Höchstzinsen für Bares – Editorial

Die Lösung der Blockie­rung ist die Lösung. Das sagte der Volks­wirt­schafts­leh­re-Profes­sor Bernd Senf vor 20 Jahren.
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„Flie­ßen lassen“ nannte er das funda­men­ta­le Prin­zip des Natür­li­chen und Lebendigen.
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Die (be)herrschende Ökono­mie formte demzu­fol­ge keinen Wirt­schafts­or­ga­nis­mus, obwohl die Wirt­schaft dem Leben dienen sollte. Das Horten und Zurück‑, bzw. Vorent­hal­ten ist die gewinn­träch­tigs­te Leit­li­nie. Die Welt­wirt­schaft wird domi­niert von „Stau­damm­be­sit­zern“, die – gedeckt von Recht und Gesetz – die Nutzung lebens­wich­ti­ger Dinge blockie­ren können: Grund und Boden, Erfin­dun­gen, Kunst jegli­cher Art und nicht zuletzt Geld.
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Geld fließt nur in dem Maße, in dem es die Geld­hal­ter für lukra­tiv erach­ten. Geld, eine öffent­li­che Einrich­tung, ist in Wahr­heit ein von Einzel­nen belie­big hort­ba­rer Wert. Da Horten belohnt wird, kommt es zu Akku­mu­la­tio­nen bei Weni­gen verbun­den mit Vertei­lungs­un­gleich­ge­wich­ten. Im Ergeb­nis führt das – unter ande­rem – zu geschätz­ten 32 Billio­nen US-Dollar, die in Steu­er­oa­sen welt­weit versteckt werden. Mehr als die Hälfte des komplet­ten Welt­han­dels „durch­streift“ die Brief­käs­ten dieser ansons­ten nutz­lo­sen Orte. Eine globa­le Archi­tek­tur der Reich­tums­hor­tung ist etabliert. Seine Akteu­re verste­hen mit Hilfe moderns­ter Compu­ter­tech­nik, Schein­fir­men und Anwalts­kanz­lei­en, die Klavia­tur bestehen­der recht­li­cher Struk­tu­ren meis­ter­haft zu spielen.
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Die immensen, ungleich verteil­ten Geld­ver­mö­gen haben ein für John Maynard Keynes erwar­te­tes Ergeb­nis gebracht: Der Tod des „Rentiers“ ist einge­tre­ten. Er ersoff im Meer des Kapi­tals und kann mitt­ler­wei­le nur unter Inkauf­nah­me eines erheb­li­chen Risi­kos zu leis­tungs­lo­sen Kapi­tal­ein­künf­ten gelan­gen. Die Risi­ken stecken in unsi­che­ren Kapi­tal­an­la­gen oder in den Möglich­kei­ten, das Ange­leg­te und seine Erträ­ge trick­reich zu verste­cken und der Besteue­rung zu entzie­hen. Das geschieht in einem Klima der Über­ein­stim­mung, weil Reich­tum dem Zugriff durch Staat und Gesell­schaft vorzu­ent­hal­ten etwas ist, das nicht nur nahezu alle Reichen machen, sondern auch „Noch-Nicht-Reiche“ täten, wenn ihr Stre­ben nach Kapi­tal von Erfolg gekrönt würde.
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Die Verant­wort­li­chen in der EZB spüren, dass es notwen­dig wäre, die nomi­na­len Zinsen noch deut­li­cher in den nega­ti­ven Bereich abzu­sen­ken. Daran hindert sie eine Anla­ge­form, deren Inan­spruch­nah­me allen offen­steht: Das Bargeld. Dessen „Rendi­te“ kann nie unter null Prozent fallen. Es ist ein „ruhi­ger Hafen“, in dem die Geld­ver­mö­gen ankern können, bis der Sturm der Nega­tiv­zin­sen sich gelegt hat. Wer hätte vor ein paar Jahren geglaubt, dass Bares mit 0 % Zinsen zu einer attrak­ti­ven Kapi­tal­an­la­ge werden könnte?
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Silvio Gesell wird zwar laufend erwähnt, aber seine Vorschlä­ge – jene, die Keynes expli­zit lobte – nicht genau genug analy­siert. Sonst würde man ihn statt der nega­ti­ven Zinsen wegen seiner Lösungs­vor­schlä­ge zum Bargeld unter Umlauf­druck und einer der Wirt­schaft und den Menschen dienen­den Boden­ord­nung ins Gespräch brin­gen. Gesell hatte keine konkre­te Zins­hö­he vor Augen. Es ging ihm um die Auswir­kun­gen. Er vertrau­te den Menschen und wollte sie in ihrer Frei­heit nicht einschrän­ken oder gängeln, sondern eine künst­li­che Blockie­rung aufhe­ben. Er wollte dem Macht­mit­tel Geld die gesell­schafts­zer­set­zen­de Zerstö­rungs­kraft nehmen. Und für die Umset­zung eines solchen Ansin­nens ist die Zeit reif.
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Das in der Wirt­schaft ange­wen­de­te Konzept von Geld beherrscht die Welt. Eine Welt, die nicht mit dem Leben verein­bar ist. Die daraus abge­lei­te­ten ökono­mi­schen Prin­zi­pi­en fördern die einsei­ti­ge Anhäu­fung und das Ausein­an­der­fal­len der Gesell­schaft in Arme und Reiche. Es sorgt für die immer­wäh­ren­de Begier­de nach Geld. Diese Anzie­hung lenkt zur Fügsam­keit hinsicht­lich der Grund­re­geln des Systems, obwohl die Folge­er­schei­nun­gen im persön­li­chen Bereich zu Krank­heits­bil­dern und sozial zu einer erheb­li­chen Schä­di­gung der Gemein­schaft führen. Wir haben uns eine zutiefst unglei­che Welt geformt. Ungleich­heit „by design“. Um das Geld zu beherr­schen, bedarf es eines frischen Konzepts mit einer zukunfts­fä­hi­gen, am Prin­zip Flie­ßen ausge­rich­te­ten Gestal­tung. So kann der Para­dig­men­wech­sel gelin­gen. Er ist über­fäl­lig. Wer an der Bewäl­ti­gung der ökolo­gi­schen Krise oder für die Been­di­gung der Massen­ar­mut oder allge­mein für eine Verrin­ge­rung mensch­li­chen Leidens arbei­tet, muss diese wesent­li­che Tatsa­che kennen.
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Herz­lich grüßt Ihr Andre­as Bangemann 

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