Wildcat-Banking – Free Banking in Geschichte und Gegenwart – Gerhard Senft

Seit dem Herein­bre­chen der globa­len Wirt­schafts­kri­se 2008 ist vieles in Bewe­gung gera­ten. Der Diskurs über mone­tä­re Themen hat sich spür­bar inten­si­viert. Zu keiner Zeit seit dem Zwei­ten Welt­krieg war die Inno­va­ti­ons­häu­fig­keit auf dem Geld- und Finanz­sek­tor derart hoch wie in den vergan­ge­nen zehn Jahren (wobei die aben­teu­er­lich anmu­ten­de „Produkt­viel­falt“ des Banken­sek­tors hier natür­lich nicht gemeint ist). Die Idee eines gezielt einge­setz­ten Nega­tiv­zin­ses, vor nicht allzu langer Zeit noch milde belä­chelt, ist in der ökono­mi­schen Reali­tät ange­kom­men. Nach­dem immer mehr Menschen finan­zie­ren wollen, was ihnen gefällt, erfährt das Crowd­fun­ding wach­sen­den Zuspruch. Ein wahres Rauschen im Blät­ter­wald hat jedoch der Aufstieg der Kryp­to­wäh­run­gen ausge­löst. Beson­ders ins Blick­feld geriet in dem Zusam­men­hang der Bitco­in. Als digi­ta­le Währungs­ein­heit entstand der Bitco­in verbun­den mit dem Ziel, ein von Zentral- und Geschäfts­ban­ken bzw. sons­ti­gen Inter­me­diä­ren unab­hän­gi­ges elek­tro­ni­sches Zahlungs­sys­tem zu schaf­fen (König 2015). Erst­mals vorge­stellt wurde das Konzept 2008 von einer Person bzw. einer Gruppe mit dem Pseud­onym Sato­shi Naka­mo­to in „Bitco­in: A Peer-to-Peer Elec­tro­nic Cash System“. Die Geld­schöp­fung erfolgt hier­bei durch so genann­tes „Mining“, indem mittels Compu­ter komple­xe Rechen­ope­ra­tio­nen ausge­führt werden. Das System basiert auf einem dezen­tra­len Peer-to-Peer-Netz­werk, ähnlich dem, das bereits im Rahmen der Musik­tausch­bör­se Naps­ter zum Einsatz gekom­men war. Durch eine spezi­el­le Soft­ware ist es den teil­neh­men­den Perso­nen möglich, unter­ein­an­der auf Datei­en ihrer Rech­ner zuzugreifen.
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Eine wesent­li­che Neue­rung stellt die Block­chain-Tech­no­lo­gie dar (Hilger 2015, 36 f.). Hier­bei handelt es sich um ein kryp­to­gra­fi­sches Verfah­ren, das unver­än­der­ba­re, laufend aktua­li­sier­te Aufzeich­nun­gen sowie siche­re Über­wei­sun­gen gewähr­leis­tet. Man kann sich die Block­chain als eine lange Kette von Daten vorstel­len, die durch das Errech­nen neuer Blöcke bestän­dig anwächst und die unter den am Prozess der Geld­schöp­fung betei­lig­ten Clients verteilt wird. Sämt­li­che Bitco­in-Trans­ak­tio­nen, die jemals in dem Netz­werk getä­tigt wurden, sind in der Block­chain enthal­ten. Die Daten­über­tra­gung erfolgt zwischen den handeln­den Perso­nen codiert, sodass keine Iden­ti­tät preis­ge­ge­ben wird. Voraus­set­zung für die Nutzung von Bitco­ins ist, sich über eine entspre­chen­de Soft­ware ein „Wallet“ anzu­le­gen. Der Bitco­in ist handel­bar, auch ein Umtausch in herkömm­li­ches Papier­geld ist möglich, wobei sich der Kurs­wert aus Ange­bot und Nach­fra­ge ergibt. Vortei­le der digi­ta­len Währung sind, dass sie, die Währung, einen raschen, kosten­güns­ti­gen, direk­ten und siche­ren Austausch ermög­licht und dass sie von der Ausga­be­men­ge her limi­tiert ist, da durch die zuneh­men­de Komple­xi­tät der Rechen­ope­ra­tio­nen beim Schöp­fungs­pro­zess eine natür­li­che Grenze gesetzt ist. Sie unter­liegt damit einem Infla­ti­ons­schutz, ähnlich wie es bei einem Edel­me­tall gege­ben ist.
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Abseits aller theo­re­ti­schen Erwä­gun­gen zeigt die Verbrei­tung des Bitco­in, dass es ohne zentra­le Auto­ri­tät möglich ist, neues Geld in Umlauf zu brin­gen und den Zahlungs­ver­kehr zu regeln. Mitt­ler­wei­le haben sich mehr als 100.000 Unter­neh­men welt­weit für eine Nutzung des Bitco­in entschie­den (Maier 2017, 32). Auch zahl­rei­che artähn­li­che Cyber­wäh­run­gen – einen Höhen­flug erleb­te inner­halb eines Jahres bis Mitte 2017 etwa der Ether – haben sich in Stel­lung gebracht (Huber 2017, 40 f.). Besorg­te Stim­men wenden gegen­über dem 2009 online gegan­ge­nen Bitco­in-Netz­werk ein, dass es krimi­nel­le Akti­vi­tä­ten förde­re und die Speku­la­ti­on anhei­ze. Derar­ti­ge Vorbe­hal­te sind nur schwer nach­zu­voll­zie­hen. Niemand würde nach der Spren­gung und Entlee­rung eines Geld­aus­ga­be­ge­rä­tes während einer Nacht-und-Nebel-Aktion daran denken, nun sämt­li­che Banko­ma­ten aus dem Verkehr zu ziehen. Und: zur Speku­la­ti­on ist vieles geeig­net, sogar die unschein­ba­re Tulpen­zwie­bel, wie uns die nieder­län­di­sche Wirt­schafts­ge­schich­te des frühen 17. Jahr­hun­derts lehrt. Das Gewächs selbst hat die Speku­la­ti­ons­bla­se übri­gens unbe­scha­det über­stan­den. Manche der Abwehr­hal­tun­gen erin­nern an vormo­der­ne Geis­tes­ver­fas­sun­gen, die im Gelde grund­sätz­lich eine Ausge­burt der Hölle erken­nen wollen. Geld ist aber kein Teufels­werk, sondern ein bewähr­tes Medium des Austauschs in Wirt­schaft und Gesell­schaft. Natür­lich ist bei allem Vorsicht gebo­ten, was extre­men Kurs­schwan­kun­gen ausge­setzt ist. Zu berück­sich­ti­gen bleibt jedoch, dass vieles im Zusam­men­hang mit den Kryp­to­wäh­run­gen noch in den Kinder­schu­hen steckt und dass die Verbrei­tung der Block­chain-Tech­no­lo­gie eben erst begon­nen hat. Exper­ten sind sich darüber einig, dass Bitco­in und Co. in der Zukunft nicht verschwin­den, sondern an Bedeu­tung massiv zule­gen werden (Urschitz 2017, 21).
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Kritik an der zentra­len Geldschöpfung
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Das Banken­sys­tem gilt als das Herz einer Volks­wirt­schaft. Es hat nicht nur dafür zu sorgen, dass das Geld an jene Stel­len gelangt, wo es am ertrag­reichs­ten zum Einsatz kommt, sondern dass es auch dort ankommt, wo es am meis­ten gebraucht wird. Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigte das Beispiel Grie­chen­lands, das als Folge der inter­na­tio­na­len Finanz­kri­se in die Schul­den­fal­le gera­ten war. Als klar wurde, dass Athen das gesam­te Volu­men der Ausstän­de nicht mehr zu stem­men imstan­de ist, soll­ten Kredi­te und Anlei­he­käu­fe verschie­de­ner Euro-Länder Entlas­tung brin­gen. Der Start der „Rettungs­ak­ti­on“ verlief jedoch mehr als holp­rig, der reich­lich spät durch­ge­setz­te „Schul­den­schnitt“ erwies sich als halb­her­zi­ge Maßnah­me. Doch das Schlimms­te von allem: Anstatt dem geplag­ten Land eine rasche Norma­li­sie­rung der wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se zu ermög­li­chen, ließen sich die Gläu­bi­ger­staa­ten die „Hilfe“ teuer bezah­len. Um wie vieles güns­ti­ger wäre es für Grie­chen­land gewe­sen, auf die von den Kredit­ge­bern gefor­der­ten Programm­auf­la­gen – die die grie­chi­sche Real­wirt­schaft nach­weis­lich schä­dig­ten – zu verzich­ten und die eige­nen wirt­schaft­li­chen Kräfte mittels einer neben dem Euro instal­lier­ten Paral­lel­wäh­rung zu mobi­li­sie­ren? Derar­ti­ge Konzep­te exis­tier­ten bereits in der Schub­la­de, doch die Gegner­schaft der betei­lig­ten zentra­lis­tisch agie­ren­den Insti­tu­tio­nen erwies sich als zu mächtig.

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