Zeit ist Geld? – Ingeborg Woitsch
Ein Reichtum des Menschen ist seine Zeit! Kann Zeit ge- oder verkauft werden? Sie wird es täglich – gegen einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro. Martin Winterkorn, bis vor Kurzem bestbezahltester Manager der Volkswagen AG, verdiente um die 8.000 Euro in der Stunde. Eine märchenhafte Summe! – Kennen Sie aus Michael Endes Märchenroman „Momo“ die Zeitdiebe und deren Parole „Zeit ist Geld“? Heute leben wir danach. Und es scheint, dass wir uns, oft ohne es zu merken, dadurch das Wertvollste stehlen lassen.
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Sparen für das „richtige Leben“: Jetzt, während ich diesen Artikel schreibe – natürlich unter Zeitdruck, denn es ist viel zu tun und er müsste schon fertig sein – und nachdenke über Geld und Zeit, fällt mir die Geschichte von Momo ein. Kennen Sie Momo? Diese Parabel von Michael Ende auf unsere Gesellschaft und ihren Umgang mit Zeit und Geld? Momo erscheint eines Tages – wie von einem Stern gefallen – in der Ruine eines alten Amphitheaters. Sie besitzt nichts, aber was sie reich macht, sind viele gute Freunde! Außerdem wirkt die kleine Heldin ganz modern, orientiert an Achtsamkeit. Auch könnte sie mit Henry David Thoreau, dem amerikanischen Schriftsteller und Philosophen, verwandt sein, was ihre unbedingte Liebe zum einfachen Leben, zur Natur, zur Stille und zur Freiheit betrifft. Und dann erzählt Endes märchenhafte Utopie auch noch etwas von der Brüderlichkeit im Wirtschaften, denn alle Leute sorgen für Momo. Aber sie bekommen etwas dafür. Ja, sie brauchen Momo, denn sie hat eine Fähigkeit, von der man leben kann. Sie kann zuhören, wie niemand sonst. Und das könnte man sich selbst auch wünschen, dass einem jemand so, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme, zuhört und man ganz reich davon wird!
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„Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf – und er ging hin und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab, und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war.“ (Momo, 2. Kapitel)
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Es gibt Reichtümer, an denen man zugrunde geht, wenn man sie nicht mit anderen teilen kann.
Die Idee zu Momo kam Michael Ende, als ihm jemand eine alte Taschenuhr ohne Zeiger schenkte. Wie oft gucken Sie auf die Uhr – oder Ihr Mobiltelefon? Wie wäre es, sie einen ganzen Tag lang einmal nicht zu beachten? Momo hat keine Uhr, sie kann nicht einmal zählen. Sie hat Zeit. In dieser Geschichte geht es um Armut und Reichtum. Das könnte ein bitteres Thema sein, es wird in Endes Geschichte aber urchristlich angefasst. Schwesterliches, brüderliches Zusammenleben wäre eine Lösung, sich sorgen umeinander wie in einer großen Familie. Heute müssten wir uns sogar als eine Weltfamilie verstehen, was uns durch die flüchtenden Menschen aus den Kriegsgebieten, an deren Schicksal wir wahrlich nicht unbeteiligt sind, deutlich vor Augen geführt wird. Aber zunächst geht es, um wieder auf die Geschichte zurückzukommen, um Zeit und Geld und um das Wirken der Zeitdiebe. Diese Zigarren rauchenden, aschgrauen Herren in spinnwebfarbenen Anzügen mit bleigrauen Aktentaschen sind auch im realen Leben sehr interessant! Wo sie sind, fröstelt es die Menschen. Sie möchten Profit aus der Zeit anderer schlagen. „Zeit ist Geld“, so argumentieren die grauen Herren und reden den Menschen ein, sie dürften nur noch Nützliches tun. Und sie sollten ihre Zeit für das „richtige Leben“ sparen! —
Kennen Sie das auch, dass Sie Zeit für das „richtige Leben“ sparen möchten, für später, für das Wochenende, für den Urlaub oder für die Zeit der Rente? Und selbst, wenn Sie Zeit hätten, kennen Sie nicht auch das Gefühl, trotzdem keine Zeit zu haben?
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Die Zeit für das „richtige Leben“ könne man sparen auf der Zeitsparkasse, so die grauen Herren! Solche Zeitsparkassen gibt es heute viele! Sie finden sich in allen möglichen Ecken unseres Lebens: Multitasking im Familienleben, Schludereien auf dem Bau, Fertiggerichte, Fast Fashion, Amphetamine und Ecstasy, Massentierhaltung, Surfen in der Onlinewelt, der Arztbesuch mit einer 5‑Minuten-Behandlung, Selbstbedienungsautomaten in der Bank und am Bahnhof, Pflegeroboter in der Altenhilfe, sprechende Puppen mit Internetverbindung für Kleinkinder …
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Sind wir reich? Michael Endes seltsame Geschichte erinnert uns daran, dass Vermögen und Reichtum zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. Ein Wohlstand an materiellen Werten muss nicht mit einem Reichtum an Beziehungen und seelisch-geistigen Werten oder Fähigkeiten einhergehen. Vierzig Jahre nach Erscheinen des Buches finden wir uns unübersehbar im Zeitalter der Ökonomisierung aller Berufsfelder und Lebensbereiche wieder. Wir leiden an Volkskrankheiten wie Depression, Erschöpfung und Burnout. Zeitgleich sehnen sich viele Menschen nach Achtsamkeit und danach, wieder Zeit zu haben.
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Zeit ist Leben: „Zeit ist Geld“, dieses Memento richtete Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA, bereits vor 200 Jahren an junge Kaufleute. Was wäre leichter, als aus Zeit Geld zu machen? Es spricht nichts gegen ein cleveres Zeitmanagement und effizientes Arbeiten. Gerade deshalb ist es wichtig, sich das noch einmal ganz deutlich zu machen: Die Vorstellung, Zeit sparen zu können, um sie später wieder für sich haben zu können, täuscht! Wahrend wir versuchen, Zeit zu sparen, vergessen wir, im (berühmten) Hier und Jetzt zu leben. Aber so ist es doch wirklich! Und schlimmer noch, wir vernachlässigen das, was uns lieb ist: Menschen und unsere Herzensanliegen.
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Zeit lässt sich nicht sparen wie Geld. Je mehr wir versuchen, Zeit zu sparen, desto „kürzer“ werden die Tage und Wochen. Auf der Jagd nach Effizienz und Profit opfern wir, oft ohne, dass wir es merken, das Kostbarste, das wir haben: Unsere Lebenszeit und unsere Lebensfreude. „Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen.“ (Momo, 6. Kapitel)
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Sparen für das „richtige Leben“: Jetzt, während ich diesen Artikel schreibe – natürlich unter Zeitdruck, denn es ist viel zu tun und er müsste schon fertig sein – und nachdenke über Geld und Zeit, fällt mir die Geschichte von Momo ein. Kennen Sie Momo? Diese Parabel von Michael Ende auf unsere Gesellschaft und ihren Umgang mit Zeit und Geld? Momo erscheint eines Tages – wie von einem Stern gefallen – in der Ruine eines alten Amphitheaters. Sie besitzt nichts, aber was sie reich macht, sind viele gute Freunde! Außerdem wirkt die kleine Heldin ganz modern, orientiert an Achtsamkeit. Auch könnte sie mit Henry David Thoreau, dem amerikanischen Schriftsteller und Philosophen, verwandt sein, was ihre unbedingte Liebe zum einfachen Leben, zur Natur, zur Stille und zur Freiheit betrifft. Und dann erzählt Endes märchenhafte Utopie auch noch etwas von der Brüderlichkeit im Wirtschaften, denn alle Leute sorgen für Momo. Aber sie bekommen etwas dafür. Ja, sie brauchen Momo, denn sie hat eine Fähigkeit, von der man leben kann. Sie kann zuhören, wie niemand sonst. Und das könnte man sich selbst auch wünschen, dass einem jemand so, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme, zuhört und man ganz reich davon wird!
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„Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf – und er ging hin und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab, und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war.“ (Momo, 2. Kapitel)
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Es gibt Reichtümer, an denen man zugrunde geht, wenn man sie nicht mit anderen teilen kann.
Die Idee zu Momo kam Michael Ende, als ihm jemand eine alte Taschenuhr ohne Zeiger schenkte. Wie oft gucken Sie auf die Uhr – oder Ihr Mobiltelefon? Wie wäre es, sie einen ganzen Tag lang einmal nicht zu beachten? Momo hat keine Uhr, sie kann nicht einmal zählen. Sie hat Zeit. In dieser Geschichte geht es um Armut und Reichtum. Das könnte ein bitteres Thema sein, es wird in Endes Geschichte aber urchristlich angefasst. Schwesterliches, brüderliches Zusammenleben wäre eine Lösung, sich sorgen umeinander wie in einer großen Familie. Heute müssten wir uns sogar als eine Weltfamilie verstehen, was uns durch die flüchtenden Menschen aus den Kriegsgebieten, an deren Schicksal wir wahrlich nicht unbeteiligt sind, deutlich vor Augen geführt wird. Aber zunächst geht es, um wieder auf die Geschichte zurückzukommen, um Zeit und Geld und um das Wirken der Zeitdiebe. Diese Zigarren rauchenden, aschgrauen Herren in spinnwebfarbenen Anzügen mit bleigrauen Aktentaschen sind auch im realen Leben sehr interessant! Wo sie sind, fröstelt es die Menschen. Sie möchten Profit aus der Zeit anderer schlagen. „Zeit ist Geld“, so argumentieren die grauen Herren und reden den Menschen ein, sie dürften nur noch Nützliches tun. Und sie sollten ihre Zeit für das „richtige Leben“ sparen! —
Kennen Sie das auch, dass Sie Zeit für das „richtige Leben“ sparen möchten, für später, für das Wochenende, für den Urlaub oder für die Zeit der Rente? Und selbst, wenn Sie Zeit hätten, kennen Sie nicht auch das Gefühl, trotzdem keine Zeit zu haben?
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Die Zeit für das „richtige Leben“ könne man sparen auf der Zeitsparkasse, so die grauen Herren! Solche Zeitsparkassen gibt es heute viele! Sie finden sich in allen möglichen Ecken unseres Lebens: Multitasking im Familienleben, Schludereien auf dem Bau, Fertiggerichte, Fast Fashion, Amphetamine und Ecstasy, Massentierhaltung, Surfen in der Onlinewelt, der Arztbesuch mit einer 5‑Minuten-Behandlung, Selbstbedienungsautomaten in der Bank und am Bahnhof, Pflegeroboter in der Altenhilfe, sprechende Puppen mit Internetverbindung für Kleinkinder …
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Sind wir reich? Michael Endes seltsame Geschichte erinnert uns daran, dass Vermögen und Reichtum zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. Ein Wohlstand an materiellen Werten muss nicht mit einem Reichtum an Beziehungen und seelisch-geistigen Werten oder Fähigkeiten einhergehen. Vierzig Jahre nach Erscheinen des Buches finden wir uns unübersehbar im Zeitalter der Ökonomisierung aller Berufsfelder und Lebensbereiche wieder. Wir leiden an Volkskrankheiten wie Depression, Erschöpfung und Burnout. Zeitgleich sehnen sich viele Menschen nach Achtsamkeit und danach, wieder Zeit zu haben.
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Zeit ist Leben: „Zeit ist Geld“, dieses Memento richtete Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA, bereits vor 200 Jahren an junge Kaufleute. Was wäre leichter, als aus Zeit Geld zu machen? Es spricht nichts gegen ein cleveres Zeitmanagement und effizientes Arbeiten. Gerade deshalb ist es wichtig, sich das noch einmal ganz deutlich zu machen: Die Vorstellung, Zeit sparen zu können, um sie später wieder für sich haben zu können, täuscht! Wahrend wir versuchen, Zeit zu sparen, vergessen wir, im (berühmten) Hier und Jetzt zu leben. Aber so ist es doch wirklich! Und schlimmer noch, wir vernachlässigen das, was uns lieb ist: Menschen und unsere Herzensanliegen.
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Zeit lässt sich nicht sparen wie Geld. Je mehr wir versuchen, Zeit zu sparen, desto „kürzer“ werden die Tage und Wochen. Auf der Jagd nach Effizienz und Profit opfern wir, oft ohne, dass wir es merken, das Kostbarste, das wir haben: Unsere Lebenszeit und unsere Lebensfreude. „Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen.“ (Momo, 6. Kapitel)
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