Margrit Kennedy – Buchrezension von Volker Freystedt
Peter Krause:
„Margrit Kennedy – Architektin für Ökologie, komplementäre Geldsysteme und soziale Gerechtigkeit“ Oekom Verlag, München 2020, Paperback, 232 Seiten, 26,00 € ISBN 978–3‑96238–202‑5
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Dies Buch ist eine Mischung aus Biographie und Autobiographie, denn Peter Krause hatte das Glück, nicht nur anhand ihm zur Verfügung stehender Quellen über Margrit Kennedy schreiben zu können, sondern auch aus reichhaltig vorhandenen Notizen Margrit selbst zu Wort kommen zu lassen. Abrundend stand ihm noch Margrits Ehemann Declan Kennedy zur Verfügung.
Margrit Kennedys Lebensweg ist einerseits exemplarisch für die in der Zeit des 2. Weltkriegs Geborenen, andererseits aber auch nicht, da er sehr von ihrer offenen, selbstbewussten und grenzenauflösenden Art geprägt wurde.
Kurz nach Deutschlands Überfall auf Polen in Chemnitz als Margrit Hübner geboren wurde, erlebte sie Zerstörung und Flucht nach Kassel, wo sie in zunächst ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Aber es ging aufwärts, und ihr Optimismus ließ sie daran glauben, dass alles möglich ist.
Ihre Aufgeschlossenheit führte sie immer wieder zu neuen Themen (hier war das Umfeld der Kasseler Documenta sehr inspirierend) und zu interessanten Begegnungen. So war sie nicht nur eine der wenigen Frauen, die Architektur studierten, sondern sie erhob später auch den Anspruch auf Anerkennung einer „weiblichen Architektur“. Sehr früh lernte sie Declan Kennedy kennen, und für beide war bald klar, dass dies nicht nur die große Liebe war, sondern dass ihre Beziehung für beide eine enorme Bereicherung sein konnte. Obwohl Margrit bereits mit 22 Jahren Mutter wurde, dachte sie nie daran, deshalb ihr Studium und die damit verbundenen Visionen aufzugeben.
Trotz oft großer Entfernungen zwischen den Ehepartnern (es gab nicht nur gemeinsame Aufenthalte in USA, Australien, Afrika, sondern auch viele getrennte Reisen zu Kongressen und Projekten) fanden sie immer wieder Gelegenheiten zu gemeinsamem Reflektieren – und zu neuen, teilweise radikalen Schritten. Dazu gehörten häufige Umzüge; und als es so gut wie sicher schien, dass sie nach Australien auswandern würden (davor war es beinahe die griechische Insel Hydra geworden, wo sie ein Ferienhaus hatten), ergab sich dann durch das, was man gerne als „Zufall“ bezeichnet, eine völlig unerwartete Gelegenheit, ihr Lieblingsprojekt in Deutschland zu verwirklichen: eine ökologische Siedlung zu gründen! Das war die Siedlung in Steyerberg nahe Hannover. Mit solchen „Zufällen“ ging es weiter, und immer wenn sich ein neuer Schwerpunkt in den Fokus schob, tauchten auch die dazu passenden Ideengeber auf: Bill Mollison zum Thema Permakultur; Helmut Creutz zum Thema Geldsystem; Bernard Lietaer bei den Komplementärwährungen. Zufall? Irgendwann sah Margrit selbstironisch ein: „In diesem Moment hörte ich … die Engel lachen.… ‚Die meint immer, sie könnte alles mit ihrem Verstand auf die Reihe kriegen, … der haben wir jetzt mal richtig gezeigt, wer hier die Richtung bestimmt. ‘ Ja, das hatten sie.“
In Steyerberg stand Margrit und Declan Kennedy die ganze Palette an Arbeitsfeldern zur Verfügung: Haus- und Siedlungsgestaltung, ökologische Landwirtschaft, Seminare über Geld- und Bodenordnung, die Formung einer Gemeinschaft, Kunst und Spiritualität – alles wollte miteinander verknüpft werden. Ganz klar, dass es dabei nicht immer ohne Konflikte abging und teilweise auch bis zur gesundheitlichen Überforderung. Doch letztlich wurden der Einsatz und die Ausdauer belohnt.
Die Kennedys interessierten sich aber auch für andere Projekte auf der Welt, von denen sie lernten und die sie mit ihren Erfahrungen unterstützten, z. B. das Creditos-System in Argentinien, das Sekem-Projekt in Ägypten, verschiedene Regionalwährungen in Deutschland.
Wenn Margrit sich auf ein Thema stürzte, gelang es ihr sehr schnell, die Zusammenhänge zu analysieren. Sie konnte nicht nur wissenschaftliche Arbeiten schreiben (wie ihre Doktorarbeit über „Community Schools“), sondern auch auf das Wesentliche reduzierte und leicht verständliche Bücher über alternative Geldsysteme, mit denen sie weltweit ein großes Publikum erreichte. „Geld ohne Zinsen und Inflation“ war ihr erstes Buch, später folgte „Occupy Money“; dazwischen „Regionalwährungen“ zusammen mit Bernard Lietaer.
So sehr Margrit ihrer Wahrnehmung vertraute, so bereitwillig sie sich von neuen Einsichten mitreißen ließ, so sehr konnte sie auch andere Menschen inspirieren. Wenn sie für etwas brannte, dann verursachte sie einen regelrechten Funkenflug, durch den viele Menschen in ihrem Umfeld ebenfalls Feuer fingen. Und sie war ein warmherziger Mensch, der das Potenzial bei anderen erkannte, förderte und ihnen Erfolge gönnte.
Ihr selbst waren weitere Erfolge nicht vergönnt – sie starb am 28. Dezember 2013 mit 74 Jahren nach einem wahrlich gelebten Leben!
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