System Change Now! – Wolfgang Berger

Die promi­nen­ten Bürger einer klei­nen Stadt am Rhein dinier­ten gemein­sam im Rats­kel­ler: Der Bürger­meis­ter, der Schul­rek­tor, der Rich­ter, der Arzt, der Forst­meis­ter und die wich­tigs­ten Geschäfts­leu­te. Sie tran­ken guten Wein und erle­se­ne Schnäp­se. Nach Mitter­nacht verlie­ßen sie fröh­lich und beschwipst das Lokal. Auf dem Markt­platz war tags­über Karne­val gefei­ert worden, ein Ketten­ka­rus­sell stand noch da. Einer der Zech­brü­der meinte, es wäre doch lustig, jetzt Karus­sell zu fahren.
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Jeder fand einen Sitz, der letzte stell­te den Motor an und sprang dann auch noch auf. Das Karus­sell kam in Fahrt, die Sitze kreis­ten in der Höhe. Da bemerk­ten die Herren, dass keiner mehr absprin­gen und den Motor abstel­len konnte. Sie schrien nach Hilfe, aber niemand hörte sie. Die Karus­sell­fahrt dauer­te die ganze Nacht und wurde zum Albtraum. Um sechs Uhr morgens entdeck­te der Zeitungs­bo­te die verzwei­fel­te Gesell­schaft. Er alar­mier­te die Feuer­wehr. Die Bilanz war schrecklich:
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Die meis­ten hatten einen Schock erlit­ten und muss­ten psych­ia­trisch behan­delt werden. Drei waren bewusst­los und wurden ins Kran­ken­haus gebracht. Einer hatte einen Herz­in­farkt erlit­ten. Er war tot. Diese wahre Bege­ben­heit zeigt, wie es Partei­en geht, wenn sie nicht recht­zei­tig absprin­gen. Sie haben ein Karus­sell in Gang gesetzt, welches sie nicht mehr stop­pen können, sie flie­gen hoch in der Luft und haben die Boden­haf­tung verloren.
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Getrie­be­ne im Stru­del der Ereignisse
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Am Anfang ihrer Regent­schaft hat sich die ewige Kanz­le­rin Dr. Angela Merkel mit ihrer Partei noch dicht über dem Boden bewegt. Ihr Stil war unauf­ge­regt, geprägt von Sach­kom­pe­tenz und Bere­chen­bar­keit. Dies hat ihr Respekt verschafft, ihr Anse­hen im In- und Ausland begrün­det und ihrer Partei immer wieder gute Wahl­er­geb­nis­se beschert. Das Karus­sell musste und konnte höher fliegen.
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Am 11. März 2011 geschah dann etwas Uner­war­te­tes: Kurz vor dem 27. März, an dem in Baden-Würt­tem­berg der Land­tag gewählt wurde, ereig­ne­te sich eine schwe­re Atom­ka­ta­stro­phe in Fuku­shi­ma, Japan. Die CDU in Baden-Würt­tem­berg hat seit 58 Jahren die Regie­rung geführt. Die Berli­ner Regie­rungs­ko­ali­ti­on aus CDU und FDP hatte hat sich noch am 5. Septem­ber 2010 auf eine Verlän­ge­rung der Lauf­zei­ten für Atom­kraft­wer­ke geei­nigt. Jetzt musste das Ruder schnell herum­ge­ris­sen werden, damit die Grüne Partei nicht von den Ängs­ten vor Atom­ener­gie profi­tiert. In einem verzwei­fel­ten Versuch, das Blatt zu wenden, beschloss die Partei der Kanz­le­rin über­stürzt den Atomausstieg.
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Die Rech­nung ging nicht auf. Mit Winfried Kret­sch­mann wurde erst­mals ein Poli­ti­ker der Grünen Minis­ter­prä­si­dent in einem Bundes­land. Nach dieser unvor­be­rei­te­ten Entschei­dung zahlen wir die höchs­ten Strom­prei­se Euro­pas. Weil der Ausstieg kurz nach der Lauf­zeit-Verlän­ge­rung im Jahre 2010 folgte, machen die Ener­gie­kon­zer­ne gewal­ti­ge Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen geltend. Schät­zun­gen gehen von bis zu tausend Milli­ar­den Euro Gesamt­kos­ten aus. Die regie­ren­den Partei­en woll­ten den Absturz vermei­den, es immer schnel­ler und höher haben, koste es was es wolle.
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Am 13. Mai 2012 wurde in Nord­rhein-West­fa­len ein neuer Land­tag gewählt. Die deut­sche Regie­rung verwei­ger­te zuvor einen Schul­den­schnitt der grie­chi­schen Staats­schul­den. Wenn die Schul­den verschwin­den, verschwin­den auch die damit zusam­men­hän­gen­den Vermö­gen. Das – so glaub­te die Regie­rung – sei den Wählern nicht zu vermit­teln. Wieder musste es plan­los immer höher und riskan­ter werden. Das bruta­le Sanie­rungs­pro­gramm hat die grie­chi­sche Wirt­schaft ruiniert und wegen Wahlen in einem deut­schen Bundes­land in ein Fass ohne Boden verwandelt.
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Die Redu­zie­rung der Schul­den auf ein Niveau, welches das Land auch bedie­nen kann, hätte das Problem solide und dauer­haft gelöst. Grie­chen­land wäre saniert und hätte sich wirt­schaft­lich erho­len können. Anstel­le einer saube­ren und endgül­ti­gen Lösung gelang es dem fran­zö­si­schen Präsi­den­ten Nico­las Sarko­zy, die Banken Frank­reichs auf Kosten der deut­schen Steu­er­zah­ler zu retten. Trotz­dem ging die Wahl in Nord­rhein-West­fa­len für die in Berlin regie­ren­den Partei­en verloren.
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Am 4. Septem­ber 2015 sitzen tausen­de Flücht­lin­ge in Ungarn fest. In einer stil­len Nacht entschließt sich Frau Dr. Merkel, sie in Zügen nach Deutsch­land zu holen und ohne jede Kontrol­le ins Land zu lassen. Diese folgen­rei­che Entschei­dung hat danach bis zu 13.000 Flücht­lin­ge täglich nach Deutsch­land gespült. Die hier ansäs­si­gen Menschen – und nicht nur die Deut­schen – sind besorgt, dass die Entschei­dung der Kanz­le­rin unsere Sicher­heits­la­ge verschlechtert.
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Am 14. Okto­ber 2018 fanden in Bayern und am 28. Okto­ber 2018 in Hessen Land­tags­wah­len statt. In der Hoff­nung auf ein akzep­ta­bles Abschnei­den bei diesen Wahlen und in Anbe­tracht der Skep­sis in der Bevöl­ke­rung hatte sich Frau Dr. Merkel zuvor still und ohne einen Fehler zuzu­ge­ben von dem Konzept offe­ner Gren­zen verab­schie­det. Trotz­dem haben die Unions-Partei­en in beiden Bundes­län­dern gewal­ti­ge Stimm­ver­lus­te erlit­ten. Der neuen CDU-Vorsit­zen­de Anne­gret Kramp-Karren­bau­er gelang in ihrem „Werk­statt­ge­spräch Migra­ti­on“ die Distan­zie­rung von Merkels Flücht­lings­po­li­tik. Sie akzep­tier­te sogar mögli­che „Zurück­wei­sun­gen“ an der Grenze. Merkel distan­zier­te sich darauf­hin öffent­lich von dieser Option.
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Unsere poli­ti­sche Élite ist gefan­gen in einem Prozess, den sie selbst in Gang gesetzt hat. Absprin­gen ist der Ruin der poli­ti­schen Exis­tenz. Auch wenn Einzel­ne sich notge­drun­gen einmal selbst aufge­ben – eine ganze Partei kann es nicht. Das System verlangt ein immer Mehr, Höher und Schnel­ler. Wer dort drin sitzt, muss mitspie­len. Irgend­wann reißen die Halte­run­gen und alle flie­gen aus den Sitzen. Dann ist das System am Ende. Dieser Tag ist jetzt nicht mehr fern.
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