Mit der Deutschen Bank im Zinsdialog – Jörg Gude
Es gibt Positives von der Deutschen Bank zu berichten. Sie will in einen Zinsdialog eintreten. In Zeitungsanzeigen und im Internet stellt sie die Behauptung auf, „Zinsen machen den Unterschied zwischen unseren Generationen“. Auf dem Bild legt ein älterer Mann einem jüngeren, wohl seinem Sohn, die Hand auf die Schulter. Beide sind wohl auf Urlaub am Strand im Wattenmeer. Eine gute Umgebung für ein ernsthaftes Gespräch.
- – -
Die Deutsche Bank legt dann dem Betrachter nahe, angesichts kaum abwerfender Zinsen heutzutage sich weiterer Möglichkeiten der Anlage „neben Sparbuch & Co.“ zuzuwenden. Was dann kommt ist „State of the Art“, aber keineswegs spektakulär und will dies auch gar nicht sein. Der Kunde oder potenzielle Bankkunde soll informiert und beworben werden.
- – -
Es spricht für die Professionalität der Deutschbanker, dass sie sich hier anders als die Repräsentanten von Volksbanken und Sparkassen nicht über die Nullzinspolitik der EZB beklagen. Die Deutsche Bank realisiert und akzeptiert das Umfeld, welches die Geldpolitik setzt, und zeigt dabei Möglichkeiten auf, auch unter diesen Bedingungen Geld anzulegen und dabei zu verdienen.
- – -
Ich möchte kurz aufzeigen, wie man in der jüngsten Zeit selbst mit Negativrenditen auf langfristige deutsche Staatsanleihen hätte Geld verdienen konnte (– kein Beispiel der Deutschen Bank –). Währungsausländer aus dem Dollarraum hätten deutsche Staatsanleihen kaufen können in der nicht unzutreffenden Aussicht, dass der Euro gegenüber dem Dollar an Wert gewinnt (= aufwertet). Mit dem tatsächlichen eingetretenen Währungsgewinn hätte man leicht die Negativrendite überkompensieren können. Natürlich hätte auch ein Deutscher sich in Dollar verschulden können, um dieses Spekulationsmodell zu realisieren.
- – -
Wenden wir uns jetzt der Aussage der Deutschen Bank zu „Zinsen machen den Unterschied zwischen unseren Generationen.“ Der Altersabstand der beiden abgebildeten Männer beträgt eine Generation oder geschätzte 30–35 Jahre. Die Aussage in diesem Zinsdialog selbst ist mehrdeutig, mindestens zweideutig. Sprachlich meint Mehr- oder Zweideutigkeit oft etwas kritisch-Anmerkendes, Zwiespältiges. Nicht jedoch hier. Denn wie man sie auch dreht und wendet, die Aussage der Bank ist in jedem Fall und unter jedem Gesichtspunkt zutreffend, wie zu zeigen sein wird. Die eine – ältere – Generation hat dauerhaft deutlich positive Haben‑, also Guthaben, ‑zinsen gekannt. Die jüngere Generation kennt über nicht unerhebliche Zeit auch Habenzinsen, die sich um null Prozent herum belaufen. Dies ist der eine Aspekt der Aussage. Der andere lautet: Der Zins, seine Berechnung und Anwendung beim Vergleich zu wirtschaftlichen, in Geldwert ausgedrückten Zahlen drückt den Unterschied aus, den Vermögenswerte wie Schulden zu weit unterschiedlichen Zeitpunkten, also auch zwischen dem Generationsunterschied ausmachen. Beginnen wir damit!
Der Zins ist der große Gleichmacher – der Zins ist der große Ungleichmacher.
- – -
Auch hier sind beide Teile meiner Aussage zutreffend, freilich nur in einem bestimmten, abgegrenzten Aussagebereich.
- – -
Der Zins ist der große Gleichmacher.
- – -
Diese Aussage betrifft die Rolle des Zinses in der Finanzmathematik, der Investitions- und Finanzierungsrechnung in der Ökonomie.
- – -
Mit Hilfe oder unter Anwendung von Zinsen werden Zahlungen oder Werte in der Dimension verschiedener Zeitpunkte vergleichbar oder gleichnamig gemacht. Aus dem Geldbetrag a in der Gegenwart werden nach x Jahren fester Anlage zum Zinssatz i ein Geldvermögen b, durch Aufzinsung. Der ältere Herr in der Abbildung der Deutschen Bank hätte hiervon seinem Sohn erzählen können. Und ergänzend könnte er oder auch sein eingeweihter Sohn mitteilen, dass unter den geänderten Umständen eine solche hohe Aufwertung des Geldvermögens wie in der alten Generation heute so unkompliziert nicht möglich ist. Eben weil ein vergleichbar risikoloser Zins um Null Prozent liegt. Ein weiteres Beispiel für die Gleichmacherei des Zinses in der Zeit ist der Barwert oder Kapitalwert einer Zahlungsreihe zukünftiger Erträgnisse berechnet als Abzinsung als dem Gegenstück zur soeben dargestellten Aufzinsung. Ein Gegenwartswert ist gleichwertig einer zukünftigen sicher vorhersehbaren Reihe von Ein- und Auszahlungen. Der Zins ermöglicht auch den Wert einer ewigen Rente aus einem unendlich laufenden Wertpapier oder einer Immobilie zu ermitteln als Barwert = laufende Erträge dividiert durch Zinssatz. Dann wäre es gleichwertig, den Barwert in Händen zu halten oder aber das Investment. Wir sehen einmal von dem Extrem ab, dass wegen eines sehr geringen Zinses der errechnete Barwert der Rente gegen unendlich tangiert, praktisch aber niemand den Barwert für diese Ertragsquelle bezahlen würde. Genau dies aber ist ein Problem oder kann zu einem Problem werden bei unbebautem oder bebautem Boden. Die Vertreter der Silvio-Gesell-Schule zur Boden- und Geldreform haben hierauf frühzeitig hingewiesen.
- – -
Stellen wir uns jetzt einmal vor, der ältere Herr im Bilde hätte eine langfristige, heute auslaufende Anlage zugunsten seines Sohnes getätigt. Dann besteht der Unterschied zwischen den Generationen darin, dass nunmehr – gegenwärtig – eine neue Anlagestrategie getroffen werden muss, die einen geringeren sicheren Zins oder gar keinen Zins mehr erbringt. Der ältere Herr scheint seinen Sohn zu einer neuen, anderen Strategie zu ermuntern. Und in der Vorstellungswelt des Werbenden, der Deutschen Bank, wäre dann der Beratungsbedarf gegeben zum Jetztzeitpunkt.
- – -
Da sind wir schon bei der Ungleichheit zwischen den Generationen angekommen: Leichte oder schwieriger werdende Vermögensmehrung.
- – -
John Maynard Keynes wusste herauszustellen, dass in England über eine lange Zeit des viktorianischen Zeitalters ein nahezu konstanter langfristiger Zins erzielbar war und es einen Stand der Rentiers gab, der Zinskuponschneider, deren langfristigen Wegfall, „sanften Tod“, er anstrebte.
- – -
Der Zins ist der große Ungleichmacher, der große Umverteiler.
- – -
Vielleicht ist der Leser dieser Zeitschrift bereits ungeduldig geworden ob der These vom Zins als großem Gleichmacher. Kennt er doch durch die Humane Wirtschaft, insbesondere die empirischen Analysen von Helmut Creutz, den Zins als den großen Ungleichmacher, den großen Umverteiler. Der vorausgegangene Punkt, dass der Zins auf seine Art auch ein großer Gleichmacher sein kann, ist für die Leser vielleicht neu und gewöhnungsbedürftig.
- – -
Klaus Willemsen (geb. Popp) hat in seinem Buch „Das Märchen vom guten Zins“ die laienhafte und falsche Sichtweise vorgeführt, wonach der positive Zins als Belohnung für den Sparer diesem im Ergebnis in den meisten Haushalten nützt. Der österreichische Ökonom Eugen Böhm von Bawerk hatte den Zins als Belohnung für Enthaltsamkeit und Konsumverzicht angesehen. John Maynard Keynes ist dieser Ansicht entgegengetreten. Geld, unter der Matratze gehortet, bedeutet auch Konsumverzicht, wirft aber keinen Zins ab. Nach Keynes ist der Zins die Belohnung oder Prämie für Liquiditätsverzicht. Also die Aufgabe des Geldes zugunsten eines anderen Wirtschaftssubjektes, welches dadurch Liquidität gewinnt, jedoch Schuldner wird.
- – -
Laut Willemsen stehen den erzielbaren Habenzinsen Zinsen als Kostenbestandteilen in den Güterpreisen und Mieten gegenüber. Und da – so auch in der Analyse von Helmut Creutz – ist festzustellen, dass nur das obere Zehntel der Haushalte Profiteur der Zinsen ist, für das zweitoberste Zehntel in etwa die Zinsen als Kostenbestandteile den erzielten Guthabenzinserträgen entsprechen, während 80 % der Haushalte Verlierer sind, selbst wenn sie über positive Ersparnisse verfügen sollten.
- – -
Ebenfalls erforscht ist die exponentielle Wachstumswirkung durch den Zinseszinseffekt und damit die Selbstalimentierung der großen Geldvermögen. Dieser Effekt wird regelmäßig und laienhaft unterschätzt. Die Geschichten vom Josefspfennig und vom Erfinder des Schachspiels sind vielleicht dem Leser geläufig. Das Erstaunen darüber bei demjenigen, der sie zum ersten Mal erfährt, ist für die Ansicht Beleg. Einige Autoren wie Helmut Creutz haben daraus die These von Wachstumszwang abgeleitet, wonach wegen Zins und Zinseszins die Wirtschaft fortwährend wachsen muss. Die These ist nicht unumstritten – auch mir erscheint sie auf der Ebene einer Volkswirtschaft fragwürdig – jedoch auf der betrieblichen Ebene ist sie nachvollziehbar.
- – -
Was spricht für niedrige Zinsen?
- – -
Der für eine relativ risikoarme Anlage erzielbare Habenzins begrenzt das Anspruchsniveau des Investors in Realkapital als Mindestrendite, unterhalb derer er nicht investiert. Zinsen um null Prozent sind deshalb ein Wachstumsprogramm für Realinvestitionen. Für Bauinvestitionen können wir dies zurzeit beobachten. Unter diesem Aspekt erscheint volkswirtschaftlich auch die Theorie vom hohen Zins als Wachstumstreiber oder Wachstumszwang fragwürdig.
- – -
Ein weiterer Vorzug von Zinsen im Umfeld von null Prozent besteht darin, dass vermehrt Umweltschutz- und Energieeinsparungsinvestitionen sich eher und in größerem Umfang rechnen, was bei hohen Zinssätzen nicht der Fall wäre.
- – -
Böhm von Bawerk und ihm nachfolgend viele Ökonomen gingen von einer Minderschätzung zukünftiger Bedürfnisse der Wirtschaftssubjekte aus, die zwanglos den positiven Zins erklärt und rechtfertigt als Kompensation. Aber ist diese Aussage richtig? – Es wird viel gesprochen von der Altersarmut und der notwendigen Vorsorge. Erhöhte Lebenserwartungen und geringe gesetzliche Renten machen letztere erforderlich. Wem es heute wirtschaftlich gut geht, der wird wegen der Unsicherheit über die Zukunft gerade deshalb vorsorgen wollen, auch bei Nullzinsen oder gar Negativzinsen. Auch die zwei unterschiedlichen Generationen Angehörenden in der Abbildung der Deutschen Bank wollen wohl vorsorgen – unter den geänderten Bedingungen.
- – -
Es ist gut, dass sich die Deutsche Bank der Thematik annimmt. Ein wirklicher Zinsdialog müsste erweitert werden, um ein geändertes Bewusstsein für niedrige Zinsen, für Geld- und Bodenreform. Die Anhänger der Gesell-Schule sind dazu bereit. Banken und Wettbewerb wird es auch nach einer Geld- und Bodenreform noch geben. Die heutige Zinssituation kann als eine „Einübung in eine freiwirtschaftliche Zukunft“ betrachtet werden, vgl. Jörg Gude in
HUMANE WIRTSCHAFT 05/2013 S. 42f.
- – -
Die Deutsche Bank legt dann dem Betrachter nahe, angesichts kaum abwerfender Zinsen heutzutage sich weiterer Möglichkeiten der Anlage „neben Sparbuch & Co.“ zuzuwenden. Was dann kommt ist „State of the Art“, aber keineswegs spektakulär und will dies auch gar nicht sein. Der Kunde oder potenzielle Bankkunde soll informiert und beworben werden.
- – -
Es spricht für die Professionalität der Deutschbanker, dass sie sich hier anders als die Repräsentanten von Volksbanken und Sparkassen nicht über die Nullzinspolitik der EZB beklagen. Die Deutsche Bank realisiert und akzeptiert das Umfeld, welches die Geldpolitik setzt, und zeigt dabei Möglichkeiten auf, auch unter diesen Bedingungen Geld anzulegen und dabei zu verdienen.
- – -
Ich möchte kurz aufzeigen, wie man in der jüngsten Zeit selbst mit Negativrenditen auf langfristige deutsche Staatsanleihen hätte Geld verdienen konnte (– kein Beispiel der Deutschen Bank –). Währungsausländer aus dem Dollarraum hätten deutsche Staatsanleihen kaufen können in der nicht unzutreffenden Aussicht, dass der Euro gegenüber dem Dollar an Wert gewinnt (= aufwertet). Mit dem tatsächlichen eingetretenen Währungsgewinn hätte man leicht die Negativrendite überkompensieren können. Natürlich hätte auch ein Deutscher sich in Dollar verschulden können, um dieses Spekulationsmodell zu realisieren.
- – -
Wenden wir uns jetzt der Aussage der Deutschen Bank zu „Zinsen machen den Unterschied zwischen unseren Generationen.“ Der Altersabstand der beiden abgebildeten Männer beträgt eine Generation oder geschätzte 30–35 Jahre. Die Aussage in diesem Zinsdialog selbst ist mehrdeutig, mindestens zweideutig. Sprachlich meint Mehr- oder Zweideutigkeit oft etwas kritisch-Anmerkendes, Zwiespältiges. Nicht jedoch hier. Denn wie man sie auch dreht und wendet, die Aussage der Bank ist in jedem Fall und unter jedem Gesichtspunkt zutreffend, wie zu zeigen sein wird. Die eine – ältere – Generation hat dauerhaft deutlich positive Haben‑, also Guthaben, ‑zinsen gekannt. Die jüngere Generation kennt über nicht unerhebliche Zeit auch Habenzinsen, die sich um null Prozent herum belaufen. Dies ist der eine Aspekt der Aussage. Der andere lautet: Der Zins, seine Berechnung und Anwendung beim Vergleich zu wirtschaftlichen, in Geldwert ausgedrückten Zahlen drückt den Unterschied aus, den Vermögenswerte wie Schulden zu weit unterschiedlichen Zeitpunkten, also auch zwischen dem Generationsunterschied ausmachen. Beginnen wir damit!
Der Zins ist der große Gleichmacher – der Zins ist der große Ungleichmacher.
- – -
Auch hier sind beide Teile meiner Aussage zutreffend, freilich nur in einem bestimmten, abgegrenzten Aussagebereich.
- – -
Der Zins ist der große Gleichmacher.
- – -
Diese Aussage betrifft die Rolle des Zinses in der Finanzmathematik, der Investitions- und Finanzierungsrechnung in der Ökonomie.
- – -
Mit Hilfe oder unter Anwendung von Zinsen werden Zahlungen oder Werte in der Dimension verschiedener Zeitpunkte vergleichbar oder gleichnamig gemacht. Aus dem Geldbetrag a in der Gegenwart werden nach x Jahren fester Anlage zum Zinssatz i ein Geldvermögen b, durch Aufzinsung. Der ältere Herr in der Abbildung der Deutschen Bank hätte hiervon seinem Sohn erzählen können. Und ergänzend könnte er oder auch sein eingeweihter Sohn mitteilen, dass unter den geänderten Umständen eine solche hohe Aufwertung des Geldvermögens wie in der alten Generation heute so unkompliziert nicht möglich ist. Eben weil ein vergleichbar risikoloser Zins um Null Prozent liegt. Ein weiteres Beispiel für die Gleichmacherei des Zinses in der Zeit ist der Barwert oder Kapitalwert einer Zahlungsreihe zukünftiger Erträgnisse berechnet als Abzinsung als dem Gegenstück zur soeben dargestellten Aufzinsung. Ein Gegenwartswert ist gleichwertig einer zukünftigen sicher vorhersehbaren Reihe von Ein- und Auszahlungen. Der Zins ermöglicht auch den Wert einer ewigen Rente aus einem unendlich laufenden Wertpapier oder einer Immobilie zu ermitteln als Barwert = laufende Erträge dividiert durch Zinssatz. Dann wäre es gleichwertig, den Barwert in Händen zu halten oder aber das Investment. Wir sehen einmal von dem Extrem ab, dass wegen eines sehr geringen Zinses der errechnete Barwert der Rente gegen unendlich tangiert, praktisch aber niemand den Barwert für diese Ertragsquelle bezahlen würde. Genau dies aber ist ein Problem oder kann zu einem Problem werden bei unbebautem oder bebautem Boden. Die Vertreter der Silvio-Gesell-Schule zur Boden- und Geldreform haben hierauf frühzeitig hingewiesen.
- – -
Stellen wir uns jetzt einmal vor, der ältere Herr im Bilde hätte eine langfristige, heute auslaufende Anlage zugunsten seines Sohnes getätigt. Dann besteht der Unterschied zwischen den Generationen darin, dass nunmehr – gegenwärtig – eine neue Anlagestrategie getroffen werden muss, die einen geringeren sicheren Zins oder gar keinen Zins mehr erbringt. Der ältere Herr scheint seinen Sohn zu einer neuen, anderen Strategie zu ermuntern. Und in der Vorstellungswelt des Werbenden, der Deutschen Bank, wäre dann der Beratungsbedarf gegeben zum Jetztzeitpunkt.
- – -
Da sind wir schon bei der Ungleichheit zwischen den Generationen angekommen: Leichte oder schwieriger werdende Vermögensmehrung.
- – -
John Maynard Keynes wusste herauszustellen, dass in England über eine lange Zeit des viktorianischen Zeitalters ein nahezu konstanter langfristiger Zins erzielbar war und es einen Stand der Rentiers gab, der Zinskuponschneider, deren langfristigen Wegfall, „sanften Tod“, er anstrebte.
- – -
Der Zins ist der große Ungleichmacher, der große Umverteiler.
- – -
Vielleicht ist der Leser dieser Zeitschrift bereits ungeduldig geworden ob der These vom Zins als großem Gleichmacher. Kennt er doch durch die Humane Wirtschaft, insbesondere die empirischen Analysen von Helmut Creutz, den Zins als den großen Ungleichmacher, den großen Umverteiler. Der vorausgegangene Punkt, dass der Zins auf seine Art auch ein großer Gleichmacher sein kann, ist für die Leser vielleicht neu und gewöhnungsbedürftig.
- – -
Klaus Willemsen (geb. Popp) hat in seinem Buch „Das Märchen vom guten Zins“ die laienhafte und falsche Sichtweise vorgeführt, wonach der positive Zins als Belohnung für den Sparer diesem im Ergebnis in den meisten Haushalten nützt. Der österreichische Ökonom Eugen Böhm von Bawerk hatte den Zins als Belohnung für Enthaltsamkeit und Konsumverzicht angesehen. John Maynard Keynes ist dieser Ansicht entgegengetreten. Geld, unter der Matratze gehortet, bedeutet auch Konsumverzicht, wirft aber keinen Zins ab. Nach Keynes ist der Zins die Belohnung oder Prämie für Liquiditätsverzicht. Also die Aufgabe des Geldes zugunsten eines anderen Wirtschaftssubjektes, welches dadurch Liquidität gewinnt, jedoch Schuldner wird.
- – -
Laut Willemsen stehen den erzielbaren Habenzinsen Zinsen als Kostenbestandteilen in den Güterpreisen und Mieten gegenüber. Und da – so auch in der Analyse von Helmut Creutz – ist festzustellen, dass nur das obere Zehntel der Haushalte Profiteur der Zinsen ist, für das zweitoberste Zehntel in etwa die Zinsen als Kostenbestandteile den erzielten Guthabenzinserträgen entsprechen, während 80 % der Haushalte Verlierer sind, selbst wenn sie über positive Ersparnisse verfügen sollten.
- – -
Ebenfalls erforscht ist die exponentielle Wachstumswirkung durch den Zinseszinseffekt und damit die Selbstalimentierung der großen Geldvermögen. Dieser Effekt wird regelmäßig und laienhaft unterschätzt. Die Geschichten vom Josefspfennig und vom Erfinder des Schachspiels sind vielleicht dem Leser geläufig. Das Erstaunen darüber bei demjenigen, der sie zum ersten Mal erfährt, ist für die Ansicht Beleg. Einige Autoren wie Helmut Creutz haben daraus die These von Wachstumszwang abgeleitet, wonach wegen Zins und Zinseszins die Wirtschaft fortwährend wachsen muss. Die These ist nicht unumstritten – auch mir erscheint sie auf der Ebene einer Volkswirtschaft fragwürdig – jedoch auf der betrieblichen Ebene ist sie nachvollziehbar.
- – -
Was spricht für niedrige Zinsen?
- – -
Der für eine relativ risikoarme Anlage erzielbare Habenzins begrenzt das Anspruchsniveau des Investors in Realkapital als Mindestrendite, unterhalb derer er nicht investiert. Zinsen um null Prozent sind deshalb ein Wachstumsprogramm für Realinvestitionen. Für Bauinvestitionen können wir dies zurzeit beobachten. Unter diesem Aspekt erscheint volkswirtschaftlich auch die Theorie vom hohen Zins als Wachstumstreiber oder Wachstumszwang fragwürdig.
- – -
Ein weiterer Vorzug von Zinsen im Umfeld von null Prozent besteht darin, dass vermehrt Umweltschutz- und Energieeinsparungsinvestitionen sich eher und in größerem Umfang rechnen, was bei hohen Zinssätzen nicht der Fall wäre.
- – -
Böhm von Bawerk und ihm nachfolgend viele Ökonomen gingen von einer Minderschätzung zukünftiger Bedürfnisse der Wirtschaftssubjekte aus, die zwanglos den positiven Zins erklärt und rechtfertigt als Kompensation. Aber ist diese Aussage richtig? – Es wird viel gesprochen von der Altersarmut und der notwendigen Vorsorge. Erhöhte Lebenserwartungen und geringe gesetzliche Renten machen letztere erforderlich. Wem es heute wirtschaftlich gut geht, der wird wegen der Unsicherheit über die Zukunft gerade deshalb vorsorgen wollen, auch bei Nullzinsen oder gar Negativzinsen. Auch die zwei unterschiedlichen Generationen Angehörenden in der Abbildung der Deutschen Bank wollen wohl vorsorgen – unter den geänderten Bedingungen.
- – -
Es ist gut, dass sich die Deutsche Bank der Thematik annimmt. Ein wirklicher Zinsdialog müsste erweitert werden, um ein geändertes Bewusstsein für niedrige Zinsen, für Geld- und Bodenreform. Die Anhänger der Gesell-Schule sind dazu bereit. Banken und Wettbewerb wird es auch nach einer Geld- und Bodenreform noch geben. Die heutige Zinssituation kann als eine „Einübung in eine freiwirtschaftliche Zukunft“ betrachtet werden, vgl. Jörg Gude in
HUMANE WIRTSCHAFT 05/2013 S. 42f.
Aktuelle Kommentare