seinem Luxusleben, die Jagd nach Frauen als Trophäen, sein Engagement für proletarische, aber populäre Sportarten wie Show-Ringen („Wrestling“), seine gelegentlichen empörenden politischen Kommentare und ganz besonders seine Karriere als Mittelpunkt einer reality-Fernseh-Show. Er erschuf sich selbst als „The Donald“, indem er alle etablierten Regeln brach, keine Grenze der Scham akzeptierte, prahlte und angab mit seiner Fähigkeit, alle Probleme lösen zu können, dabei immer unberechenbar und ständig von einer Position zur entgegengesetzten schwenkend. Sein übersteigerter Stil in den Reden und Botschaften, der von Superlativen, oft mit dem Gebrauch von Großbuchstaben verstärkt wird, ist die Sprache der Werbung, die selbst ein Geschöpf der Popkultur ist: „the worst trade deals ever made by any country on earth ever in history“. Dazu passend seine nichtssagenden, abgenutzten Kommentare: „SAD“, „No good“.
Als er sich schließlich ernsthaft in die politische Arena begab, überraschte er alle damit, dass er seinem Stil und Auftreten treu blieb, das ihn bekannt und berühmt gemacht hatte, aber auch gering geschätzt und verlacht als den Auftritt eines großmäuligen Immobilienmaklers aus New York. Wie war es möglich, dass er nicht dahinwelkte und unterging unter dem Gewicht seiner Unerfahrenheit und Inkompetenz als Politiker? Ganz einfach: er änderte die Regeln. Besser gesagt, er akzeptierte die etablierten Regeln nicht, sondern führte seine eigenen ein, die er sich nicht von einer äußeren Autorität herleitete, sondern die er in sich selbst fand. Ganz nach Paul Feyerabends Grundsatz
„anything goes“, etablierte er seine eigene Wahrheit, und statt sie in einem ernsthaften Diskurs zu erklären, sendete er sie aus in kleinen Schnipseln via Twitter und wiederholte sie unermüdlich, bis sie sich bei einer empfängnisbereiten Gefolgschaft festsetzte. Er beleidigte seine Mitbewerber persönlich und öffentlich in einer Weise, die selbst in Wahlkämpfen unerhört war. Er brach alle ungeschriebenen Gesetze und Regeln wie z. B. die Verpflichtung, als Kandidat für das Präsidentenamt seine Steuererklärung offen zu legen, oder er erklärte dreist, dass er das Ergebnis der Wahl (wenn es gegen ihn ausfiele) nicht anerkennen werde.
Aber statt dass er wegen eines solch unerhörten Auftretens abgestraft wurde und unterging, versagten die etablierten Regeln und Umgangsformen der Politik und erwiesen sich als wirkungslos gegen diesen neuen politischen Stil. Den Sieg Trumps in den republikanischen Vorwahlen und schließlich bei der Präsidentschaftswahl verdankt er der Tatsache, dass die alte politische Ordnung ganz schwach und instabil geworden war, weil ein breites Segment der Bevölkerung das politische Establishment als korrupt empfand und als weder willens noch fähig, sich für die brennenden Probleme der Gesellschaft einzusetzen. Die Menschen waren enttäuscht von dem üblichen Trott der Politik, es bedurfte tatsächlich nur einer Person, die frech und von sich überzeugt genug war, um seine eigenen Regeln, seine eigene Ordnung dem politischen Geschäft aufzudrängen und abzuwarten, ob es den Leuten nicht gefallen würde.
„Fake News“ und Twitter
So wurde Trump, wenn auch nicht mit Mehrheit, so doch auf der Basis seiner eigenen Persönlichkeit zum Präsidenten gewählt. Dann kam die nächste Überraschung für viele, die ihn gewählt und erwartet hatten, dass er sein Verhalten aus dem Wahlkampf nun ablegen würde und sich im Amt gerieren würde, wie man es vom Präsidenten des mächtigsten Landes der Erde erwartet. Das geschah nicht, und im Rückblick muss man sich fragen, warum hätte es passieren sollen? Donald Trump verdankt seinen Sieg der Tatsache, dass er sich über alle konventionellen Wahrheiten hinweggesetzte und die etablierte politische Ordnung zertrümmert hat. Warum sollte er das jetzt aufgeben? Es war erfolgreich, indem es ihm eine Anhängerschaft von loyalen, geradezu glühenden Gefolgsleuten verschafft hat, die Tag für Tag von Trumps Twitter-Nachrichten angefeuert werden und Nacht für Nacht von seinen Sykophanten bei Fox News bestärkt werden. Die Etablierung seiner eigenen Wahrheit hat bemerkenswert gut funktioniert, bis zu dem Punkt, dass wir es in der Welt der Politik inzwischen mit Fakten und alternativen Fakten zu tun haben. Alles, was der „Wahrheit“ von Trump widerspricht, wird als „Fake News“ denunziert, und diese Sicht der Welt wird unablässig wiederholt, bis die Menschen es müde sind, dagegen zu argumentieren.
Falls man angenommen hatte, dass Donald Trump, der niemals ein politisches Amt innegehabt hatte und völlig unerfahren war in der Leitung einer großen Behörde, sich bei den Regierungsgeschäften auf den Rat erfahrener Fachleute und Verwalter verlassen würde, so hatte man das Phänomen Trump und den radikalen Umschwung, den sein popkultureller Stil in die Politik gebracht hatte, immer noch nicht richtig begriffen. Donald Trump ist mit Recht davon überzeugt, dass er seinen Sieg der Tatsache verdankt, dass er seinen Instinkten gefolgt ist und sich nicht hat beirren lassen in seinen ungezügelten Angriffen gegen Mexikaner, Einwanderer, Minderheiten (vermutlich gegen wohlmeinende Ratgeber in seiner Wahlkampf-Organisation). Warum sollte er also dieses fast übermenschliche Talent aufgeben und nun Expertenwissen zur Grundlage seiner Politik machen? Donald Trump hält sich selbst für ein Genie. Er ist stolz darauf, kein normaler Politiker zu sein, der an bestimmte Regeln und Üblichkeiten gebunden ist, seine Vorstellung von Regieren hat ihr Zentrum und ihre herrschenden Prinzipien in der Person Donald Trump. Zweifellos gibt es im Weißen Haus Diskussionen mit den Beratern, es werden weiterhin politische Expertisen verfasst und ihm vorgelegt, aber am Ende entscheidet Trump nach seinem Instinkt. Er braucht keinen Rat, wie er mit dem nordkoreanischen Diktator zu verhandeln hat, vom ersten Moment der Begegnung weiß er, wie er mit ihm umgehen muss. Mit Vladimir Putin dasselbe. Seine persönlichen Eins-zu Eins-Begegnungen mit den Großen der Welt werden dafür sorgen, dass sich die meisten Probleme der Menschheit in Luft auflösen. Donald Trump hat es bis zur Spitze gebracht, indem er es auf seine Art gemacht hat. Warum sollte jetzt er an seinen Talenten zweifeln? Er wird es weiter so machen, das Land führen wie ein Popstar „doing it my way“.
Was bedeutet das für die zukünftige Politik?
Diese Frage ist nach zwei Aspekten zu differenzieren. Zum einen: wie geht man um mit einem Präsidenten, der popkulturelles Verhalten zum Markenzeichen seiner Politik macht? Die andere, weit gewichtigere Frage ist: wird Popkultur sich festsetzen als Teil der politischen Kultur, oder ist sie nur eine temporäre Verirrung, die einer solch ungewöhnlichen Person wie Donald Trump anhängt und mit seinem Abtritt von der politischen Bühne ebenfalls wieder verschwindet?
Bevor wir uns der ersten Frage zuwenden, sollte noch einmal deutlich gemacht werden, was Popkultur in und für die Politik bedeutet. Man sollte sich nicht einfangen lassen von dem so unschuldig klingenden Wort Popkultur. Popkultur in der Politik stellt einen fundamentalen Umsturz alles dessen dar, was das Wertesystem und das institutionelle Gerüst der Demokratie ausmacht. Und Trump, die Verkörperung von Popkultur, zeigt diese Umkehr in seinem Verhalten, seinen Äußerungen, seinen Handlungen: er praktiziert Politik in einer irrationalen, ichbezogenen, narzisstischen Weise und erklärt seine unberechenbare und sprunghafte Führung der Staatsgeschäfte zum neuen Wahrzeichen einer Politik der Stärke und der Staatskunst.
Seine Auftritte und Reden dienen nicht der Information oder gar Aufklärung der Bürger, sondern der Unterhaltung eines Publikums (Politik als entertainment). Statt eines rationalen Austauschs von Meinungen dämonisiert er seine politischen Gegner und hetzt seine Gefolgsleute gegen sie auf („sperrt sie ein“, der Schlachtruf im Wahlkampf gegen Hillary Clinton).
Mit seinen haltlosen Angriffen auf die Presse und die Justiz untergräbt er das Vertrauen des amerikanischen Volkes in diese Säulen der Demokratie.
Mit den Parteigängern der Republikaner als seinen unbeirrbaren Gefolgsleuten ist er dabei, sich zu einem autoritären Führer aufzuschwingen, der das geradezu geheiligte System der „checks und balances“ und das Prinzip der begrenzten Macht aushebelt.
Indem er sein eigenen Tatsachen und Wahrheiten etabliert, schafft er eine separate Welt, die immun ist gegenüber Argumenten von außen. In einer Rede vor den „Veterans of Foreign Wars“ rief er aus (indem er gleichzeitig die Pressevertreter im Raum als „Fake Press“ bezeichnet hatte): „Was Ihr seht und was Ihr hört, ist nicht das, was passiert“. Ein Kommentator fühlte sich an einen Satz aus George Orwells 1984 erinnert: „Die Partei hat Euch aufgefordert, das Zeugnis Eurer Augen und Ohren zurückzuweisen.“
Diese Liste von Abweichungen von jeder politischen Norm dürfte deutlich machen, dass Popkultur in der Politik kein harmloses Spiel ist, sondern eine äußerst gefährliche Entwicklung für das Wohlergehen einer Gesellschaft. Aber sie kann nicht aufgehalten oder gar zurückgedreht werden mit konventionellen Mitteln. Man kann gegen Trump nicht mit den Waffen der Vergangenheit angehen: rationale Auseinandersetzung, Bestreitung der Fakten, Demaskierung der Unwahrheiten, Aufklärung.
Das Beste wäre, ihm so wenig Aufmerksamkeit schenken wie möglich, einfach so viel wie möglich von dem, was er sagt und tut, einfach ignorieren, in der Hoffnung, dass das einzige Gesetz der Popkultur – nämlich dass es dem Volk gefällt – irgendwann sich gegen ihn wendet, weil die Leute endlich von seinen Sprüchen die Nase voll haben. Statt wie der Sender CNN Nacht für Nacht mit einer Reihe prominenter Fachleute jede Äußerung von ihm zu diskutieren, sollte sich die noch gesunde Hälfte der amerikanischen Bevölkerung darauf konzentrieren, auf die zahlreichen ernsten Probleme des Landes hinzuweisen, die jahrelang von der Politik vernachlässigt worden sind und in der Trump-Regierung nur noch weiter verschärft werden.
Die Kongresswahlen haben eine zarte Hoffnung aufblühen lassen, dass zumindest der Weg zu einem autoritär geführten Staat blockiert wurde, indem sie Präsident Trump seine Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses beschnitten haben. Es bleibt abzuwarten, wie weit damit die bereits weit fortgeschrittene Erosion des demokratischen Prozesses aufgehalten wird.
Das bringt uns zu der zweiten Frage: Wird Popkultur als Politik mit Trump verschwinden? Wie gesagt, ist der Erfolg Trumps im Umsturz der politischen Ordnung nicht dem grandiosen Einsatz eines Revolutionärs zu verdanken. Er passierte eher zufällig. Trump attackierte die geltende Ordnung mit seinem popkulturellen Verhalten und, möglicherweise zu seinem eigenen Erstaunen, sie gab nach, sie brach ein, weil sie innerlich ausgehöhlt war. Popkultur hat nun eine Basis in der Politik gefunden, und es ist inzwischen offensichtlich, dass Trump eine Menge Gefolgsleute gefunden hat, die nicht nur politisch mit ihm übereinstimmen (wie nahezu alle Republikaner im Kongress), sondern auch seinen Stil übernommen haben:
Nur ein paar Beispiele:
Der Ausdruck „fake news“, den Trump geprägt hat, ist inzwischen zu einem Allgemeinbegriff geworden und wird nach Belieben als Argument (oder besser: statt eines Arguments) verwendet, wenn man nicht übereinstimmt mit der Ansicht eines anderen.
Trump hat es fertiggebracht, Twitter als ein gültiges Kommunikationsinstrument in einer Demokratie zu etablieren – indem er die gesunkene Aufmerksamkeitsspanne von Menschen bedient, die in einer popkulturellen Atmosphäre aufgewachsen sind.
Seine vulgäre und brutale Sprache, von der man sich anfangs abgestoßen fühlte und die als Gossensprache nicht geeignet schien für die Auseinandersetzung auf politischem Niveau, beginnt langsam, aber unaufhaltsam Akzeptanz zu finden als neuer politischer Stil.
Seine erfolgreiche Usurpation der republikanischen Partei, die er sich gefügig gemacht hat, indem er ihr das lieferte, was ihre politischen Herzensanliegen waren, hat ihm eine nahezu unbegrenzte Machtfülle gegeben, wie sie im krassen Gegensatz zu Geist und Text der Verfassung steht.
Dies sind keine Abweichungen von normalen politischen Prozeduren, das ist ein formaler Bruch mit der Vergangenheit. Die Art und Weise, wie Politik jetzt betrieben und erfahren wird, hat eine völlig andere Dimension. Da die Popkultur besonders in den USA ein so fest eingewurzelter Aspekt des modernen Lebens ist, der nahezu alle Teile der Gesellschaft durchzieht, warum sollte sie jetzt verschwinden aus der Politik, wo sie eine Basis hier gefunden hat und die akzeptierte Form der Politik des Präsidenten geworden ist? Die einzige Hoffnung, dass die Popkultur trump´scher Prägung nicht die Politik der USA auf Dauer dominieren wird, besteht darin, dass in der nahen Zukunft eine popkulturelle Bewegung auf der Linken entsteht.
Sie müsste sich befreien – so wie Trump es machte „his way“ – von Hemmungen und Befürchtungen, dass ihre radikalen Positionen zu liberalen Werten, zu einem Wohlfahrtstaat, zur Besteuerung großer Vermögen, zur Sorge für die Umwelt und vielen anderen politischen Themen, einigen Segmenten ihrer Anhänger zu progressiv erscheinen könnten, und sich klar und deutlich zu ihren Prinzipien für eine gerechte und offene Gesellschaft mit gleichen Chancen für jedermann bekennen. Das würde in der Tat eine wirklich populäre Politik sein, orientiert an den Bedürfnissen und ausgerichtet auf die Nöte und Wünsche des Volkes.
Ich sehe das tatsächlich schon im Entstehen in der Bewegung der Demokraten, die sich abgewandt haben vom bisherigen demokratischen Establishment und als „Democratic socialists“ sich aktiv und mit viel Energie einsetzen für eine neue Form und einen neuen Inhalt von Politik – aus dem Volk heraus, durch das Volk und für das Volk – die einzig wahre politische Popkultur.
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