Wilde Zeiten – Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
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Begriffe wie Freiwirtschaft, Freigeld und Freiland sind Ihnen geläufig. Freibanken oder besser gesagt „Free Banking“ eher nicht. Den Buchungsvorgang einer Geschäftsbank bei Vergabe eines Kredits bezeichnen manche Experten in Übereinstimmung mit Finanz-Lehrbüchern als Geldschöpfung, wenngleich die Geldscheine einzig von der Zentralbank gedruckt werden dürfen. Das Drucken von Banknoten war im Gegensatz dazu ein wesentliches Merkmal der »Freibanken« in vergangenen Zeiten. Expertenstreit entflammt heutzutage an Nuancen der Ausgestaltung des Zusammenspiels der Zentralbank mit den Geschäftsbanken oder der Rangfolge einzelner Funktionen des Bargelds. Ob die Lösungsvorschläge für ein Geldsystem der Zukunft Vollgeld oder umlaufgesichertes Geld heißen: Am Staatsmonopol wird nicht gerüttelt. Im Gegensatz zum Free Banking.
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Die unterschiedlichen geschichtlichen Phasen eines Bankwesens, die es regionalen Geschäftsbanken ermöglichte, Geld zu drucken, waren genauso vielgestaltig, wie das Design der in Umlauf gebrachten Scheine. Der damit verbundene Freiheitsdrang mit geringer staatlicher Einflussnahme basiert auf der Annahme, wonach Gesellschaftssysteme am besten funktionieren, wenn sie kleinteilig, selbstregulierend und ‑organisierend sind und auf Gerechtigkeit und Chancengleichheit beruhen. Michael Unterguggenberger, einstiger Bürgermeister der Geldwunderstadt Wörgl, hatte mit seinen Arbeitswertscheinen das Gelddrucken erfolgreich in eigene Hände genommen, bis es ihm der Staatsmonopolist verbot. Das Aufsehenerregende an diesem Experiment aus vergangenen Tagen war die mittels Klebemarken sinnlos gemachte Hortung der Scheine. Eine Finesse, die es beim Free Banking nicht gab.
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Eine Bank in Michigan brachte zu Beginn des 19. Jahrhunderts Banknoten mit aufgedruckten Bildmotiven von Wildkatzen heraus. Das Geldhaus ging Pleite und es erwies sich, dass die umlaufenden Geldscheine nicht durch versprochene Sicherheiten gedeckt und damit wertlos waren. Die Bank hinterließ der Nachwelt den Begriff „Wildcat-Banking“, der in der Folge abwertend benutzt wurde, um zu signalisieren, dass von privaten Geschäftsbanken ausgegebene Währungen erhöhte Verlustgefahren bergen. Ermöglicht wurden die Free-Banking-Zeitphasen durch unterschiedliche staatliche Regulierung. Dementsprechend straff oder lasch war die Leine politischer Abhängigkeit der Institute, was wiederum Vor- und Nachteile zur Folge hatte. Dass sich am Ende die zentrale Geldschöpfung durchsetzte, erkennt man an allen heutigen Weltwährungen.
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Spätestens seit der Bankenkrise 2008 schwindet das Vertrauen in die Bankenmacht und das Finanzwesen im Allgemeinen. »Too big to fail« wurde zum Synonym für eine Finanzwelt, die jegliche Bodenhaftung verlor. Seitdem nehmen Währungsneuschöpfungen zu. Neben einer Vielzahl regionaler und sektoraler Modelle entsteht eine ernstzunehmende Kraft im Bereich der digitalen Währungen. Finanzinstrumente stehen unter staatlicher Aufsicht, nur wo genau die Trennlinien zu Transaktionsmedien mit unabhängigem Eigenleben verlaufen, lässt sich kaum ausmachen. Eine unkontrollierbar erscheinende Fülle an Zahlungsmitteln und Finanz-Dienstleistungsangeboten keimt auf, die mit dem allgegenwärtigen Smartphone mit Leichtigkeit handhabbar ist. Aufbauend auf einer um Vertrauen werbenden Struktur, der Blockchain-Technologie, schicken sich Kryptowährungen an, eine innovative Ära des freien Bankings einzuläuten. Die Funktion der Vermittlung zwischen Geldanlage und Kreditvergabe scheint dabei bedeutungslos zu werden. Das Konzept des Bitcoins mit einem Marktpreis in US-Dollar ist zu einem verpönten Spekulationsobjekt verkommen, sollte aber nicht dazu verleiten, die dahinterstehende Technologie samt seiner Zukunftsmöglichkeiten zu unterschätzen. Für einige Experten geht es längst nicht mehr darum, ob die Zukunft des Geldes digital und unabhängig von Monopolen ist, sondern nur noch, ab wann dezentrale Geldschöpfung auf breiter Front zur Normalität wird. Wie ist es einzuschätzen, wenn der EZB-Präsident Draghi vor Bitcoin warnt, aber im gleichen Atemzug das Potenzial der Blockchain-Technologie als zukunftsweisend erklärt? Geht er, der oberste Währungshüter des Euro davon aus, dass die Geldemission zentral bleibt und sich der modernen Digitaltechnik bedient, um Vertrauenswürdigkeit herzustellen?
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Das wesentliche Potenzial von Blockchain liegt in der Unabhängigkeit von den Schwächen monopolistischer Machtkonzentrationen und deren Einflussnahme auf das Gesamtsystem. Draghis Äußerungen deuten an, dass man die aufkommende Technik durch Regulierung unter hoheitliche Kontrolle bringen will. Dieses Ansinnen ist hinsichtlich des sich entwickelnden Gefüges von Kryptowährungen paradox.
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Wir leben in einer Phase politischen wie ökonomischen Umbruchs bahnbrechenden Ausmaßes. Noch in einem Stadium steckend, das Wissen und Erfahrung von Geldreformern gefragter denn je erscheinen lässt. Die Gelegenheit, aufkommende Entwicklungen von Beginn an mitzugestalten, bekommt man nicht alle Tage.
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Herzlich grüßt Ihr Andreas Bangemann
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Begriffe wie Freiwirtschaft, Freigeld und Freiland sind Ihnen geläufig. Freibanken oder besser gesagt „Free Banking“ eher nicht. Den Buchungsvorgang einer Geschäftsbank bei Vergabe eines Kredits bezeichnen manche Experten in Übereinstimmung mit Finanz-Lehrbüchern als Geldschöpfung, wenngleich die Geldscheine einzig von der Zentralbank gedruckt werden dürfen. Das Drucken von Banknoten war im Gegensatz dazu ein wesentliches Merkmal der »Freibanken« in vergangenen Zeiten. Expertenstreit entflammt heutzutage an Nuancen der Ausgestaltung des Zusammenspiels der Zentralbank mit den Geschäftsbanken oder der Rangfolge einzelner Funktionen des Bargelds. Ob die Lösungsvorschläge für ein Geldsystem der Zukunft Vollgeld oder umlaufgesichertes Geld heißen: Am Staatsmonopol wird nicht gerüttelt. Im Gegensatz zum Free Banking.
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Die unterschiedlichen geschichtlichen Phasen eines Bankwesens, die es regionalen Geschäftsbanken ermöglichte, Geld zu drucken, waren genauso vielgestaltig, wie das Design der in Umlauf gebrachten Scheine. Der damit verbundene Freiheitsdrang mit geringer staatlicher Einflussnahme basiert auf der Annahme, wonach Gesellschaftssysteme am besten funktionieren, wenn sie kleinteilig, selbstregulierend und ‑organisierend sind und auf Gerechtigkeit und Chancengleichheit beruhen. Michael Unterguggenberger, einstiger Bürgermeister der Geldwunderstadt Wörgl, hatte mit seinen Arbeitswertscheinen das Gelddrucken erfolgreich in eigene Hände genommen, bis es ihm der Staatsmonopolist verbot. Das Aufsehenerregende an diesem Experiment aus vergangenen Tagen war die mittels Klebemarken sinnlos gemachte Hortung der Scheine. Eine Finesse, die es beim Free Banking nicht gab.
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Eine Bank in Michigan brachte zu Beginn des 19. Jahrhunderts Banknoten mit aufgedruckten Bildmotiven von Wildkatzen heraus. Das Geldhaus ging Pleite und es erwies sich, dass die umlaufenden Geldscheine nicht durch versprochene Sicherheiten gedeckt und damit wertlos waren. Die Bank hinterließ der Nachwelt den Begriff „Wildcat-Banking“, der in der Folge abwertend benutzt wurde, um zu signalisieren, dass von privaten Geschäftsbanken ausgegebene Währungen erhöhte Verlustgefahren bergen. Ermöglicht wurden die Free-Banking-Zeitphasen durch unterschiedliche staatliche Regulierung. Dementsprechend straff oder lasch war die Leine politischer Abhängigkeit der Institute, was wiederum Vor- und Nachteile zur Folge hatte. Dass sich am Ende die zentrale Geldschöpfung durchsetzte, erkennt man an allen heutigen Weltwährungen.
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Spätestens seit der Bankenkrise 2008 schwindet das Vertrauen in die Bankenmacht und das Finanzwesen im Allgemeinen. »Too big to fail« wurde zum Synonym für eine Finanzwelt, die jegliche Bodenhaftung verlor. Seitdem nehmen Währungsneuschöpfungen zu. Neben einer Vielzahl regionaler und sektoraler Modelle entsteht eine ernstzunehmende Kraft im Bereich der digitalen Währungen. Finanzinstrumente stehen unter staatlicher Aufsicht, nur wo genau die Trennlinien zu Transaktionsmedien mit unabhängigem Eigenleben verlaufen, lässt sich kaum ausmachen. Eine unkontrollierbar erscheinende Fülle an Zahlungsmitteln und Finanz-Dienstleistungsangeboten keimt auf, die mit dem allgegenwärtigen Smartphone mit Leichtigkeit handhabbar ist. Aufbauend auf einer um Vertrauen werbenden Struktur, der Blockchain-Technologie, schicken sich Kryptowährungen an, eine innovative Ära des freien Bankings einzuläuten. Die Funktion der Vermittlung zwischen Geldanlage und Kreditvergabe scheint dabei bedeutungslos zu werden. Das Konzept des Bitcoins mit einem Marktpreis in US-Dollar ist zu einem verpönten Spekulationsobjekt verkommen, sollte aber nicht dazu verleiten, die dahinterstehende Technologie samt seiner Zukunftsmöglichkeiten zu unterschätzen. Für einige Experten geht es längst nicht mehr darum, ob die Zukunft des Geldes digital und unabhängig von Monopolen ist, sondern nur noch, ab wann dezentrale Geldschöpfung auf breiter Front zur Normalität wird. Wie ist es einzuschätzen, wenn der EZB-Präsident Draghi vor Bitcoin warnt, aber im gleichen Atemzug das Potenzial der Blockchain-Technologie als zukunftsweisend erklärt? Geht er, der oberste Währungshüter des Euro davon aus, dass die Geldemission zentral bleibt und sich der modernen Digitaltechnik bedient, um Vertrauenswürdigkeit herzustellen?
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Das wesentliche Potenzial von Blockchain liegt in der Unabhängigkeit von den Schwächen monopolistischer Machtkonzentrationen und deren Einflussnahme auf das Gesamtsystem. Draghis Äußerungen deuten an, dass man die aufkommende Technik durch Regulierung unter hoheitliche Kontrolle bringen will. Dieses Ansinnen ist hinsichtlich des sich entwickelnden Gefüges von Kryptowährungen paradox.
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Wir leben in einer Phase politischen wie ökonomischen Umbruchs bahnbrechenden Ausmaßes. Noch in einem Stadium steckend, das Wissen und Erfahrung von Geldreformern gefragter denn je erscheinen lässt. Die Gelegenheit, aufkommende Entwicklungen von Beginn an mitzugestalten, bekommt man nicht alle Tage.
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Herzlich grüßt Ihr Andreas Bangemann
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