Der Überblick Nr. 272 – Redaktion

– - -
Be- oder entschleu­ni­gen? Wach­sen oder schrump­fen? – Rein­hard Loske – Diskus­sio­nen zu Zielen und Maßnah­men für eine Zukunft, in der Sozia­les und umwelt­be­wuss­te Nach­hal­tig­keit offen und mit weitem Blick­win­kel geführt werden, sind nicht die Regel.
„So wahr­schein­lich, […] es sein dürfte, dass der Kapi­ta­lis­mus, wie wir ihn kennen, […] an ein Ende kommen wird, so wenig über­zeu­gend ist doch das vorei­li­ge Prokla­mie­ren „ferti­ger“ Systemalternativen…“
Rein­hard Loske behan­delt die Dialek­tik der ökolo­gi­schen Trans­for­ma­ti­on und disku­tiert verschie­de­ne Konzep­te und Stra­te­gien zur Ziel­er­rei­chung. Er betont dabei, dass sowohl grünes Wachs­tum als auch persön­li­che Lebens­sti­län­de­run­gen allein nicht ausrei­chen, um die Heraus­for­de­run­gen zu bewäl­ti­gen. Eine ganz­heit­li­che Poli­tik ist notwen­dig, die auf Regu­lie­rung, Inves­ti­tio­nen, Tech­nik und Inno­va­tio­nen setzt und auf indi­vi­du­el­le Verän­de­run­gen. Die Viel­falt von Stra­te­gien betrach­tet der Autor als Stärke, um eine nach­hal­ti­ge und ressour­cen­schlan­ke Wirt­schaft und Lebens­wei­se zu errei­chen. Es gelte, von den Zielen her zu denken und zu handeln und das Mensch-Natur-Verhält­nis auf eine dauer­haft trag­fä­hi­ge Basis zu stellen.
– - -
Ökolo­gie und das mehr-als-mensch­li­che Eigen­tum – Cars­ten Herr­mann-Pillath – Welt­weit gibt es Geset­ze und recht­li­che Rahmen­be­din­gun­gen, die es erlau­ben, Körper­schaf­ten zu grün­den, die keine Menschen sind, aber eigene Rechte haben. Beispiels­wei­se kennt man in Deutsch­land über 15 Rechts­for­men, die bei der Grün­dung eines Unter­neh­mens genutzt werden können. Gesetz­lich gere­gelt sind auch eine Viel­zahl an Alter­na­ti­ven zur Vertre­tung, Vormund­schaft und Bevoll­mäch­ti­gung Drit­ter für Menschen, die dazu selbst nicht in der Lage sind. Diesen Aspekt greift der Autor auf, um eine Idee zu entwi­ckeln, wie biolo­gi­sche Viel­falt als Teil der Ökolo­gie zu durch­setz­ba­ren Rech­ten kommen könnte, wenn man den Willen und den Mut dazu aufbräch­te. Der Weg führt über das in der Verfas­sung nieder­ge­leg­te Eigentumsrecht.
Lassen Sie sich ein auf eine konkret ausge­ar­bei­te­te Gedan­ken­rei­se von Cars­ten Herr­mann-Pillath in eine Zukunft, die einen ökolo­gisch-sozia­len Gleich­ge­wichts­zu­stand ermög­li­chen könnte, der heute in dieser Form nicht gege­ben ist.
– - -
Wood­stock des Degrowth – Andre­as Bange­mann – Dieser Bericht erzählt von der Konfe­renz „Beyond Growth“, die im Mai 2023 im Euro­pa­par­la­ment in Brüs­sel statt­fand. Mit 160 Spre­che­rin­nen und Spre­chern und rund 5.000 Teil­neh­men­den (die Hälfte live dabei, die andere online) war sie wegwei­send hinsicht­lich eines Wirt­schaf­tens, das Europa zu einem besse­ren Ort machen soll.
Die EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen eröff­ne­te mit Ihrer Rede drei span­nen­de Tage. Maßgeb­lich zum Erfolg trug bei, dass man sich in den Räumen traf, in der die gewähl­ten Abge­ord­ne­ten norma­ler­wei­se über die poli­ti­schen Geschi­cke Euro­pas entschei­den. Das gab den meist jungen Leuten jenes Gefühl der Bedeut­sam­keit, das es braucht, um selbst­be­wusst für neue Wege und alter­na­ti­ve Vorschlä­ge zur Bewäl­ti­gung der ökolo­gi­schen und sozia­len Krisen einzu­tre­ten. Proble­me, die die gesam­te Erde betref­fen, können auch nur von allen gemein­sam gelöst werden. Eine komple­xe Mammut­auf­ga­be. Aber sie ist mach­bar, denn die Notwen­dig­keit wird mitt­ler­wei­le welt­weit erkannt. Die vortra­gen­den Exper­tin­nen, Forscher und Poli­ti­ke­rin­nen bewie­sen nicht nur heraus­ra­gen­de Kompe­tenz, sondern zeig­ten auch eine enorme Willens­kraft, was ihre eigene Rolle im Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess für eine besse­re Welt angeht. Eine Veran­stal­tung, die zur Vernet­zung und zum Zusam­men­halt der konstruk­ti­ven Zukunfts­kräf­te beitrug.
– - -
Gerech­tig­keit, Frie­den und Bewah­rung der Schöp­fung – Helmut Creutz – Anläss­lich des 100. Geburts­tags von Helmut Creutz am 08.07. ist dieser Aufsatz ein Beispiel für Weit­sich­tig­keit, Mensch­lich­keit und den Frie­dens­wil­len des Autors. Aus dem bis heute welt­po­li­tisch präfe­rier­ten Wachs­tums­dik­tum ergibt sich ein Dilem­ma: Durch weite­res Wirt­schafts­wachs­tum in die ökolo­gi­sche Kata­stro­phe oder ohne Wachs­tum in die sozia­le. Die Befrei­ung aus dieser vermeint­lich unlös­ba­ren Zwangs­la­ge lässt sich nur über einen grund­le­gen­den System­wan­del errei­chen. Die Über­ent­wick­lung von Geld­ver­mö­gen und Schul­den samt der sich daraus erge­ben­den Auswir­kun­gen ist keine Folge wirt­schaft­li­cher Leis­tung. Umge­kehrt wird ein Schuh draus. Um den Umwelt­schutz in Einklang mit sozia­lem Frie­den zu brin­gen, muss die auto­ma­ti­sche Zunah­me von Geld­ver­mö­gen durch andere Regeln im Geld­sys­tem been­det werden. Dann lassen sich Wege finden, wie ein gutes Leben für alle, einge­bet­tet in einen nach­hal­ti­gen ökolo­gi­schen Entwick­lungs­pro­zess, verwirk­licht werden kann.
– - -
Krieg und Wahr­heit – Günther Moewes – Obwohl in Kriegs­zei­ten sich niemand gewiss sein kann, was Infor­ma­ti­on und was Propa­gan­da ist, etablie­ren sich dennoch feste Überzeugungen.
Wer hätte ahnen können, dass es fried­lie­ben­de Menschen einmal so schwer haben könn­ten, wie derzeit? Mit Meinun­gen und Beiträ­gen, die Waffen­lie­fe­run­gen in Frage stel­len oder versu­chen, ein Bild der Gesamt­la­ge zu zeich­nen, mit dem das vorherr­schen­de Gut-und-Böse-Schema ange­zwei­felt wird, kann man sich nicht nur schwers­ter Kritik ausge­setzt sehen. Auto­ma­tisch wird man zu einem russi­schen Propa­gan­dis­ten. Man muss um seine Repu­ta­ti­on fürch­ten, denn die Medien, sozia­le, wie etablier­te aus Print, Funk und Fern­se­hen, können erbar­mungs­los sein.
Günther Moewes wagt es dennoch. Er trägt Fakten zusam­men, setzt sie in einen zeit­li­chen Zusam­men­hang und versucht aufzu­zei­gen, dass es einen Weg zum Frie­den gäbe, könnte man nur Fehler einge­ste­hen, die lange vor Beginn der Eska­la­ti­on gemacht wurden.
– - -
Haifisch­be­cken mit verein­zel­ten Tinten­fi­schen – Wilfried Deiß – Dieser Tage sorgt der Fall eines Cyber-Angriffs auf die Daten der Kran­ken­ver­si­che­rung BARMER für Aufse­hen. Dabei wurden sensi­ble Versi­cher­ten­da­ten an einen exter­nen IT-Dienst­leis­ter ausge­la­gert, der Ziel der Atta­cke wurde. An diesem Fall wird deut­lich, welche Gefah­ren die zuneh­men­de Digi­ta­li­sie­rung in allen Berei­chen birgt. Anstatt ein akti­ves Risi­ko­ma­nage­ment zu betrei­ben, verlässt man sich auf eine gegen­über Angrif­fen anfäl­li­ge Struk­tur im Umgang mit Daten.
Wilfried Deiß beleuch­tet in diesem Beitrag die nun vor der Einfüh­rung stehen­de ePati­en­ten­ak­te. Der Autor sieht die Gefah­ren bei der Nutzung haupt­säch­lich in Bezug auf den Schutz der persön­li­chen Gesund­heits­da­ten und die Möglich­keit, dass diese Daten Forschungs­zwe­cken dienen, ohne dass der Pati­ent dem ausdrück­lich zustimmt. Einmal öffent­lich gewor­de­ne Kran­ken­ak­ten können nicht mehr aus der Welt geschafft werden, mit unab­seh­ba­ren Folgen für Betrof­fe­ne, die ein Leben lang oder sogar über Gene­ra­tio­nen hinweg nach­wir­ken können.
– - -
Die Frei­wirt­schaft und die Keim­zel­len der Zukunft – Rezen­si­on von Markus Henning – Im Band 41 der Schrif­ten­rei­he der Freien Akade­mie e. V. sind Vorträ­ge und Diskus­si­ons­er­geb­nis­se zusam­men­ge­tra­gen, die auf die wissen­schaft­li­che Jahres­ta­gung 2022 zum Thema „Nach­hal­tig­keit – wie kann sie gelin­gen“ zurück­ge­hen. Markus Henning fasst in seiner Rezen­si­on die Beiträ­ge der Autorin­nen und Autoren poin­tiert zusam­men. Dabei umrahmt er die Zusam­men­fas­sung mit dem Grund­ge­dan­ken, den die Freie Akade­mie e. V. der Tagung voran­ge­stellt hat: Will man dem Total­kol­laps der Biosphä­re entge­hen, so braucht es einen umge­hen­den selbst­or­ga­ni­sier­ten Wandel, der sich auf einer sozial-ökolo­gi­schen Gegen­kul­tur, auf konzep­tio­nel­le Diskur­se und auf inter­dis­zi­pli­nä­rem Austausch gründet.
In diesem Sinne stellt Henning den Band 41 als Zeichen einer gedank­li­chen Such­be­we­gung dar: Indem er betont, dass es keine „Blau­pau­se“ und keine „histo­ri­schen Vorbil­der“ gibt, um eine nach­hal­ti­ge Zukunft zu gestal­ten, resü­miert er, dass ein viel­schich­ti­ger, dezen­tra­ler Prozess einset­zen muss, um den histo­ri­schen „Epochen­wan­del“ zu voll­zie­hen. Die Beiträ­ge der Autoren lassen erah­nen, welche viel­sei­ti­gen Möglich­kei­ten zur Nach­hal­tig­keit es gibt für jeden einzel­nen der Gesell­schaft, der sich auf den Weg zur Verän­de­rung machen möchte. „Der Tagungs­band Nach­hal­tig­keit atmet diese Aufbruchsstimmung.“
– - -
Von Mani­pu­la­ti­on und Maku­la­tu­ren – Pat Christ – Der Mani­pu­la­ti­on von Meinun­gen stehen im 21. Jahr­hun­dert eine Viel­zahl von Möglich­kei­ten zur Verfü­gung. Heut­zu­ta­ge ist schwer, Täuschungs­ma­nö­ver zu durch­schau­en. Die Autorin bezieht sich unter ande­rem auf Jens Werni­cke, der durch seine Forschungs­ar­beit Einblick in Stra­te­gien gibt, die verwen­det werden, um für die Akzep­tanz von Mili­tär­aus­ga­ben und Kriegs­ein­sät­zen bei der Bevöl­ke­rung zu sorgen. Dabei spie­len Medien eine bedeu­ten­de Rolle. Durch Erzeu­gen von Emotio­nen lassen sich Ängste schü­ren und sach­li­cher Aufklä­rung und offe­ner Erör­te­rung darüber, was wirk­lich ist, aus dem Weg gehen. Dies hat einen mani­pu­la­ti­ven Effekt. In Gesprä­chen mit weite­ren Exper­ten beleuch­tet die Autorin das Feld bewuss­ter und unbe­wuss­ter Metho­den des Einsat­zes von Sprach­re­ge­lun­gen zur Beein­flus­sung von Meinun­gen bei Medi­en­kon­su­men­ten. Das hat auch Folgen für den Staat. Das Vertrau­en in ihn, seine handeln­den Perso­nen und Insti­tu­tio­nen, schwin­det laut aktu­el­len Umfra­gen auf ein besorg­nis­er­re­gen­des Tief.
– - -
Neun-Euro-Deutsch­land – Stefan Nold – Das „Neun-Euro-Ticket“ von Juni bis August 2022 sollte ein Anreiz für den Umstieg auf den öffent­li­chen Perso­nen­nah­ver­kehr sein. Dadurch könnte der Verbrauch fossi­ler Kraft­stof­fe redu­ziert und ein Beitrag zum Umwelt­schutz geleis­tet werden. Die Bewer­tung dieser Ziele fiel sehr unter­schied­lich aus. Jenseits dessen ereig­ne­ten sich in dem Zusam­men­hang viele Episo­den für Menschen, die Reisen unter­nah­men, auf die sie unter „norma­len“ Bedin­gun­gen hätten verzich­ten müssen.
„Neun-Euro-Deutsch­land“! In diesem aufre­gen­den Bericht beglei­ten Sie Stefan Nold und Filome­na auf ihrer Reise nach Düssel­dorf und erfah­ren von ihren span­nen­den Erleb­nis­sen in Portu­gal. Tauchen Sie ein in ihre Aben­teu­er und lassen Sie sich von Erin­ne­run­gen inspirieren .
– - -
Mehr online
– - –