Geld als wirkungsvolles Tauschmittel – Eckhard Behrens

Neue Prio­ri­tä­ten im Span­nungs­feld der Funk­tio­nen des Geldes



Die drei Funk­tio­nen des Geldes als Wert­mes­ser, als Tausch­mit­tel und als Wertauf­be­wah­rungs­mit­tel stüt­zen sich alle gegen­sei­tig, sind aber doch nicht alle unter­ein­an­der ganz wider­spruchs­frei. Wir müssen sehr genau hinschau­en. Der Umstand, dass ein bestimm­tes Geld­stück nicht gleich­zei­tig als Tausch­mit­tel und als Wertauf­be­wah­rungs­mit­tel verwen­det werden kann, bringt Schwan­kun­gen in den Geldkreislauf.



Das Geld, das zur Wertauf­be­wah­rung verwen­det wird, steht aktu­ell als Tausch­mit­tel nicht zur Verfü­gung. Es wird auch nicht verlie­hen oder verschenkt. Es wird einfach irgend­wo geparkt und vermin­dert den Geld­kreis­lauf. Wenn die Menge des jeweils gepark­ten Geldes immer konstant wäre, hätte die Noten­bank kein großes Problem. Aber leider schwankt die Kassen­hal­tung, ohne dass dies konti­nu­ier­lich beob­ach­tet und dem gegen­ge­steu­ert wird. Wir können nicht hinter jeden Geld­be­sit­zer einen Aufpas­ser stel­len. Trotz­dem brau­chen wir eine Prio­ri­täts­set­zung für den Einsatz des Geldes als Tausch­mit­tel zulas­ten seines unbe­schränk­ten Einsat­zes als Wertauf­be­wah­rungs­mit­tel. Dies wird in den nach­fol­gen­den Punk­ten kurz darge­legt und um die Andeu­tung wich­ti­ger Konse­quen­zen ergänzt.



Die Vertie­fung und Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Arbeits­tei­lung setzt voraus, dass der Leis­tungs­aus­tausch durch das Dazwi­schen­tre­ten von Geld (als allge­mei­nes „Tausch­mit­tel“ = Zahlungs­mit­tel) erfolgt. Auf den Einzel­märk­ten soll nur Absatz finden, was den Bedürf­nis­sen ande­rer Menschen so sehr entspricht, dass sie bereit sind, dafür einen Teil ihres Geld­ein­kom­mens aufzu­wen­den. Wer Unbrauch­ba­res produ­ziert, bleibt auf den Kosten sitzen und muss die Produk­ti­on einstel­len, weil seine Verkaufs­er­lö­se nicht seine Kosten decken. Jeder haftet für den ökono­mi­schen Erfolg seiner wirt­schaft­li­chen Planun­gen. – Auf schrump­fen­den Einzel­märk­ten müssen dieje­ni­gen Wett­be­wer­ber ausschei­den, die die höchs­ten Kosten haben; denn das Über­an­ge­bot wird im Wett­be­werb die Preise unter ihre Kosten drücken (Grenz­kos­ten­be­trie­be). – Dazu steht nicht in Wider­spruch, dass es gesamt­wirt­schaft­lich erfor­der­lich ist, dass alle Geld­ein­kom­men, die für brauch­ba­re Leis­tun­gen erzielt wurden, auch als Nach­fra­ge auf dem Markt wieder erschei­nen, damit erneut Leis­tun­gen erbracht werden können und wieder Absatz finden. Das heißt aber nicht, dass jeder sein Einkom­men selbst konsu­mie­ren muss. Wich­tig ist nur, dass die vom Einzel­nen nicht konsu­mier­ten Einkom­mens­tei­le entwe­der verlie­hen und vom Schuld­ner ausge­ge­ben werden oder verschenkt und vom Schen­kungs­emp­fän­ger unver­züg­lich ausge­ge­ben werden. – Die nega­ti­ve Entwick­lung zur Arbeits­lo­sig­keit beginnt bei den Einkom­mens­dis­po­si­tio­nen derer, deren Bedürf­nis­se im Wesent­li­chen gedeckt sind. Man muss sich klar machen, dass Bedürf­nis­se nur zu Nach­fra­ge führen, wenn Geld­ein­kom­men (oder Geld­ver­mö­gen) vorhan­den ist. Die Bedürf­nis­se prägen die Nach­fra­ge nur, inso­weit Geld ausge­ge­ben, also Nach­fra­ge über­haupt gehal­ten werden kann und auch gehal­ten wird. Geld soll immer ohne Unter­bre­chung umlau­fen und zum Kauf von Konsum- oder Inves­ti­ti­ons­gü­tern führen – durch wen auch immer.



Dafür sorgt die Halte­ge­bühr (altern­des Geld) mit sanf­tem ökono­mi­schem Druck. Sie moti­viert die Geld­in­ha­ber, nicht länger zu warten und damit die Ange­bots­sei­te regel­recht auszu­hun­gern. So wie wir von den Waren- und Dienst­leis­tungs­an­bie­tern erwar­ten, dass sie „just in time“ liefern, so können wir von allen Geld­be­sit­zern erwar­ten, dass sie „just in time“ über ihre Geld­ein­nah­men verfü­gen. Das betrifft die großen und klei­nen, denn gesamt­wirt­schaft­lich „macht Klein­vieh auch Mist“.
Geld ist (gesetz­li­ches) Zahlungs­mit­tel, aber nicht jedes Zahlungs­mit­tel ist Geld. Das „Buch­geld“ (Giral­geld) ist Zahlungs­mit­tel, aber nur eine täglich fälli­ge Forde­rung auf Bargeld (Zentral­bank­geld), mit der bei Einver­ständ­nis des Gläu­bi­gers durch Über­wei­sung (Abtre­tung der Forde­rung) bezahlt werden kann. Das Einver­ständ­nis des Gläu­bi­gers kann aufgrund beson­de­rer gesetz­li­cher Vorschrift für bestimm­te Forde­run­gen (z. B. Renten­zah­lun­gen) ersetzt werden, aber dann kann der Gläu­bi­ger immer noch bestim­men, zu welcher (vertrau­ens­wür­di­gen) Bank die Über­wei­sung gehen soll. Schon Tages­geld (täglich fälli­ge Forde­rung auf Buch­geld = Umbu­chung auf das Giro­kon­to) ist kein Zahlungs­mit­tel. Andere Forde­run­gen auf Bargeld, wie zum Beispiel Spar­gut­ha­ben, Pfand­brie­fe oder Anlei­hen sind keine Zahlungs­mit­tel und damit auch kein Geld, sondern nur Geld­ver­mö­gen. Umgangs­sprach­lich muss das nicht unter­schie­den werden, im volks­wirt­schaft­li­chen Diskurs aber schon.



Die Halte­ge­bühr verhin­dert, dass das Geld selbst in großem Umfang als Wertauf­be­wah­rungs­mit­tel verwen­det wird. Die Halte­ge­bühr wird nur auf Zentral­bank­geld erho­ben, also auf das Bargeld und auf die Gutha­ben der Geschäfts­ban­ken bei der Zentral­bank. Allen „Nicht­ban­ken“ (also Privat­leu­ten und Unter­neh­men, die keine Geschäfts­ban­ken sind) ist Zentral­bank­geld nur in Form von Bargeld zugäng­lich. Das könnte man sicher ändern, ist aber für unsere Diskus­si­on nicht wich­tig, sondern nur für die Frage, ob man das Bargeld abschaf­fen soll. – Da die Geschäfts­ban­ken für die Giral­geld-Gutha­ben eine Bargeld­re­ser­ve halten und für ihren Kassen­be­stand die Halte­ge­bühr bezah­len müssen, ergibt sich eine Tendenz zu nega­ti­ven Zinsen für Giral­geld­gut­ha­ben. Wenn die Noten­bank konjunk­tur­po­li­tisch Anlass hat, die Leit­zin­sen nega­tiv fest­zu­set­zen, werden die kurz­fris­ti­gen Zinsen in den nega­ti­ven Bereich absin­ken und damit vor allem auch alle täglich fälli­gen Gutha­ben tref­fen. – Die Halte­ge­bühr auf Zentral­bank­geld über­trägt sich also mehr oder weni­ger auf die Giral­geld­gut­ha­ben und andere kurz­fris­tig fälli­ge, also liqui­de Forde­run­gen auf Bargeld.



Geld, das mit einer Halte­ge­bühr belas­tet ist (altern­des Geld), eignet sich als solches nicht mehr zum Sparen. Man kann nur noch in Form von Forde­run­gen auf Geld sparen – oder indem man selbst in Sach­ver­mö­gen inves­tiert. Sach­ver­mö­gen (Gold, Maschi­nen, Aktien, Häuser) ist stets Wert­schwan­kun­gen ausge­setzt, während Geld­ver­mö­gen (einen solven­ten Schuld­ner oder gar gesetz­li­che Einla­gen­si­che­rung bei Banken voraus­ge­setzt) bei stabi­lem Geld­wert abso­lut wert­sta­bil ist. Die Voll­kom­men­heit des Geldes als Wert­mes­ser ist ein berech­tig­tes Ideal, die Voll­kom­men­heit des Geldes als Wertauf­be­wah­rungs­mit­tel dage­gen nicht. Wir dürfen Geld­wert­sta­bi­li­tät nicht mit der Wertauf­be­wah­rungs­funk­ti­on verwech­seln und gleich­set­zen, sondern können die Wertauf­be­wah­rungs­funk­ti­on der Wert­mes­ser­funk­ti­on unterordnen.



Geld­wert­sta­bi­li­tät ist von den Noten­ban­ken nur erreich­bar, wenn das Geld als Werte-Trans­fer­mit­tel mit gleich­mä­ßi­ger Geschwin­dig­keit in der Wirt­schaft umläuft. Die konstan­te Umlauf­ge­schwin­dig­keit ist nur erreich­bar, wenn das Geld zur lang­dau­ern­den Wertauf­be­wah­rung nicht verlust­frei verwend­bar ist. Die Tausch­mit­tel­funk­ti­on und die unein­ge­schränk­te Wertauf­be­wah­rungs­funk­ti­on, die beim heuti­gen Bargeld verspro­chen wird, sind nicht verein­bar. Die Konse­quenz des Wider­spruchs ist, dass keine der drei Geld­funk­tio­nen nach­hal­tig erreicht wird. Auch aufbe­wahr­tes Bargeld ist heute nicht wert­sta­bil, so wenig wie alle Sach­gü­ter. Erst wenn eine Halte­ge­bühr, die Wertauf­be­wah­rungs­funk­ti­on, ohne sie ganz abzu­schaf­fen, wirk­sam und bere­chen­bar einschränkt, können die Tausch­mit­tel­funk­ti­on und die Wert­mes­ser­funk­ti­on des Geldes in vollem Umfang auf Dauer erreicht werden. Die Noten­bank kann nach Herstel­lung der vollen Tausch­mit­tel­funk­ti­on und einer konstan­ten Umlauf­ge­schwin­dig­keit des Geldes mit Geld­men­gen­steue­rung echte Geld­wert­sta­bi­li­tät im Sinne von null Prozent Inflation/Deflation endlich errei­chen. Das war ihr bisher nicht möglich.



Die Herstel­lung der vollen Tausch­mit­tel­funk­ti­on bewirkt die Voll­aus­las­tung aller Produk­ti­ons­fak­to­ren, auch des Faktors Arbeit, also Dauer­voll­be­schäf­ti­gung und stabi­le Konjunk­tur. 5 % Arbeits­lo­sig­keit heißt, es könnte bei Voll­be­schäf­ti­gung bis zu 5 % mehr produ­ziert werden. Den Gegen­wert dieser zusätz­li­chen gesamt­wirt­schaft­li­chen Leis­tung bekä­men haupt­säch­lich die vorher Arbeits­lo­sen. Bei Voll­be­schäf­ti­gung stei­gen die nied­ri­gen Löhne erfah­rungs­ge­mäß schnel­ler als die durch­schnitt­li­chen, weil jeder gerne Tätig­kei­ten an andere abgibt, für die er über­qua­li­fi­ziert ist, um Tätig­kei­ten nach­ge­hen zu können, für die er sich mehr inter­es­siert. So profi­tie­ren alle von dem Weg zur Voll­be­schäf­ti­gung – nicht nur durch mehr Arbeitsplatzsicherheit.



Von dauernd stabi­ler Voll­be­schäf­ti­gung ist dank der welt­weit hohen Spar­quo­ten das Sinken der lang­fris­ti­gen Zinsen für Geld­ver­mö­gen auf null Prozent zu erwar­ten. Dann entfällt das Sparen in Geld­ver­mö­gen, um Zinsen zu erzie­len. Es wird nur noch gespart, um Konsum­be­dürf­nis­se (Eigen­heim) oder Vorsor­ge­be­dürf­nis­se (Krank­heit, Unfall, Alter) abzu­de­cken. Die Spar­tä­tig­keit verla­gert sich von den Reichen, die mangels nennens­wer­ter Zins­ein­nah­men ihre Vermö­gen verzeh­ren, auf die erwerbs­tä­ti­gen Armen, deren Vorsor­ge­be­dürf­nis­se noch nicht gedeckt sind. Unter­neh­mer werden über ihr Vorsor­ge­be­dürf­nis hinaus sparen, um in ihr Unter­neh­men zu inves­tie­ren, solan­ge sie glau­ben, es noch selbst über­schau­en und wirkungs­voll lenken zu können. Wenn sie dabei versa­gen, werden sie im Konkurs enteignet.



Die Groß­ver­mö­gen der Nicht­un­ter­neh­mer werden bei fehlen­der Verzin­sung durch Konsum und Erbtei­lun­gen lang­fris­tig wirk­sa­mer redu­ziert als durch Vermö­gens- und Erbschafts­steu­ern – die deshalb immer noch als Über­gangs­lö­sung sinn­voll, aber bei weitem nicht so wirkungs­voll sein können. Die Klein­ver­mö­gen werden bis zur Abde­ckung der Vorsor­ge­be­dürf­nis­se der Masse der Sparer auch ohne Verzin­sung wach­sen und auf die Verzin­sung drücken. Die Vermö­gens­ver­tei­lung wird im Laufe der Zeit gleich­mä­ßi­ger. Das Vorsor­ge­be­dürf­nis von immer mehr Menschen wird ausrei­chend gedeckt.



Wenn die Konsum- und Vorsor­ge­be­dürf­nis­se des Einzel­nen ausrei­chend gedeckt sind – und das wird bei Dauer­voll­be­schäf­ti­gung bald bei spür­bar mehr Menschen der Fall sein – dann stehen diese Menschen vor der Frage, ob sie ihre Erwerbs­ar­beit und ihr Einkom­men einschrän­ken, um mehr Frei­zeit zu haben, z. B. für kultu­rel­le Akti­vi­tä­ten, oder ob sie das über­schüs­si­ge Einkom­men spenden.



Die Viel­falt des Kultur- und Bildungs­we­sens wird zuneh­men, wenn die einzel­nen Kultur- und Bildungs­ein­rich­tun­gen ihre Finan­zie­rung auf eine Viel­zahl von laufen­den Spen­den grün­den können, statt auf staat­li­che Subven­tio­nen (Zwangs­schen­kun­gen der Steu­er­zah­ler) oder die Zuwei­sung großer Stif­tun­gen, die mangels Verzin­sung ihre Vermö­gen veraus­ga­ben müssen, wenn sie dem Stif­tungs­zweck weiter­hin nach­kom­men wollen. Die Unab­hän­gig­keit vom einzel­nen Spen­der ist die Voraus­set­zung der Frei­heit im Kultur- und Bildungs­we­sen. Die Unab­hän­gig­keit der Kultur- und Bildungs­ein­rich­tun­gen ist nur schwer zu gewähr­leis­ten, solan­ge die Finan­zie­rung über­wie­gend mono­po­lis­tisch über die Staats­haus­hal­te oder ausnahms­wei­se über Stif­tun­gen laufen muss. 

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