Die Zeichen stehen auf Abschied
Was passiert eigentlich, wenn sich die wirtschaftlich strauchelnden EU-Länder des Südens aus der Demokratie verabschieden?
Immerhin können Länder wie Griechenland, Spanien und Portugal auf eine lange Tradition von Militärputschs und entsprechenden Diktatoren zurückblicken.
Bereits im Juni 2010 malte der Präsident der EU-Kommission, Jose Manuel Baroso, dieses Szenario an die Wand, doch schien kaum jemand auf ihn zu hören. Bis heute wurden stattdessen der Bevölkerung die Daumenschrauben in Form massiver Einschnitte in das gesamte Sozialsystem der Länder angezogen. In allen europäischen Südländern heizt die Stimmung unter den Menschen zunehmend auf. Chaotische Zustände auf den Straßen nehmen in erschreckender Weise zu, wobei die Medien das wahre Ausmaß der Entwicklung dieses Volkszorns jeweils so lange wie möglich auszublenden scheinen, wie jüngst das Beispiel Spanien beweist.
Die Politiker gefallen sich mit Aussagen, die auf die Wichtigkeit der Rolle der Währung für die politische Union in Europa verweisen. Doch das wird zunehmend als letzter verzweifelter Versuch wahrgenommen, die schweren handwerklichen Fehler bei Einführung des Euro zu kaschieren. Dabei wäre das schonungslose Eingestehen dieser Fehler eine Chance, die politischen Union vor weitaus schlimmeren Folgen zu bewahren. In erschreckend vielen Ländern Europas nimmt das Gewicht jener politischen Kräfte zu, die soweit rechts außen stehen, dass sich das von Baroso beschriebene Szenario schon bald bewahrheiten könnte. Während die Politik den Dominoeffekt wirtschaftlich sinnvoller Entscheidungen zur geregelten Insolvenz von Staaten und Banken scheut, scheint sich kein Problem mit Flächenbränden zu haben, die geeignet sind ganze Demokratien hinwegzufegen. Man mag sich nicht ausmalen, was es bedeutet, wenn erst einmal in einem jetzt wirtschaftlich bedrohten Land ein Diktator nach oben gespült wird.
Die eigentlichen Ursachen hinter all den wirtschaftlichen Entwicklungen werden beharrlich ausgeblendet.
Vieles, was wichtig wäre, wurde bereits gesagt und beschrieben. Die Taten unserer Volksvertreter wurzeln jedoch im Boden einer in diesen Fragen gleichgültig verbleibenden Bürgerschaft. Nur, was uns direkt existenziell zu bedrohen vermag, bringt uns auf die Straße.
Worin besteht also unsere Chance?
Zunächst müssen wir im System bleiben und die Insolvenz als ein aktiv eingesetztes Mittel (PDF) klug anwenden. Die EU kann als Insolvenzverwalter eingesetzt werden und – wie das auch Wirtschaftsleben tagtäglich geschieht – alles daran setzen, Griechenland zu retten. Die Gläubiger werden – wie bei jeder Insolvenz – auf große Teile ihrer Ansprüche verzichten müssen. Um den schützenswerten „kleinen Sparer“ nicht in einen Topf mit den Superreichen dieser Welt zu werfen, kann im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine soziale Komponente zum Tragen kommen, die vorsieht, dass Geldvermögen in Einzelfällen bis zu einer gewissen Höhe ganz gesichert werden. Im Falle Griechenlands wird es solche Fälle nur indirekt geben, weil kleine Anleger bei Banken angelegt haben, die wiederum als Halter der Staatsanleihen fungieren. Der durch die Insolvenz Griechenlands und eventuell anderer Länder zu erwartende Dominoeffekt in Bezug auf Banken sollte bedacht werden, darf uns aber am Beschreiten des Weges, den diese letzte Chance bietet nicht hindern. Er kommt früher oder später sowieso. Jene Banken, die von der Griechenland-Insolvenz betroffen wären, wackeln alle schon seit langem. Die Insolvenz der Banken bietet die gleichen Chancen zu politischem aktivem Handeln, wie die der Länder. In diesem Szenario kann die Politik die Vorgaben machen und die Finanzmarktakteure können nur reagieren. In jedem anderen Szenario wäre es umgekehrt und am Ende stünde der totale Zusammenbruch.
Die Zeit ist überreif für mutige Entscheidungen. Doch Mut können wir von unserern Volksvertretern nicht erwarten, wenn wir ihn nicht nachdrücklich einfordern!
Text: Andreas Bangemann
Grafiken: Martin Bangemann
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