Es gibt keine richtige Geldpolitik in der falschen – Florian Kern
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Erratum: Im vorherigen Geldbrief haben wir erklärt, weshalb die Vorstellung, dass die Zentralbank nicht die Zinsen, sondern die Geldmenge steuert, falsch ist. Aufmerksame Leser haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass die Geldmengensteuerung der Bundesbank jedoch nicht erst wie von uns geschrieben mit Verkündung der Strategie 1974 begann, sondern direkt nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems 1973. Der Geschäftsbericht der Bundesbank von 1973 zeigt, wie die Bundesbank zu Beginn des Jahres tatsächlich über mehrere Monate versuchte, die Zentralbankgeldmenge zu steuern und dabei Zinsen von über 20 % und in einem Fall sogar über 40 % die Folge waren. Schon im November 1973 stellte man dann jedoch wieder ausreichend Geld zur Verfügung, wenn die Zinsen unerwünscht anzusteigen drohten, und verabschiedete sich damit implizit von der Idee, nicht über den Preis (Zinsen), sondern über die Geldmenge Geldpolitik zu betreiben, wobei nach außen hin weiter kommuniziert wurde, man steuere das Preisniveau über die Geldmenge.
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Volleinkommen
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Die europäischen Fiskalregeln und auch das Verbot für Primärmarktankäufe durch die Zentralbanken sind nur zu verstehen, wenn man die historischen Begleittexte zur Entstehung der Währungsunion liest und den damaligen Stand der geldpolitischen Debatte versteht. Wir haben das für Euch getan. Das Ergebnis zeigt: Aus den europäischen Verträgen kann kein Verbot von Sekundärmarktankäufen zur Begrenzung geldpolitisch unerwünschter Zinsaufschläge durch die EZB abgeleitet werden. Im Gegenteil gibt es sehr gute Gründe aktiv zu werden.
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Der spätere Präsident des Europäischen Währungsinstituts, dem Vorläufer der EZB, Alexandre Lamfalussy, hat bereits im Januar 1989 einen Aufsatz vorgelegt zum Thema „Macro-coördination of fiscal policies in an economic and monetary union in Europe“. In diesem erklärt Lamfalussy unter anderem, dass Mitgliedsstaaten einer Währungsunion mit weiterhin nationaler Fiskalpolitik einen Anreiz zu verstärkten Defiziten hätten (bias towards a lack of fiscal restraint), da die resultierende Inflation an die anderen Mitgliedsstaaten externalisiert werden könne. Parallel dazu arbeitete die Delors-Kommission unter dem Vorsitz des damaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Delors, und auf Auftrag des Rats der Staats- und Regierungschefs daran, „konkrete Etappen zur Verwirklichung dieser Union zu prüfen und vorzuschlagen“. Lamfalussys Ideen wurden aufgegriffen und der im Juni 1989 vorgelegte Delors-Bericht erklärte, wie schon zuvor Lamfalussys Aufsatz, dass makrofinanzielle Koordinierung und Fiskalregeln notwendig sind, um Preisstabilität zu erreichen.
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In seinem Buch über die Entstehungsgeschichte des Euros erklärte der spätere Bundesbankpräsident Tietmeyer, der intensiv in die Vorbereitungen zur Errichtung der Währungsunion eingebunden war, dass unter den Notenbankpräsidenten und Finanzministern 1990 in dieser Frage absolute Einigkeit bestand: „Ein Mindestmaß an nachhaltiger Fiskaldisziplin der ansonsten in ihrer internen Wirtschafts- und Finanzpolitik weitgehend autonom bleibenden Mitgliedsstaaten ist in einer Währungsunion unerlässlich als Schutz vor möglichen negativen Spill-Over-Effekten für die stabilitätsorientierten Mitgliedsländer und auch als Absicherung der politischen Autonomie des ESZB gegen destabilisierende Einflüsse der nationalen Politiken“.
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So sehr Einigkeit in der Frage bestand, dass Fiskalregeln notwendig sind, so sehr wurde über deren konkrete Ausgestaltung debattiert. Und das auch zurecht: Denn schließlich greifen Fiskalregeln in das Königsrecht der Parlamente der Mitgliedsstaaten ein, obwohl die Haushaltspolitik explizit in der Autonomie der Mitgliedsstaaten verbleiben sollte. Schon das Subsidiaritätsprinzip gebietet, dass ein durch Fiskalregeln bedingter Eingriff in diesen Kernbereich staatlicher Souveränität nur minimal invasiv und nur in dem Maße erfolgen darf, wie er unbedingt notwendig ist, um das gemeinschaftliche Ziel – Preisstabilität – zu erreichen.
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Dass Subsidiarität auch beim Entwurf der Satzung des Eurosystems ein Leitgedanke war, beschreibt Tietmeyer an anderer Stelle seines Buchs: „Die geldpolitische Entscheidungskompetenz musste vorbehaltlos auf die Unionsebene übertragen und durch den unabhängigen EZB-Rat wahrgenommen werden. Auf französischen Wunsch haben wir uns bei der Aufgabenverteilung aber darauf verständigt, in der Satzung den Grundsatz festzulegen, dass die EZB im Sinne des Subsidiaritätsprinzips bei der Durchführung von ESZB-Geschäften die nationalen Zentralbanken in Anspruch nehmen sollte, ‚soweit dies möglich und sachgerecht erscheint‘ (Artikel 12.1 der ESZB-Satzung).“
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Erratum: Im vorherigen Geldbrief haben wir erklärt, weshalb die Vorstellung, dass die Zentralbank nicht die Zinsen, sondern die Geldmenge steuert, falsch ist. Aufmerksame Leser haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass die Geldmengensteuerung der Bundesbank jedoch nicht erst wie von uns geschrieben mit Verkündung der Strategie 1974 begann, sondern direkt nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems 1973. Der Geschäftsbericht der Bundesbank von 1973 zeigt, wie die Bundesbank zu Beginn des Jahres tatsächlich über mehrere Monate versuchte, die Zentralbankgeldmenge zu steuern und dabei Zinsen von über 20 % und in einem Fall sogar über 40 % die Folge waren. Schon im November 1973 stellte man dann jedoch wieder ausreichend Geld zur Verfügung, wenn die Zinsen unerwünscht anzusteigen drohten, und verabschiedete sich damit implizit von der Idee, nicht über den Preis (Zinsen), sondern über die Geldmenge Geldpolitik zu betreiben, wobei nach außen hin weiter kommuniziert wurde, man steuere das Preisniveau über die Geldmenge.
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Die europäischen Fiskalregeln und auch das Verbot für Primärmarktankäufe durch die Zentralbanken sind nur zu verstehen, wenn man die historischen Begleittexte zur Entstehung der Währungsunion liest und den damaligen Stand der geldpolitischen Debatte versteht. Wir haben das für Euch getan. Das Ergebnis zeigt: Aus den europäischen Verträgen kann kein Verbot von Sekundärmarktankäufen zur Begrenzung geldpolitisch unerwünschter Zinsaufschläge durch die EZB abgeleitet werden. Im Gegenteil gibt es sehr gute Gründe aktiv zu werden.
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Der spätere Präsident des Europäischen Währungsinstituts, dem Vorläufer der EZB, Alexandre Lamfalussy, hat bereits im Januar 1989 einen Aufsatz vorgelegt zum Thema „Macro-coördination of fiscal policies in an economic and monetary union in Europe“. In diesem erklärt Lamfalussy unter anderem, dass Mitgliedsstaaten einer Währungsunion mit weiterhin nationaler Fiskalpolitik einen Anreiz zu verstärkten Defiziten hätten (bias towards a lack of fiscal restraint), da die resultierende Inflation an die anderen Mitgliedsstaaten externalisiert werden könne. Parallel dazu arbeitete die Delors-Kommission unter dem Vorsitz des damaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Delors, und auf Auftrag des Rats der Staats- und Regierungschefs daran, „konkrete Etappen zur Verwirklichung dieser Union zu prüfen und vorzuschlagen“. Lamfalussys Ideen wurden aufgegriffen und der im Juni 1989 vorgelegte Delors-Bericht erklärte, wie schon zuvor Lamfalussys Aufsatz, dass makrofinanzielle Koordinierung und Fiskalregeln notwendig sind, um Preisstabilität zu erreichen.
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In seinem Buch über die Entstehungsgeschichte des Euros erklärte der spätere Bundesbankpräsident Tietmeyer, der intensiv in die Vorbereitungen zur Errichtung der Währungsunion eingebunden war, dass unter den Notenbankpräsidenten und Finanzministern 1990 in dieser Frage absolute Einigkeit bestand: „Ein Mindestmaß an nachhaltiger Fiskaldisziplin der ansonsten in ihrer internen Wirtschafts- und Finanzpolitik weitgehend autonom bleibenden Mitgliedsstaaten ist in einer Währungsunion unerlässlich als Schutz vor möglichen negativen Spill-Over-Effekten für die stabilitätsorientierten Mitgliedsländer und auch als Absicherung der politischen Autonomie des ESZB gegen destabilisierende Einflüsse der nationalen Politiken“.
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So sehr Einigkeit in der Frage bestand, dass Fiskalregeln notwendig sind, so sehr wurde über deren konkrete Ausgestaltung debattiert. Und das auch zurecht: Denn schließlich greifen Fiskalregeln in das Königsrecht der Parlamente der Mitgliedsstaaten ein, obwohl die Haushaltspolitik explizit in der Autonomie der Mitgliedsstaaten verbleiben sollte. Schon das Subsidiaritätsprinzip gebietet, dass ein durch Fiskalregeln bedingter Eingriff in diesen Kernbereich staatlicher Souveränität nur minimal invasiv und nur in dem Maße erfolgen darf, wie er unbedingt notwendig ist, um das gemeinschaftliche Ziel – Preisstabilität – zu erreichen.
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Dass Subsidiarität auch beim Entwurf der Satzung des Eurosystems ein Leitgedanke war, beschreibt Tietmeyer an anderer Stelle seines Buchs: „Die geldpolitische Entscheidungskompetenz musste vorbehaltlos auf die Unionsebene übertragen und durch den unabhängigen EZB-Rat wahrgenommen werden. Auf französischen Wunsch haben wir uns bei der Aufgabenverteilung aber darauf verständigt, in der Satzung den Grundsatz festzulegen, dass die EZB im Sinne des Subsidiaritätsprinzips bei der Durchführung von ESZB-Geschäften die nationalen Zentralbanken in Anspruch nehmen sollte, ‚soweit dies möglich und sachgerecht erscheint‘ (Artikel 12.1 der ESZB-Satzung).“
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