Wirtschaftsförderung 4.0 – Michael Kopatz
Kooperative Wirtschaftsformen in Kommunen
Michael Kopatz
Regionalwährung, Tauschringe und Energiegenossenschaften bahnen die Wege in eine nachhaltige Zukunft. Ihr wahres Potenzial in puncto Klimaschutz, Ressourcenschonung und lokale Wertschöpfung entfalten Projekte kooperativen Wirtschaftens allerdings erst, wenn Kommunen sie systematisch unterstützen.
Moderne Ansätze der Gemeinwohlökonomie gibt es schon seit Jahren. Viele Menschen suchen nach Tätigkeiten, die vor Ort wirksam sind und einen unmittelbaren Bezug zur eigenen Lebenswelt haben. Regionalgeld, Tauschringe, Repair-Cafés, Tauschläden, soziale Kaufhäuser, Leihsysteme, Stadtgärten, solidarische Landwirtschaft – das alles hat Konjunktur und basiert zumeist auf ehrenamtlichem Engagement. Gezielte kommunale Förderkonzepte, etwa im Rahmen der Wirtschaftsförderung, gibt es hingegen nicht. Auch politische Entscheidungsträger(innen) nehmen die Entwicklung zwar mit Interesse und Wohlwollen wahr, sehen aber noch nicht so recht ihre Rolle beim kooperativen Wirtschaften. Dabei sind hier erhebliche gesellschaftliche Potenziale zu heben. Es entwickeln sich neue, ökonomische Strukturen, die dem allseits geforderten lokalen Handlungsanspruch mit globalen Absichten, ganz im Sinne der Nachhaltigkeit, nachkommen. Die Zeit ist reif, ein Handlungskonzept zur systematischen Förderung von kooperativen Wirtschaftsformen in Kommunen zu entwickeln. Es wird hier als „Wirtschaftsförderung 4.0“ bezeichnet.
Konzeptionelle Vorüberlegungen dafür finden sich beispielsweise in der Resilienzforschung. Als Resilienz wird die Fähigkeit verstanden, dass sich ein System trotz externer Störungen und Veränderungen selbst erhält und auf diese Weise die eigenen Funktionsweisen und Strukturen bestehen bleiben. Diese Fähigkeit beschreibt die Selbstorganisation eines Systems. Dieses ist innerhalb der vorgegebenen Grenzen in der Lage, sich neu zu ordnen. Eine krisenfeste Region und auch deren Ökonomie sind bestrebt, dass das Leben in der Region auch in turbulenten Zeiten funktioniert und die Lebensqualität der Bürger(innen) nicht beeinträchtigt wird. Im Fokus steht mehr die Effektivität als die Effizienz. Dabei kommt es darauf an, dass sich die Region im Sinne der Subsistenzwirtschaft – zumindest bis zu einem bestimmten Grad – selbst versorgen kann. Es geht nicht darum, dass alle Leistungen, alle Aktivitäten und Güter messbar und bewertbar sein müssen, sondern darum, dass die Basisgüter weiterhin bereitgestellt werden. So gewinnen Ehrenamt und informelle Arbeit, genauso wie handwerkliche Berufe, wieder an Bedeutung.
In der populärwissenschaftlichen Literatur finden sich zahlreiche Arbeiten, welche die Bedeutung kooperativen Wirtschaftens betonen. Exemplarisch genannt seien hier die Gemeinwohlökonomie von Christian Felber, Rob Hopkins’ Buch zur Transition-Town-Bewegung oder die „Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ von Jeremy Rifkin. Rifkin sieht in der ihm typischen Art große Veränderungen auf uns zukommen. „Collaborative Commons“ werden demnach das Wirtschaftssystem der Zukunft prägen. Die Tauschwirtschaft sei ohne Geld möglich, würde schrittweise eine immer größere Bedeutung einnehmen und den Kapitalismus zurückdrängen – und das sogar jenseits von altruistischen Ambitionen. Als Motivation genüge schon die Neigung zur individuellen Nutzenmaximierung. Demnach werden Teilen, Tauschen und Kooperieren nicht nur die Wirtschaft verändern, sondern auch eine sozial-kulturelle Transformation herbeiführen; also einen Wandel der Gewohnheiten, Routinen und alltäglichen Lebensführung.
Klassische Wirtschaftsförderung, wie wir sie kennen, adressiert etablierte, gewerbliche Wirtschaftsformen. Bis heute bilden der Clusteransatz, regionale Innovationssysteme oder Technologiezentren den gängigen Orientierungsrahmen für Wirtschaftsförderung. Diese ist auf die Steigerung von (globaler) Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft ausgerichtet. Die systematische Förderung kooperativer Wirtschaftsformen (vgl. Abbildung auf der nächsten Seite) wäre ein völlig neues Aktivitätsfeld.
Angezeigt ist eine Wirtschaftsförderung der nächsten Generation, hier Wirtschaftsförderung 4.0 genannt – ein Kunstbegriff in Anlehnung an „Industrie 4.0“, die Strategie der deutschen Bundesregierung. Bei der Wirtschaftsförderung 4.0 handelt es sich ebenfalls um ein Zukunftsprojekt. Sein Kern ist allerdings keine Hightech-Strategie, sondern zielt auf kollaborative Initiativen ab.
Eine bereits etablierte Strategie im Sinne der Wirtschaftsförderung 4.0 ist der Aufbau einer kommunalen Energieversorgung als kollektive Form der Produktion. Dezentrale Erzeugungsmöglichkeiten mindern den Kapitalabfluss aus der Region und zugleich die Anfälligkeit gegenüber Lieferengpässen von außen. Der Einsatz erneuerbarer Energien macht eine Stadt oder Gemeinde zudem unabhängiger von importierten Ressourcen und den damit verbundenen Preisschwankungen. Kooperative Wirtschaftsformen basieren oft auf ehrenamtlichem Engagement und stoßen deshalb schnell an Kapazitätsgrenzen. Kommunale Unterstützung kann kleinen und wenig bekannten Initiativen zu einer beachtlichen Popularität verhelfen. Das hat sich beispielsweise bei den Carsharing-Angeboten in Wuppertal und Osnabrück gezeigt. In beiden Städten gab es anfangs Vereine mit 80 bis 120 Mitgliedern, Zu- und Abgänge hielten sich über zehn bis 15 Jahre die Waage. Als die Stadtwerke begannen, Carsharing systematisch zu fördern, stieg die Zahl der Nutzer(innen) sprunghaft. In Wuppertal nutzten schon nach wenigen Jahren mehr als 3.000 Bürger(innen) das Angebot. In Osnabrück hat sich die Zahl der Mitglieder innerhalb von zwei Jahren verzehnfacht.
2 Antworten
[…] spannend ist Michael Kopatz´ Konzept der Wirtschaftsförderung 4.0. Kopatz arbeitet am Wuppertal Institut und schlägt die Förderung kooperativer Wirtschaftsformen […]
[…] weiterhin verfolgte Wirtschaftswachstum greift sich sprichwörtlich seinen Raum. Ansätze einer alternativen Wirtschaftsförderung, die Initiativen und Unternehmen ohne Wachstumszwang Raum bietet, existieren hingegen nicht; wohl […]