Ketzerische Gedanken zum Problem der Machtverteilung – Siegfried Wendt
1. Zur Motivation
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In der Ausgabe 02/2021 der Zeitschrift HUMANE WIRTSCHAFT findet man etliche Aufsätze, in denen Änderungen der Regeln unseres Wirtschaftslebens vorgeschlagen werden mit dem Ziel, die verlorengegangene soziale Gerechtigkeit wieder herzustellen. Die Titel dieser Aufsätze sind:
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Marktwirtschaft ohne Kapitalismus
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Geld – Vom sozialen Sprengstoff zum sozialen Integrationsmittel
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Vom globalen zum lokalen Wirtschaften
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Soziale Gerechtigkeit und die Sehnsucht nach Identität
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Das Gemeinschaftsgeld COMMON: Der Weg zu einer freien Gesellschaft
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Beim Lesen dieser Aufsätze drängte sich mir die Frage auf, unter welchen Bedingungen und wie weit in der Zukunft denn die darin gewünschten Zustände realisiert sein könnten. Selbstverständlich kann ich nicht erwarten, dass ich mit meinen über achtzig Jahren diese Zustände noch erleben darf. Aber haben wenigstens meine Enkel oder Urenkel eine reale Chance, diese Zustände zu erleben, oder können auch sie nur hoffen, dass ihre eigenen Enkel oder Urenkel in den Genuss der gewünschten sozialen Gerechtigkeit kommen werden?
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Da die aktuellen Zustände, um deren drastische Änderung es hier geht, das Ergebnis der weltweiten Machtverteilung der letzten Jahrzehnte sind, kann die gewünschte soziale Gerechtigkeit nicht erreicht werden, solange die Machtverteilung nicht grundlegend geändert wird. Dabei bezeichnet Macht die Gesamtheit der Mittel und Kräfte, die einer Person oder einer Gruppe von Personen anderen Personen gegenüber zur Verfügung stehen, um ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen oder zu verhindern.
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2. Das grundsätzliche Problem einer Machtverteilung
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Jede Art von Machtverteilung ist immer mit der Schwierigkeit verbunden, dass der Weg vom Auftreten eines Problems bis zu den Aktionen zu seiner Lösung so lang werden kann, dass die Aktionen zu spät kommen. Je mehr Personen an einem Entscheidungsprozess beteiligt sind, umso länger dauert es, bis der Prozess einen Zustand erreicht hat, den alle Beteiligten als Ende akzeptieren. Das bedeutet nicht unbedingt, dass nun alle Beteiligten mit der Entscheidung zufrieden sind, sondern es bedeutet nur, dass nun niemand mehr glaubt, durch eine Verlängerung des Prozesses zu einer in seiner Sicht besseren Entscheidung kommen zu können.
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Diese Schwierigkeit darf jedoch nicht dadurch vermieden werden, dass man auf jegliche Machtverteilung verzichtet und die Macht einer einzigen Person überträgt. Die vielen historischen Katastrophen, deren Ursache immer eine fehlende Machtverteilung war, sind Grund genug, eine Alleinherrschaft auf jeden Fall auszuschließen. Es gibt leider immer wieder Bürger, die vom „starken Mann“ träumen, aber die Gefahr, dass ein solcher dann doch wieder wie Hitler, Stalin, Franco, Pinochet oder Lukaschenko handeln würde, ist viel zu groß. Auch eine Einparteienregierung à la China ist nicht besser – vielleicht sogar schlimmer.
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Diese Überlegungen führen zu der Erkenntnis, dass als akzeptables Prinzip der Machtverteilung nur die Demokratie in Frage kommt. Das Wesen der Demokratie besteht darin, dass politische Macht nicht vererbt wird, sondern in gesetzlich festliegenden Zeitabständen durch Wahlentscheidungen der Bürger zugeteilt wird. Der Begriff Demokratie erlaubt durchaus sehr viele unterschiedliche Formen der Machtverteilung, so dass erst eine Verfassung festlegen muss, wie die Machtverteilung konkret gestaltet sein soll. Bei jeder Art demokratischer Machtverteilung gibt es aber immer die sogenannte Gewaltenteilung (siehe Tabelle 1).
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