Rebell für Freiland und Freigeld – Dr. Yvonne Voegeli, Hochschularchiv ETH Zürich
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Beispiele von Persönlichkeiten, die – nachdem sie sich offen zu den Reformideen Silvio Gesells bekannten – ein „bewegtes“ Leben führten gibt es sehr viele. Die Lösungsvorschläge einer Geld- und Bodenreform hatten den Charme des Besonderen, des Außergewöhnlichen, nie Dagewesenen. Es bestand (und besteht immer noch) die Aussicht, damit ein Herausstellungsmerkmal im undurchsichtigen Wust von Theorien zu kreieren, das Chancen auf einen grundlegenden Wandel birgt. Dass bei derlei Ansinnen natürlich auch immer persönliche Interessen und Profilierungstendenzen ins Spiel kommen, liegt in der Natur der Sache. Das ändert nichts an der Tatsache, dass diese „Kämpfer“ ihren verdienten Platz in der Geschichte des Wandels bekommen müssen. Denn bis zum heutigen Tage ist das System, das als die Ursache für Leid und Zerstörung in zunehmender Zahl von Köpfen ausgemacht wird nicht überwunden: Der Kapitalismus in seiner reinen Form als leistungslose Akkumulation von Geldvermögen in den Händen einer kleinen Zahl von Leuten zu Lasten der großen Mehrheit der Weltgemeinschaft. Dieses System steht auf einem staatlichen Fundament, demokratisch gewählter Einrichtungen. Diese anzugreifen, häufig direkt gegen die handelnden Personen gerichtet, war und ist bis heute eine von vielen Möglichkeiten, Veränderungen herbeizuführen, bzw. erzwingen zu wollen.
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Der Schweizer Hans Bernoulli war eine Persönlichkeit, die sich auf vielfältige Weise diesem Kampf stellte. Aus Anlass seines 140. Geburtstages und auch aus Anlass des 100-jährigen Erscheinens des Hauptwerks von Silvio Gesell, „Die Natürliche Wirtschaftsordnung“, soll das Leben dieses in weiten Kreisen angesehenen Streiters aus einer besonderen Sicht beleuchtet werden..
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Dr. Yvonne Voegeli arbeitet an der ETH Zürich und trägt regelmäßig Highlights aus den Sammlungen und Archiven der Hochschule zusammen, um damit zeitgeschichtliche Dokumente zu schaffen, die in Verbindung mit den Menschen stehen, die an der ETH Zürich gewirkt haben.
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Von 1919 bis 1938 war Hans Bernoulli an der ETH in Zürich und hier ist die Geschichte dazu aus den Archiven der Hochschule:
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Freigestellter Freigeist – Hans Bernoulli zum 140. Geburtstag
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Eine böse Weihnachtsüberraschung steckte am 24. Dezember 1938 im Briefkasten von Hans Bernoulli, Titularprofessor für Städtebau an der ETH. Der Präsident des Schweizerischen Schulrates schrieb ihm, dass sein Lehrauftrag mit Schluss des Wintersemesters beendet sei und nicht erneuert werde. Damit hatte Bernoulli nicht gerechnet. Dennoch traf ihn der Blitz nicht aus heiterem Himmel, das Gewitter hatte sich seit langem zusammengebraut und mit Donnergrollen angekündigt.
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Professor ohne Prüfung
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Hans Bernoulli (17. 2. 1876 – 12. 9. 1959) trug den Namen eines angesehenen Basler Geschlechts, war Nachkomme berühmter Gelehrter, Sohn eines glücklosen Notariatsangestellten und einer lebensfrohen Mutter, die ihren fünf Kindern das Zeichnen beibrachte. Über seine Schul‑, Lehr- und Wanderjahre schrieb Bernoulli am 75. Geburtstag: „Um Examina habe ich mich gedrückt zeitlebens (einzig der Rekrutenprüfung konnte ich nicht entgehen).“
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1912 wurde Bernoulli Chefarchitekt der Baugesellschaft Basel und ersuchte gleichzeitig die ETH um Lehrerlaubnis. Die übliche Habilitationsschrift konnte er nicht vorweisen. Stattdessen vermochte er die Professoren der Architekturabteilung in Gesprächen von seinen Fähigkeiten zu überzeugen. Mit deren Empfehlung und aufgrund seiner publizistischen Tätigkeit wurde er auf Antrag des Schweizerischen Schulrats vom Schweizerischen Bundesrat per Sommersemester 1913 zum Privatdozenten der ETH für Städtebau ernannt.
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Ab 1918 führte Bernoulli wieder wie in früheren Jahren ein eigenes Architekturbüro. Da erreichte ihn 1919 der Ruf auf eine Professur an der Technischen Hochschule Hannover. Ein verlockendes Angebot. Aber sein neues Geschäft schon wieder aufzugeben, kam ihm ungelegen. Anderseits hätte er, der Spross ohne akademische Abschlüsse am jahrhundertealten Gelehrtenstammbaum, sich nur zu gerne dennoch hochachtungsvoll mit „Herr Professor“ ansprechen lassen und an gesellschaftlicher Statur dazugewonnen.
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Wiederum half ein Gespräch. Am 11. Juli 1919 verlieh ihm der Schweizerische Bundesrat auf Antrag des Schweizerischen Schulrates für seine Verdienste um die ETH den Titel eines Professors. Bernoulli bedankte sich am 13. August 1919 artig beim Schulratspräsidenten und versprach: „Ich werde stets bemüht sein, der Technischen Hochschule mit meinem besten Wissen und Können zu dienen.“
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Fortan unterschieb der Architekt mit „Prof. Hans Bernoulli“ bis seine Druckerei ihm neues Briefpapier mit gedrucktem Professorentitel im Briefkopf geliefert hatte…
Beispiele von Persönlichkeiten, die – nachdem sie sich offen zu den Reformideen Silvio Gesells bekannten – ein „bewegtes“ Leben führten gibt es sehr viele. Die Lösungsvorschläge einer Geld- und Bodenreform hatten den Charme des Besonderen, des Außergewöhnlichen, nie Dagewesenen. Es bestand (und besteht immer noch) die Aussicht, damit ein Herausstellungsmerkmal im undurchsichtigen Wust von Theorien zu kreieren, das Chancen auf einen grundlegenden Wandel birgt. Dass bei derlei Ansinnen natürlich auch immer persönliche Interessen und Profilierungstendenzen ins Spiel kommen, liegt in der Natur der Sache. Das ändert nichts an der Tatsache, dass diese „Kämpfer“ ihren verdienten Platz in der Geschichte des Wandels bekommen müssen. Denn bis zum heutigen Tage ist das System, das als die Ursache für Leid und Zerstörung in zunehmender Zahl von Köpfen ausgemacht wird nicht überwunden: Der Kapitalismus in seiner reinen Form als leistungslose Akkumulation von Geldvermögen in den Händen einer kleinen Zahl von Leuten zu Lasten der großen Mehrheit der Weltgemeinschaft. Dieses System steht auf einem staatlichen Fundament, demokratisch gewählter Einrichtungen. Diese anzugreifen, häufig direkt gegen die handelnden Personen gerichtet, war und ist bis heute eine von vielen Möglichkeiten, Veränderungen herbeizuführen, bzw. erzwingen zu wollen.
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Der Schweizer Hans Bernoulli war eine Persönlichkeit, die sich auf vielfältige Weise diesem Kampf stellte. Aus Anlass seines 140. Geburtstages und auch aus Anlass des 100-jährigen Erscheinens des Hauptwerks von Silvio Gesell, „Die Natürliche Wirtschaftsordnung“, soll das Leben dieses in weiten Kreisen angesehenen Streiters aus einer besonderen Sicht beleuchtet werden..
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Dr. Yvonne Voegeli arbeitet an der ETH Zürich und trägt regelmäßig Highlights aus den Sammlungen und Archiven der Hochschule zusammen, um damit zeitgeschichtliche Dokumente zu schaffen, die in Verbindung mit den Menschen stehen, die an der ETH Zürich gewirkt haben.
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Von 1919 bis 1938 war Hans Bernoulli an der ETH in Zürich und hier ist die Geschichte dazu aus den Archiven der Hochschule:
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Freigestellter Freigeist – Hans Bernoulli zum 140. Geburtstag
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Eine böse Weihnachtsüberraschung steckte am 24. Dezember 1938 im Briefkasten von Hans Bernoulli, Titularprofessor für Städtebau an der ETH. Der Präsident des Schweizerischen Schulrates schrieb ihm, dass sein Lehrauftrag mit Schluss des Wintersemesters beendet sei und nicht erneuert werde. Damit hatte Bernoulli nicht gerechnet. Dennoch traf ihn der Blitz nicht aus heiterem Himmel, das Gewitter hatte sich seit langem zusammengebraut und mit Donnergrollen angekündigt.
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Professor ohne Prüfung
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Hans Bernoulli (17. 2. 1876 – 12. 9. 1959) trug den Namen eines angesehenen Basler Geschlechts, war Nachkomme berühmter Gelehrter, Sohn eines glücklosen Notariatsangestellten und einer lebensfrohen Mutter, die ihren fünf Kindern das Zeichnen beibrachte. Über seine Schul‑, Lehr- und Wanderjahre schrieb Bernoulli am 75. Geburtstag: „Um Examina habe ich mich gedrückt zeitlebens (einzig der Rekrutenprüfung konnte ich nicht entgehen).“
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1912 wurde Bernoulli Chefarchitekt der Baugesellschaft Basel und ersuchte gleichzeitig die ETH um Lehrerlaubnis. Die übliche Habilitationsschrift konnte er nicht vorweisen. Stattdessen vermochte er die Professoren der Architekturabteilung in Gesprächen von seinen Fähigkeiten zu überzeugen. Mit deren Empfehlung und aufgrund seiner publizistischen Tätigkeit wurde er auf Antrag des Schweizerischen Schulrats vom Schweizerischen Bundesrat per Sommersemester 1913 zum Privatdozenten der ETH für Städtebau ernannt.
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Ab 1918 führte Bernoulli wieder wie in früheren Jahren ein eigenes Architekturbüro. Da erreichte ihn 1919 der Ruf auf eine Professur an der Technischen Hochschule Hannover. Ein verlockendes Angebot. Aber sein neues Geschäft schon wieder aufzugeben, kam ihm ungelegen. Anderseits hätte er, der Spross ohne akademische Abschlüsse am jahrhundertealten Gelehrtenstammbaum, sich nur zu gerne dennoch hochachtungsvoll mit „Herr Professor“ ansprechen lassen und an gesellschaftlicher Statur dazugewonnen.
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Wiederum half ein Gespräch. Am 11. Juli 1919 verlieh ihm der Schweizerische Bundesrat auf Antrag des Schweizerischen Schulrates für seine Verdienste um die ETH den Titel eines Professors. Bernoulli bedankte sich am 13. August 1919 artig beim Schulratspräsidenten und versprach: „Ich werde stets bemüht sein, der Technischen Hochschule mit meinem besten Wissen und Können zu dienen.“
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Fortan unterschieb der Architekt mit „Prof. Hans Bernoulli“ bis seine Druckerei ihm neues Briefpapier mit gedrucktem Professorentitel im Briefkopf geliefert hatte…
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