Die Macht explodiert – Pat Christ
Oligopole schaden sowohl in wirtschaftlicher als auch in demokratischer Hinsicht
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Der Traum wäre eine gerechte Verteilung von Geld und von Gütern. Doch von diesem Traum entfernen wir uns mehr und mehr. In immer rasanterem Tempo. Viele Menschen überschulden sich derzeit. Viele werden ärmer. Während andere immer schneller und immer stärker an Reichtum, Macht und Einfluss gewinnen.
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Das liegt daran, dass Gewinnmaximierung nach wie vor und in vielen Feldern über alles geht. Letztlich liegt es an einem menschen- und naturfeindlichen Kapitalismus, der die Bildung von Monopolen oder Oligopolen befördert. Mit Marktwirtschaft hat unser Wirtschaftssystem global betrachtet immer weniger zu tun.
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Einer, der das Monopolkapital schon früh vehement anprangerte, war der Journalist Eckart Spoo, der am 15. Dezember 2016 kurz vor seinem 80. Geburtstag starb. Vor allem die „Medienmonopolmacht“ war dem ehemaligen Bundesvorsitzenden der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) ein Dorn im Auge. „Macht in unserer Zeit ist – sprechen wir es doch bitte deutlich aus – monopolkapitalistische Macht“, leitete er einen Aufsatz ein, der im 2005 veröffentlichten Sammelband „Beharrlich gegen die Macht“ publiziert wurde. Als monopolkapitalistische Macht wolle sie sich aber meist nicht zu erkennen geben.
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Medien haben damals wie heute den Anspruch von Pluralismus und Autonomie, doch die Realität sieht nicht so aus. Spoo zeigte auf, wie Medien mit Industriellen und Regierenden „bei der Brutalisierung kapitalistischer Ausbeutung“ durch die Hartz-Reformen der rot-grünen Regierung ab 1998 zusammenwirkten. Das Monopolkapital habe damals an Macht zugenommen: „Gerade weil die Teile des Volkes, die am stärksten enteignet und entrechtet wurden, im Vertrauen auf Rot-Grün als ihre vermeintliche Interessenvertretung auf Widerstand verzichteten.“ Die Konzernmedien hätten dafür gesorgt, dass der rot-grüne Anschein wahrgenommen wurde: „Nicht die Realität.“
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Wachsende Dominanz
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Schon lange haben wir eine kapitalistische Wirtschaftsordnung. Doch nie zuvor hatte sie solche Blüten getrieben wie dieser Tage. Vor allem die digitale Welt, konstatiert die Organisation „LobbyControl“, werde von wenigen Großkonzernen dominiert: Amazon, Meta, Google.
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Das am 5. Juli 1994 gegründete Unternehmen Amazon hatte vor allem in der Corona-Krise profitiert. Im dritten Quartal 2020 verzeichnete das digitale Oligopol laut Statista einen Umsatz von 86,5 Milliarden US-Dollar. Und das war erst der Anfang des Siegeszugs.
Als der Versandhandel boomte, weil die Geschäfte dicht gemacht wurden, konnte Amazon seinen Umsatz in enorme Höhen steigern. Im dritten Quartal 2023 lag er laut Statista bereits bei rund 143 Milliarden US-Dollar. So viel Macht ist sowohl wirtschaftlich als auch politisch gefährlich, warnt LobbyControl. Tech-Konzerne könnten die Regeln weitgehend nach Belieben bestimmen. Ob beim Online-Shopping oder in den sozialen Medien: „Diese Monopolmacht untergräbt unsere Demokratie.“
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In der Tat werfen Oligopole mit ihrem kontinuierlichen Machtzuwachs die Frage nach dem Wert der Wahlberechtigung auf. „Marktmächtige Unternehmen können sich genehme Politik ‚kaufen‘“, bestätigt auf Anfrage der „HUMANEN WIRTSCHAFT“ Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. In den USA habe es deshalb Ende des 19. Jahrhunderts die Einsicht gegeben, dass es für die Demokratie schädlich ist, wenn wenige Unternehmer eine überragende Marktmacht auf sich vereinen.
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Deutschland wiederum habe Ende des 19. Jahrhunderts wirtschaftliche Zusammenschlüsse und damit Marktkonzentrationen und Kartelle zugelassen. Rusche: „Was wohl auch zum Aufstieg des Nationalsozialismus beigetragen hat.“ Anstatt viele kleine Unternehmen gleichzuschalten, konnte man bei wenigen großen Unternehmen leicht schnell Einfluss erlangen.
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Seit wir in einer Industriegesellschaft leben, haben wir es mit dem Problem der Monopolisierung zu tun. Bereits 1880 verabschiedeten Senat und Repräsentantenhaus in den USA den „Sherman Antitrust Act“ als erstes Gesetz gegen Monopolisten. Damals verloren im Zuge der Industrialisierung immer mehr Landarbeiter ihre Jobs, immer mehr Kapital konzentrierte sich bei Konzern wie Standard Oil. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das marktfreundliche Konzept der USA auf Deutschland übertragen. „Mittlerweile sind die USA eher duldsamer als die Europäische Union, was Marktkonzentration anbelangt, siehe Meta, Amazon, Alphabet und Microsoft“, so Christian Rusche.
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„LobbyControl“ sucht aktuell Mitstreiter für die Umsetzung einer ambitionierten Idee: Amazon soll zerschlagen werden. „Zerschlagung“, räumt man ein, klinge zunächst radikal: „Doch wenn Machtanballung nicht mehr kontrollierbar ist und unsere Demokratie untergräbt, brauchen wir eine wirksame Lösung.“ Nachdem es kaum gelinge, Amazon wirkungsvoll zu regulieren, müssten die Strukturen infrage gestellt werden: „Es ist an der Zeit, die Machtkonzentration selbst zu beseitigen.“ In den USA seien diese Diskussionen bereits im Gange. Mit einem Gutachten will „LobbyControl“ zeigen, dass es auch hierzulande rechtlich möglich ist, die Macht von Amazon zu zerschlagen.
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