Frieden gibt es nur mit Frauen – Pat Christ
Seit 15 Jahren engagiert sich der Frauensicherheitsrat für die UN-Resolution 1325
- – - In offizielle Friedensverhandlungen werden Frauen kaum oder fast nicht einbezogen. Dabei sind es in erster Linie Frauen, die eine vom Krieg zerstörte Gesellschaft wieder aufbauen. Das will der vor 15 Jahren gegründete Frauensicherheitsrat (FSR) ändern. Außen- und Sicherheitspolitik soll keine Männerdomäne mehr sein, Genderaspekte sollen endlich berücksichtigt werden. Vor allem aber setzt sich der FSR seit April 2003 dafür ein, dass die UN-Resolution 1325 umgesetzt wird.
- – - Die Idee, einen Frauensicherheitsrat zu gründen, entstand nach der Afghanistan-Intervention 2001 bei einer Konferenz des damaligen feministischen Instituts, heute Gunda-Werner-Institut, in der Heinrich-Böll-Stiftung. „Wir fanden es überfällig, der männlich dominierten, kriegerischen Sicherheitspolitik ein von Frauen besetztes Gremium entgegenzusetzen“, erinnert sich Mitinitiatorin Gitti Hentschel. Der Frauensicherheitsrat hatte sich zum Ziel gesetzt, die BRD kritisch zu begleiten: „Und Anstöße zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit zu geben.“
- – - Die im Oktober 2000 einstimmig verabschiedete Resolution hebt auf die besonderen Bedürfnisse von Frauen in Konfliktsituationen ab. Gleichzeitig erkennt die Resolution an, dass der Weltfrieden und die internationale Sicherheit „in erheblichem Maße“ gefördert werden können, wenn Frauen an Friedensprozessen mitwirken. Der Frauensicherheitsrat drängte die Bundesregierung, einen deutschen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 zu entwickeln. Was auch geschah. Im Januar 2017 verabschiedete das Bundeskabinett den fortgeschriebenen Nationalen Aktionsplan für die Jahre 2017 bis 2020.
- – - Fünf Jahre nach Verabschiedung der UN-Resolution 1325 starteten Frauen aus ganz Europa eine erste gemeinsame Kampagne mit der Forderung „Frauen an den Verhandlungstisch“, die speziell für den Kosovo gelten sollte. Die Frauengruppen trafen sich am 11. September 2005, wenige Wochen vor den Wiener Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo, um gemeinsam dafür zu kämpfen, mitverhandeln zu dürfen. „Leider hatten wir hier, wie oft, keinen Erfolg“, sagt Ute Scheub, ebenfalls Mitbegründerin des Frauensicherheitsrats: „Auf die Kosovo-Frauen wurde nicht gehört.“
- – - Dennoch sei das bisher 15-jährige Engagement des Frauensicherheitsrats keineswegs vergebens gewesen: „Unser größter Erfolg besteht darin, dass wir das Thema Frauen, Frieden und Sicherheit bekannter gemacht haben.“ Zu den aktuellen Highlights zählt Scheub eine Rede von Angela Merkel, in der die Bundeskanzlerin sexualisierte Kriegsgewalt verurteilt. Sie wurde im Juli 2017 auf einer Veranstaltung der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag gehalten. Vor 15 Jahren wäre so eine Rede nach Ute Scheubs Einschätzung noch undenkbar gewesen.
- – - Am Anfang stand „Sheherazade“
- – - Das Engagement für den Schutz von Frauen im Krieg und die Förderung von Fraueninitiativen für den Frieden begann im Übrigen weit vor dem Jahre 2003, erinnert Scheub. „Der Frauensicherheitsrat hat eine lange Vorgeschichte“, berichtet die Journalistin. 1992, als der erste Irakkrieg begann, war die damalige taz-Redakteurin Mitbegründerin einer Frauenaktion namens „Sheherazade“: „Damals hatten wir noch die Vision eines Weltfrauensicherheitsrats.“ Dieser Weltfrauensicherheitsrat sollte den Interessen im damals rein männlich dominierten UN-Sicherheitsrat die Sicht der Frauen entgegensetzen: „Denn wir haben eine ganz andere Definition von Sicherheit.“
- – - Damals gab es noch kein Internet. Dennoch schafften es die Frauen bei einer „Kettenre-Aktion“, in über 150 Nationen weltweit 500.000 Unterschriften für einen Weltfrauensicherheitsrat zu sammeln: „Dass das gelungen ist, war ein Wunder.“ Die österreichische Bundesministerin für Frauen, Johanna Dohnal, hatte als erste Ministerin ihre Unterschrift geschickt. Das Fraueninstitut in Chile sicherte seine Unterstützung zu, im schweizerischen Solothurn kursierten Flugblätter, in der Türkei tauchten Unterschriftenlisten auf.
- – - Die Frauen flogen nach New York und überbrachten die Unterschriften dem UN-Sicherheitsrat: „Letztlich sind wir aber nicht weitergekommen.“ Allerdings entstand aus dieser Initiative medica mondiale, eine bis heute sehr aktive Frauenrechtsorganisation, die durch Vergewaltigung und sexuelle Gewalt traumatisierte Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten unterstützt. Gründerin Monika Hauser, Fachärztin für Gynäkologie, wurde 1993 zur „Frau des Jahres“ gekürt. 2008 erhielt sie den Right Livelihood Award. Aktuell läuft ein Dokumentarfilm über sie in den Kinos.
- – - Immer noch die alte Struktur
- – - Was der Frauensicherheitsrat tatsächlich erreicht hat, diese Frage lässt sich laut Ute Scheub nicht eindeutig beantworten. „Immerhin konnten wir aufgrund jahrelanger, mühsamer Arbeit einen Dialog mit der Bundesregierung entwickeln“, sagt sie. Ob sich dadurch tatsächlich etwas ändert, könne sie nicht beurteilen: „Ich selbst gehe immer mir sehr gemischten Gefühlen aus diesen Veranstaltungen heraus.“ Nach ihrer Beobachtung gibt es in der Regierung sehr engagierte Frauen und Männer, die gute Initiativen starten: „Darüber bin ich immer wieder überrascht.“ Gleichzeitig ändere sich jedoch in keiner Weise etwas an den Strukturen.
- – - Ute Scheub denkt hierbei in erster Linie an die Rüstungsexporte: „Wir schaffen die Probleme ja erst mit unseren Waffen.“ Dass so viele Menschen weltweit flüchten müssen, sei gleichzeitig auf die deutsche Wirtschaftspolitik zurückzuführen. „Wenn ich das sehe, beschleicht mich das Gefühl, dass wir doch eigentlich nur an der Oberfläche kratzen“, so Scheub.
- – - Was die Kernforderung anbelangt, Frauen in Friedensverhandlungen einzubeziehen, gebe es immerhin einige wenige positive Beispiele: „In Liberia zum Beispiel ist die Resolution 1325 als strategisches Instrument genutzt worden.“ Zu jener Zeit war mit Ellen Johnson Sirleaf eine Frau Präsidentin. Sie war die überhaupt erste Frau, die durch eine Wahl das Amt eines Staatsoberhaupts in Afrika erlangte.
- – - Gegen sexuelle Gewalt
- – - Im März 2009 wurde in dem ehemaligen Bürgerkriegsland der „Liberianische Nationale Aktionsplan“ (LNAP) verabschiedet. Dieser basierte auf vier Säulen. Zum einen ging es um den Schutz von Frauen und Kindern vor sexueller und um die Verhinderung von geschlechterbasierter Gewalt. Außerdem sollten damit die Menschenrechte von Frauen und die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen gefördert werden. Kurz darauf wurde ein Polizeihandbuch gegen sexuelle Übergriffe und Missbräuche für die Abteilung zum Schutz von Frauen und Kindern entwickelt. Scheub: „Es gab nun erstmals weibliche Polizistinnen, die sexualisierte Gewalt verfolgten.“
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- – - In offizielle Friedensverhandlungen werden Frauen kaum oder fast nicht einbezogen. Dabei sind es in erster Linie Frauen, die eine vom Krieg zerstörte Gesellschaft wieder aufbauen. Das will der vor 15 Jahren gegründete Frauensicherheitsrat (FSR) ändern. Außen- und Sicherheitspolitik soll keine Männerdomäne mehr sein, Genderaspekte sollen endlich berücksichtigt werden. Vor allem aber setzt sich der FSR seit April 2003 dafür ein, dass die UN-Resolution 1325 umgesetzt wird.
- – - Die Idee, einen Frauensicherheitsrat zu gründen, entstand nach der Afghanistan-Intervention 2001 bei einer Konferenz des damaligen feministischen Instituts, heute Gunda-Werner-Institut, in der Heinrich-Böll-Stiftung. „Wir fanden es überfällig, der männlich dominierten, kriegerischen Sicherheitspolitik ein von Frauen besetztes Gremium entgegenzusetzen“, erinnert sich Mitinitiatorin Gitti Hentschel. Der Frauensicherheitsrat hatte sich zum Ziel gesetzt, die BRD kritisch zu begleiten: „Und Anstöße zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit zu geben.“
- – - Die im Oktober 2000 einstimmig verabschiedete Resolution hebt auf die besonderen Bedürfnisse von Frauen in Konfliktsituationen ab. Gleichzeitig erkennt die Resolution an, dass der Weltfrieden und die internationale Sicherheit „in erheblichem Maße“ gefördert werden können, wenn Frauen an Friedensprozessen mitwirken. Der Frauensicherheitsrat drängte die Bundesregierung, einen deutschen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 zu entwickeln. Was auch geschah. Im Januar 2017 verabschiedete das Bundeskabinett den fortgeschriebenen Nationalen Aktionsplan für die Jahre 2017 bis 2020.
- – - Fünf Jahre nach Verabschiedung der UN-Resolution 1325 starteten Frauen aus ganz Europa eine erste gemeinsame Kampagne mit der Forderung „Frauen an den Verhandlungstisch“, die speziell für den Kosovo gelten sollte. Die Frauengruppen trafen sich am 11. September 2005, wenige Wochen vor den Wiener Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo, um gemeinsam dafür zu kämpfen, mitverhandeln zu dürfen. „Leider hatten wir hier, wie oft, keinen Erfolg“, sagt Ute Scheub, ebenfalls Mitbegründerin des Frauensicherheitsrats: „Auf die Kosovo-Frauen wurde nicht gehört.“
- – - Dennoch sei das bisher 15-jährige Engagement des Frauensicherheitsrats keineswegs vergebens gewesen: „Unser größter Erfolg besteht darin, dass wir das Thema Frauen, Frieden und Sicherheit bekannter gemacht haben.“ Zu den aktuellen Highlights zählt Scheub eine Rede von Angela Merkel, in der die Bundeskanzlerin sexualisierte Kriegsgewalt verurteilt. Sie wurde im Juli 2017 auf einer Veranstaltung der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag gehalten. Vor 15 Jahren wäre so eine Rede nach Ute Scheubs Einschätzung noch undenkbar gewesen.
- – - Am Anfang stand „Sheherazade“
- – - Das Engagement für den Schutz von Frauen im Krieg und die Förderung von Fraueninitiativen für den Frieden begann im Übrigen weit vor dem Jahre 2003, erinnert Scheub. „Der Frauensicherheitsrat hat eine lange Vorgeschichte“, berichtet die Journalistin. 1992, als der erste Irakkrieg begann, war die damalige taz-Redakteurin Mitbegründerin einer Frauenaktion namens „Sheherazade“: „Damals hatten wir noch die Vision eines Weltfrauensicherheitsrats.“ Dieser Weltfrauensicherheitsrat sollte den Interessen im damals rein männlich dominierten UN-Sicherheitsrat die Sicht der Frauen entgegensetzen: „Denn wir haben eine ganz andere Definition von Sicherheit.“
- – - Damals gab es noch kein Internet. Dennoch schafften es die Frauen bei einer „Kettenre-Aktion“, in über 150 Nationen weltweit 500.000 Unterschriften für einen Weltfrauensicherheitsrat zu sammeln: „Dass das gelungen ist, war ein Wunder.“ Die österreichische Bundesministerin für Frauen, Johanna Dohnal, hatte als erste Ministerin ihre Unterschrift geschickt. Das Fraueninstitut in Chile sicherte seine Unterstützung zu, im schweizerischen Solothurn kursierten Flugblätter, in der Türkei tauchten Unterschriftenlisten auf.
- – - Die Frauen flogen nach New York und überbrachten die Unterschriften dem UN-Sicherheitsrat: „Letztlich sind wir aber nicht weitergekommen.“ Allerdings entstand aus dieser Initiative medica mondiale, eine bis heute sehr aktive Frauenrechtsorganisation, die durch Vergewaltigung und sexuelle Gewalt traumatisierte Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten unterstützt. Gründerin Monika Hauser, Fachärztin für Gynäkologie, wurde 1993 zur „Frau des Jahres“ gekürt. 2008 erhielt sie den Right Livelihood Award. Aktuell läuft ein Dokumentarfilm über sie in den Kinos.
- – - Immer noch die alte Struktur
- – - Was der Frauensicherheitsrat tatsächlich erreicht hat, diese Frage lässt sich laut Ute Scheub nicht eindeutig beantworten. „Immerhin konnten wir aufgrund jahrelanger, mühsamer Arbeit einen Dialog mit der Bundesregierung entwickeln“, sagt sie. Ob sich dadurch tatsächlich etwas ändert, könne sie nicht beurteilen: „Ich selbst gehe immer mir sehr gemischten Gefühlen aus diesen Veranstaltungen heraus.“ Nach ihrer Beobachtung gibt es in der Regierung sehr engagierte Frauen und Männer, die gute Initiativen starten: „Darüber bin ich immer wieder überrascht.“ Gleichzeitig ändere sich jedoch in keiner Weise etwas an den Strukturen.
- – - Ute Scheub denkt hierbei in erster Linie an die Rüstungsexporte: „Wir schaffen die Probleme ja erst mit unseren Waffen.“ Dass so viele Menschen weltweit flüchten müssen, sei gleichzeitig auf die deutsche Wirtschaftspolitik zurückzuführen. „Wenn ich das sehe, beschleicht mich das Gefühl, dass wir doch eigentlich nur an der Oberfläche kratzen“, so Scheub.
- – - Was die Kernforderung anbelangt, Frauen in Friedensverhandlungen einzubeziehen, gebe es immerhin einige wenige positive Beispiele: „In Liberia zum Beispiel ist die Resolution 1325 als strategisches Instrument genutzt worden.“ Zu jener Zeit war mit Ellen Johnson Sirleaf eine Frau Präsidentin. Sie war die überhaupt erste Frau, die durch eine Wahl das Amt eines Staatsoberhaupts in Afrika erlangte.
- – - Gegen sexuelle Gewalt
- – - Im März 2009 wurde in dem ehemaligen Bürgerkriegsland der „Liberianische Nationale Aktionsplan“ (LNAP) verabschiedet. Dieser basierte auf vier Säulen. Zum einen ging es um den Schutz von Frauen und Kindern vor sexueller und um die Verhinderung von geschlechterbasierter Gewalt. Außerdem sollten damit die Menschenrechte von Frauen und die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen gefördert werden. Kurz darauf wurde ein Polizeihandbuch gegen sexuelle Übergriffe und Missbräuche für die Abteilung zum Schutz von Frauen und Kindern entwickelt. Scheub: „Es gab nun erstmals weibliche Polizistinnen, die sexualisierte Gewalt verfolgten.“
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