Schuldenbremse – und was davon zu halten ist
Es ist fast absurd: Ausgerechnet zu einer Zeit, in der man in Berlin alle Geldschleusen in einem Ausmaß öffnet wie es bis vor einem Jahr noch undenkbar war, entschließt man sich gleichzeitig auf die Schuldenbremse zu treten und alle nachfolgenden Regierungen per Gesetz an die Kandare zu legen!
Man kann nur vermuten, dass mit diesem doppelten Spiel den Bürgern vor den Wahlen das Gefühl vermittelt werden soll, die Sache noch im Griff zu haben. Dabei hat man es selbst in den vergangenen Wachstumsjahren nicht geschafft, jene moderaten Eingrenzungen der Schuldenaufnahme einzuhalten, für die man sich in Maastricht so vehement eingesetzt hatte!
Aber auch die Wissenschaft scheint inzwischen Kopf zu stehen! Während bis dato fast jeder vor den ständigen Zunahmen der Staatsverschuldungen warnte, malt jetzt z.B. Sebastian Dullien im SPIEGEL vehement die Gefahren dieser Schuldenbremse an die Wand. Ja er bezeichnete diese Schuldenbremse sogar als „Wahnsinn“, womit er – genauer betrachtet – sogar den Nagel auf den Kopf trifft: Denn so lange die Geldvermögen weiter wuchern, ist es tatsächlich Wahnsinn, der Schuldenflut Einhalt gebieten zu wollen. Genauso wie es Wahnsinn wäre ein Fahrzeug abzubremsen, bei dem der Gashebel durchgetreten und verklemmt ist: Entweder frisst sich der Motor fest oder fliegt in Kürze auseinander!
Das heißt: Wer tatsächlich die staatliche Schuldenmacherei überwinden und einen ruhigen und vernünftigen Lauf des ‚Motors Wirtschaft’ erreichen will, der muss zuerst einmal dafür sorgen, dass das ‚Gasgeben’ bei den Geldvermögen eingeschränkt wird. Das ist jedoch nur bei einem Zinsniveau erreichbar, welches im Gleichschritt mit den Sättigungen der Wirtschaft gegen Null absinkt – und zwar ohne dass es dabei zu jenem Geldstreik kommt, dessen Folgen man als Deflation bezeichnet! Wird diese Voraussetzung nicht geschaffen, dann haben sowohl diejenigen Recht die ein ständig zunehmendes Wirtschaftswachstum für unabdingbar halten, als auch jene, die das Abbremsen der Verschuldungen als „Wahnsinn“ bezeichnen.
Wir haben also heute nur die Wahl zwischen zwei Übeln. Und aus dieser Zwickmühle kommen wir nur heraus, wenn wir an jener entscheidenden Stellschraube drehen, die ein vernünftiges Wirtschaften auch ohne ständig positive Zinsen, eskalierende Geldvermögen und Wachstumszwänge möglich macht. Und diese Stellschraube ist die Verstetigung des Geldflusses durch eine zinsunabhängige Umlaufsicherung!
Denn wie der Wirtschaftsmathematiker Professor Jürgen Kremer am Ende einer detaillierten wissenschaftlichen Überprüfung der Gegebenheiten schreibt:
„Die Verzinsung von Kapital hat nur dann langfristig keine destabilisierende
Wirkung, wenn die Wirtschaft stetig und zeitlich unbeschränkt, d.h.
exponentiell wächst. Aufgrund der Endlichkeit der Ressourcen der Erde ist
ständiges Wachstum jedoch weder wünschenswert noch möglich. Eine
Wirtschaftsordnung, die langfristig stabil bleiben soll, muss sich daher von
dem Konzept der Vermögensverzinsung verabschieden.“
Helmut Creutz
Nicht nur das Wachstum der Finanzvermögen durch Zins und Zinseszins spricht gegen die Anwendung einer Schuldenbremse. Ein weiterer Grund zu einer kontinuierlichen Fortsetzung der Staatsverschuldung ist in den Blick zunehmen. Seit Jahren kann der Staat seine Schuldenzinsen nicht mehr aus Steuermitteln zahlen. Er nimmt Jahr für Jahr Kredite auf, um die Zinsen für seine Schulden bezahlen zu können. Damit wachsen der Schuldenberg und die Zinslasten.
Bis 2013 sind wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise außergewöhnlich hohe Kreditaufnahmen vorgesehen, was zusätzlich die Zinslasten erhöhen und zu weiteren steigenden Verschuldungen allein zwecks Bezahlung der Schuldenzinsen zwingen wird.
Ferner ist an die sogenannten versteckten Schulden zu denken: Aufgrund der Altersstruktur unter den Beamten kommen demnächst durch die zu zahlenden Pensionen, für die keine Beiträge abgeführt werden, große Belastungen auf unseren Staat zu.
Ein so starkes Wirtschaftswachstum und/oder so große finanzielle Belastungen der Bürger, dass dadurch die Schuldenzinsen aus Steuermitteln bezahlt werden könnten, sind nicht mehr möglich
Eine andauernde Fortsetzung der Staatsverschuldung ist daher in einem auf Zins und Zinseszins basierenden System unvermeidbar.
Danke für diesen klaren Beitrag, der nur aus einem tiefen Wissen um die Zusammenhänge der Geldorganisation geschrieben werden kann. Diese Einsicht fehlt den meisten ‚Experten’ heute, weil sie ihr Wissen aus Quellen beziehen, die schon zum Zeitpunkt des Entstehens falsch waren. In Anbetracht der ziemlich deutlich sichtbaren Auswirkungen der Krise will ich noch weiter gehen und meine, dass wir uns schlicht und einfach vom Gewinndenken verabschieden müssen. Einkommen kann es nur mehr aus dem Titel ‚Arbeit’ im Rahmen eines fairen und freien Wettbewerbs geben. Besitzeinkommen ist bereits ‚Raub’ am Arbeitsertrag anderer und bringt uns die ganzen Probleme mit zunehmender sozialer Schärfe, besonders in den sogenannten Entwicklungsländern. Einen anderen Weg kann ich nach gründlichem, jahrzehntelangem Studium und geistigem Austausch nicht erkennen. Und: Jeden gehen die Probleme an und jeder hat daher Stellung beziehen, wenn die Probleme sich nicht existenzbedrohend global entwickeln sollen.
Die Kandare, an die künftige Regierungen gelegt werden, ist m.E. keine. Ich habe von „Notsituationen“ gelesen, in denen die verabschiedeten Regularien außer Kraft gesetzt werden können. In der gegenwärtigen Situation wäre schon längst die „Not“ proklamiert worden. Man hat sie ja auch als Rechtfertigung angeführt, um Maastricht beiseite schieben zu können.
Und außerdem soll das Gesetz zu einem Zeitpunkt in Kraft treten, wenn wahrscheinlich der Staat schon pleite ist.