Über Nacht degradiert – Pat Christ
Immer mehr Forscher sehen die Freiheit der Wissenschaft massiv bedroht
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Um nicht den Laufpass zu erhalten, um nicht inhaftiert oder gar mit dem Tode bedroht zu werden, forschen sie „unanstößig“: In vielen Ländern ist es mit der Freiheit der Wissenschaft nicht eben zum Besten bestellt. Auch „in westlich orientierten, demokratischen Ländern gerät Wissenschaft immer wieder unter Druck“, konstatiert die Konrad-Adenauer-Stiftung in einem Papier mit dem Titel „Argumente für mehr Rücksicht auf ein gefährdetes Grundrecht“. Es erschien im Jahr 2017.
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Derzeit erleben wir, dass wissenschaftlich „Anstößiges“ mit einer Kaskade von bösen Worten abgestraft wird. „SARS-CoV‑2 ist zu einem Thema geworden, das so politisiert ist, dass jeder, der von der ‚Parteilinie‘ abweicht, vernichtet wird“, sagte ein Forscher mit dem Pseudonym „Andreas Canetti“ im Interview mit dem Journalisten Dirk Pohlmann. Das soll auch der Immuntoxikologe Stefan Hockertz erlebt haben. Hockertz wagte es, die Impfkampagne als „Experiment am Menschen“ zu kritisieren. Im Juni wurde sein Haus nach einem Interview durchsucht – angeblich oder tatsächlich wegen Steuerhinterziehung. Kurz danach verließ er, wie es hieß, „fluchtartig“ Deutschland.
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Ist es wirklich so, dass man Wissenschaftlern in der Corona-Krise einen Maulkorb anlegt? Ich stelle diese Frage Peter Hoeres, Historiker an der Uni Würzburg und Mitgründer des „Netzwerks Wissenschaftsfreiheit“. So ganz teilt der Professor diese Befürchtung nicht. Schließlich gebe es noch Wissenschaftler, die sehr kritische und stark vom Mainstream abweichende Meinungen äußern. „Die Aggressivität allerdings, mit der Randpositionen geächtet werden, halte ich für bedenklich“, sagt der Experte für neuere Geschichte. Pöbeleien und Angriffe von außen habe es zwar schon immer gegeben. Zu beobachten sei nun jedoch, dass diese Attacken aus der Wissenschaft selbst kommen.
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Vom Juraprofessor bis zur Physikerin sind im „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ alle Disziplinen vertreten. Über 600 Forscherinnen und Forscher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören der Initiative inzwischen an. Auch wenn damit natürlich nur ein Bruchteil aller Wissenschaftler aus den deutschsprachigen Ländern vertreten ist, ist diese Zahl beachtlich, findet Peter Hoeres: „Zumal wir keine Werbung gemacht haben.“ Den Mitgliedern, betont der Historiker, geht es nicht nur um sich selbst, sondern vor allem auch um den wissenschaftlichen Nachwuchs. Der ist abhängig und in aller Regel prekär beschäftigt. Wodurch er besonders schnell unter Druck gerät.
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Sofort diffamiert
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Dass sogar das Netzwerk diffamiert wird, kann Hoeres nicht nachvollziehen. Doch genau dies geschieht. Die Initiative sei, heißt es, „rechts“. „Das geht gar nicht, denn wir haben ein voll und ganz liberales Anliegen“, sagt der Historiker und verweist auf den Fall von Maisha-Maureen Auma, die vom Netzwerk verteidigt wurde. Die Professorin für Diversity Studies an der Hochschule Magdeburg-Stendal hatte den aus ihrer Sicht strukturellen Rassismus an deutschen Hochschulen kritisiert. Hans-Thomas Tillschneider, Fraktionssprecher der AfD in Sachsen-Anhalt für Bildung und Wissenschaft, forderte daraufhin, Auma solle als Wissenschaftlerin „in ihre Schranken“ verwiesen werden.
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Es gibt eine Indoktrinierung der Wissenschaft, sagt klipp und klar Sandra Kostner, die das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ initiiert hat. Sandra Kostner ist Migrationsforscherin an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Sechs Jahre lang lebte und arbeitete sie ab 2003 im australischen Sydney, wo sie 2009 promovierte. „Schon dort habe ich erlebt, dass es immer mehr Einschränkungen in der Wissenschaft gibt“, sagt sie. So sei es Wissenschaftlern immer schwerer gemacht worden, bestimmte Themen aufzugreifen. Das habe sowohl die Lehre als auch die Forschung betroffen. Auch in ihrem Fachgebiet, der Migrationsforschung, gibt es laut Sandra Kostner Restriktionen.
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