Reichtum und Macht in ganz wenigen Händen – Gero Jenner

Reich­tum und Macht in ganz weni­gen Händen – - –
Sandra Navidi führt nach Davos auf den Olymp der kapi­ta­lis­ti­schen Super-Hubs – - –
Eine tiefer gehen­de Buch­be­spre­chung von Gero Jenner – - – 

Eines doppel­ten Rekords darf die außer­or­dent­li­che Frau sich rühmen. Einer­seits hat Sandra Navidi es fertig­ge­bracht, das viel­leicht lang­wei­ligs­te Buch der Saison zu schrei­ben: eine Aufzäh­lung von Perso­nen, die sämt­lich nur Sche­men blei­ben, eine Anein­an­der­rei­hung von Orten und Super­la­ti­ven, die sich von einem Kapi­tel zum ande­ren auf ermü­den­de Art wiederholen.
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Dabei ist ihr aber ande­rer­seits etwas Einzig­ar­ti­ges gelun­gen: Sie ist bis zu den olym­pi­schen Höhen der mäch­tigs­ten und reichs­ten Männer vorge­drun­gen, dort­hin, wo die rest­li­chen neun­und­neun­zig Prozent der Mensch­heit niemals gelan­gen. Mit ande­ren Worten, Sandra Navidi, entführt uns zum Olymp nach Davos und ande­ren Komman­do­hö­hen, um uns mit jenen weni­gen Dutzend Menschen bekannt­zu­ma­chen, die den heuti­gen Kapi­ta­lis­mus und seine Haupt­ak­teu­re verkör­pern und das Schick­sal der Welt bestim­men. Das alles ist ihr noch dazu als Frau gelun­gen – eine außer­or­dent­li­che Leis­tung, denn das Antlitz des Kapi­ta­lis­mus ist männ­lich, patri­ar­cha­lisch und ganz über­wie­gend brutal. – - – 

Bana­li­tä­ten als tief­schür­fen­de Einsich­ten verkauft – - – 

Die wissen­schaft­li­chen Ansprü­che dieses Buches sind aller­dings von vorn­her­ein als „pseudo“ zu charak­te­ri­sie­ren, es sei denn, dass man Binsen­weis­hei­ten unter die wissen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se reihen möchte. Nach der erklär­ten Absicht der Autorin soll uns das Buch in die Geheim­nis­se der „Netz­werk­theo­rie“ einwei­hen. Darüber aber weiß die Autorin leider nicht mehr zu sagen – das frei­lich hundert­fach wieder­holt – als dass ein Netz­werk aus „Nodes“, „Hubs“ und „Super­hubs“ besteht. Die Wörter sind neu, die damit gemein­te Sache dage­gen uralt, ja sogar archa­isch, denn hier­ar­chisch geglie­der­te Grup­pen aus Gefrei­ten, Feld­we­beln und Gene­rä­len (Fußsol­da­ten, Beta­männ­chen und Alpha­tie­ren), wo der Mann an der Spitze mit seinen Entschei­dun­gen das Handeln der unte­ren Hier­ar­chie-Ebenen bestimmt, sind so alt wie die Mensch­heit, vermut­lich sogar um eini­ges älter. Die Männer­bün­de bei den Einge­bo­re­nen von Neugui­nea waren ebenso aufge­baut wie ihre Entspre­chun­gen in Athen, Sparta und natür­lich moder­ne Streit­kräf­te. Aber schon die Schim­pan­sen schei­nen eine solche Ordnung in Ansät­zen zu kennen. Wenn Sandra Navidi nicht müde wird, uns in jedem Kapi­tel eine derar­ti­ge Bana­li­tät als „Netz­werk­theo­rie“ zu verkau­fen, dann schüt­telt der generv­te Leser am Ende den Kopf. Das tut er aller­dings schon, wenn die Autorin die „Homo­phi­lie“ dieser Männer­bün­de betont – ein nettes Fremd­wort, das leider nicht mehr besagt, als was der Volks­mund immer schon von den Dächern pfiff: „Gleich und gleich gesellt sich gern“ (Homo-philie = Liebe zum Gleichartigen).
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Immer­hin: Nach­denk­lich­keit kommt vor – - – 

An weni­gen Stel­len – etwa zehn von insge­samt an die drei­hun­dert Seiten – wird das Buch von den „Super-hubs“ (den Hier­ar­chie-Gene­rä­len) gleich­wohl inter­es­sant, dort nämlich, wo sich Frau Navidi ein beschei­de­nes Maß an Kritik erlaubt. Nicht dass sie damit so weit gehen würde, ihren eige­nen Inter­es­sen als Vorstand eines Bera­tungs­un­ter­neh­mens ernst­lich zu scha­den oder gar ihr gutes Einver­neh­men mit den oberen Hundert – den Super-Hubs – aufs Spiel zu setzen, aber sie ist doch ehrlich genug, um beim Leser Nach­denk­lich­keit zu erzeu­gen. Es sind diese weni­gen kriti­schen Einsich­ten, die ich hier refe­rie­ren möchte. Sie sind bemer­kens­wert, weil sie von einer hoch plat­zier­ten Prak­ti­ke­rin stam­men statt wie üblich aus dem wissen­schaft­li­chen Elfenbeinturm.
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Reich­tum und Macht in ganz weni­gen Händen
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Zunächst lässt Frau Navidi uns wissen, dass das ganz große Geld nicht mehr aus der Real­wirt­schaft kommt, wo es immer­hin die Beloh­nung für die Planung und Erzeu­gung realer Produk­te ist, sondern in der Wirt­schaft der Finan­zen geschef­felt wird, also durch Verwal­tung und Mani­pu­la­ti­on von Geld. Der große Reich­tum entsteht, wie man es auf genaue­re Art ausdrü­cken müsste, bei der Hand­ha­bung von Symbo­len, den bloßen Abbil­dern oder Ersatz­mar­ken des Realen. Und inner­halb der Finanz­wirt­schaft selbst ist es ein ganz bestimm­ter Sektor, der sich als spru­deln­de Reich­tums­quel­le erweist, nämlich Schat­ten­ban­ken, welche – in meinen Worten – die „Inter­na­tio­na­le der Gläu­bi­ger“ reprä­sen­tie­ren, deren Inter­es­sen sie mit missio­na­ri­schem Eifer betreiben:
«Schat­ten­bank« ist ein Sammel­be­griff, der alle Finanz­dienst­leis­ter erfasst, die über keine Bank­li­zenz verfü­gen, wie zum Beispiel Invest­ment­ban­ken, Finanz­dienst­mak­ler und ‑händ­ler (Broker-Dealer), Invest­ment­fonds und Geld­markt­fonds. Schat­ten­ban­ken sind in der jünge­ren Vergan­gen­heit verstärkt in den Fokus gerückt, weil im Rahmen der Finanz­markt­re­form viele Finanz­ge­schäf­te aus dem nunmehr wesent­lich stär­ker regu­lier­ten Banken­be­reich in die weit weni­ger regu­lier­ten und agile­ren Schat­ten­ban­ken ausge­wi­chen sind. … 

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