Was ist los mit unserem Geld – Helmut Creutz
Auch wenn es inzwischen verschiedene Theorien gibt, dürfte Geld aus dem Bedürfnis entstanden sein, Leistungen gegeneinander zu tauschen. Während die anfangs dazu benutzten Zwischentauschmittel – ob Teeziegel, Salzbarren, Getreide oder Kakaobohnen – selbst noch nutzbare Güter waren, die der Alterung oder dem Verschleiß unterlagen, schien mit den Münzen aus Edelmetall das ideale Material für diesen Zweck gefunden zu sein. Aber gerade diesem dauerhaften Münzgeld haftete von Anfang an eine Eigenschaft an, die zu seiner eigentlichen Funktion im Widerspruch stand, nämlich die Versuchung und die Möglichkeit, es zu verschatzen! Diese Eigenschaft, die man als Vorteil bei der Geldhaltung auch heute noch empfindet, wurde jedoch zu einem Problem bei seiner Tauschmittelfunktion. Denn im gleichen Umfang, wie man das Geld für die Wertaufbewahrung nutzte, fehlte es als Zahlungsmittel im Wirtschafts-Kreislauf – mit der Folge einer Wertsteigerung, die man bei seiner leihweisen Freigabe in positive Zinsen umsetzen konnte.
Welche Bedeutung hat ein ungestörter Umlauf des Geldes?
Stellen Sie sich vor, Sie würden mit einem Gegenstand den sie verkaufen möchten, auf einen Flohmarkt gehen und dort auf acht andere Anbieter treffen, die ebenfalls das Gleiche wollen. Nehmen wir weiter an, alle Gegenstände hätten zufällig den gleichen Wert, z. B. von zehn Euro, und alle Beteiligten wären nicht nur bereit, ihr Mitgebrachtes für diesen Preis abzugeben, sondern auch in gleicher Höhe in der Runde einen Kauf zu tätigen.
Und nehmen wir noch weiter an, alle neun Beteiligten hätten zufällig ihre Brieftasche vergessen, so dass niemand zu einer normalen Nachfrage in der Lage wäre. Käme jetzt noch ein weiterer Anbieter und Kaufbereiter mit einem Zehn-Euro-Schein hinzu und würde einen der angebotenen Gegenstände erwerben, dann könnte der Verkäufer seinen eigenen Kaufwunsch bei einem zweiten Anbieter realisieren, dieser bei einem dritten usw., bis alle Beteiligten ihre Gegenstände verkauft hätten und der Schein, beim letzten Kaufvorgang, wieder bei jenem Zehnten angekommen wäre, der den Vorgang möglich gemacht hatte.
Alle Kauf- und Verkaufswünsche in der Runde konnten also mit Hilfe dieses einen Geldscheins abgewickelt werden! Dabei ist es völlig gleichgültig, ob der hinzugekommene Zehnte den Schein durch Leistungen verdient, als Geschenk erhalten oder zufällig gefunden hat. Selbst wenn es sich bei seinem Geldschein um eine Fälschung gehandelt hätte, wären die abgewickelten Geschäfte gültig gewesen. Denn niemand wurde geschädigt und der falsche Schein wäre letztlich wieder in den Händen des Erstbesitzers gelangt, gleichgültig ob er selbst oder ein unbekannter Dritter der Fälscher war. –
Dieses Beispiel zeigt nicht nur die Bedeutung, die das Geld bei Abläufen oder Belebungen der Wirtschaftstätigkeiten hat, sondern auch die Wichtigkeit seiner regelmäßigen Weitergabe. Denn wenn wir jetzt einmal annehmen, einer in der Runde hätte – nach dem Verkauf seines angebotenen Gegenstandes – selbst kein Kaufinteresse mehr gehabt, den Schein eingesteckt und den Heimweg angetreten, dann müssten die restlichen Anbieter unverrichteter Dinge nach Hause gehen.
Aus dieser Geschichte wird jedoch nicht nur der Vorteil des Geldes als Tauschvermittler deutlich, sondern auch die Folgen für den Wirtschaftskreislauf, wenn das Zahlungsmittel Geld zum Wertaufbewahrungsmittel wird. Denn zur Wiederbelebung der unterbrochenen Kaufvorgänge wäre es in dem Beispiel nur gekommen, wenn sich einer der Kaufwilligen bei dem Geld-Festhalter den Geldschein ausgeliehen hätte. Zu diesem Ausleihen wäre der Geldhalter wahrscheinlich aber nur bei einem Aufgeld bereit gewesen. Also jenem Aufgeld, Zins genannt, das wir als Sparer von der Bank für unsere Geldfreigabe erhalten. Das heißt, der unterbrochene Geldkreislauf wäre also nur über eine mit Zins belastete Kreditaufnahme wieder in Gang gekommen, womit der Verleiher, aus dieser von ihm selbst verursachten Störung des Marktgeschehens, auch noch einen Nutzen ziehen könnte!
Welche Geldfunktionen sind wirklich wichtig?
Nach allgemeiner Auffassung werden drei Geldfunktionen als gleichwertig nebeneinander gestellt:
• Die Funktion als allgemein anerkanntes Zahlungsmittel
• Die Funktion als Rechenmittel und Wertmaßstab
• Die Funktion als Wertaufbewahrungsmittel
Wie das Flohmarkt-Beispiel zeigt, sind die beiden erstgenannten Eigenschaften problemlos miteinander zu verbinden. Sie fallen gewissermaßen sogar zusammen, denn bei jeder Zahlung findet gleichzeitig eine Wertbemessung der gehandelten Güter statt, die wiederum aus Vergleichen mit anderen Gütern resultiert. Die dritte Eigenschaft des Geldes, die Wertaufbewahrungsfunktion, setzt dagegen die beiden anderen Funktionen außer Kraft. Mit ihr entsteht nicht nur eine Unterbrechung des Kreislaufs, vielmehr kommt es zusätzlich auch noch zu einer Werteverschiebung, weil die Menge des im Umlauf bleibenden Geldes nun in einem anderen Verhältnis zur Menge der angebotenen Güter steht: Das verbleibende knapper gewordene Geld wird gewissermaßen wertvoller und die gleich gebliebene Ware relativ teurer.
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