Flie­ßen­des Geld und Soziale Arbeit – Armin Schachameier

Ein Fehler in unse­rem Geld­sys­tem wird als Kern­ur­sa­che für viele sozia­le und gesell­schaft­li­che Proble­me betrach­tet. Die zuneh­men­den Finanz­kri­sen, die immer größer werden­de Kluft zwischen Arm und Reich, die Staats­ver­schul­dung sowie der wach­sen­de Leis­tungs­druck können in Zusam­men­hang mit der Zins­dy­na­mik gese­hen werden.
Wenn als Gegen­stands­be­reich der Sozia­len Arbeit die Verhin­de­rung und Bewäl­ti­gung von sozia­len Notla­gen beschrie­ben wird, dann muss eine verstärk­te Ausein­an­der­set­zung mit unse­rem Geld­sys­tem erfol­gen. Als Lösungs­an­satz wird das Konzept des „Flie­ßen­den Geldes“ vorgestellt.
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Verschie­de­ne Unter­su­chun­gen bele­gen die Zunah­me arbeits­be­ding­ter psychi­scher Erkran­kun­gen, beispiels­wei­se beschreibt das wissen­schaft­li­che Insti­tut der AOK (2011) zwischen 2004 und 2009 eine 9‑fache Zunah­me der Krank­heits­ta­ge, die vermut­lich auf „Burn­out“ zurück­zu­füh­ren sind. Der Stress­re­port (Lohmann-Hais­lah 2012) zählt star­ken Termin- und Leis­tungs­druck, eine hohe Arbeits­ge­schwin­dig­keit sowie die Anfor­de­rung, verschie­den­ar­ti­ge Arbei­ten gleich­zei­tig betreu­en zu müssen, zu den Haupt­be­las­tungs­fak­to­ren von Beschäf­tig­ten. Im Fehl­zei­ten­re­port (Zok/Jaehrling 2013) werden in einer Studie gesund­heit­li­che Beschwer­den in Zusam­men­hang mit dem Arbeits­platz aufge­führt, die häufigs­ten Nennun­gen sind Erschöp­fung, Schlaf­stö­run­gen, „ausge­brannt sein“ sowie Nervo­si­tät und Reizbarkeit.
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Neben den unter­schied­li­chen indi­vi­du­el­len Erklä­rungs­fak­to­ren für die stress­be­ding­ten und krank­ma­chen­den Prozes­se wird niemand bestrei­ten, dass auch das Gewinn­stre­ben sowie die Effi­zi­enz­ori­en­tie­rung vieler Unter­neh­men und der damit verbun­de­ne Leis­tungs­druck für die Entste­hung von gesund­heit­li­chen Folge­schä­den verant­wort­lich sind. Nicht selten führen Spar­maß­nah­men zu Perso­nal­ab­bau – im schlimms­ten Fall zu Entlassungen.
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Teil­wei­se werden billi­ge­re Arbeits­kräf­te von Zeit­ar­beits­fir­men befris­tet einge­stellt, die für weni­ger Lohn die glei­che Leis­tung erbrin­gen müssen.
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Dieser wirt­schaft­li­chen Druck­si­tua­ti­on sind nicht alle Menschen gewach­sen, manche werden krank. Wer seinen Arbeits­platz verliert oder im Nied­rig­lohn­sek­tor tätig sein muss, kann zudem sehr schnell in finan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten geraten.
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Die Sozia­le Arbeit ist in doppel­ter Hinsicht von den Auswir­kun­gen dieses Wirt­schafts­sys­tems betrof­fen. Zum einen leiden viele Klien­ten unter den beschrie­be­nen Bedin­gun­gen, nicht selten kommen weite­re Proble­me wie Drogen­kon­sum, Krimi­na­li­tät und Verar­mung hinzu.
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Zum ande­ren müssen viele sozia­le Einrich­tun­gen mit immer weni­ger finan­zi­el­len Mitteln auskom­men – trotz stei­gen­der Fall­zah­len. Sehr oft werden in diesem Zusam­men­hang die knap­pen öffent­li­chen Kassen und die fehlen­den perso­nel­len Kapa­zi­tä­ten beklagt.
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So nehmen auf der einen Seite die Armut und der Leis­tungs­druck zu, auf der ande­ren Seite erwirt­schaf­ten Unter­neh­men Rekord­ge­win­ne und Mana­gern werden Gehäl­ter in Millio­nen­hö­he bezahlt. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer.
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Ist es ange­sichts dieser Situa­ti­on nicht zwin­gend notwen­dig, zu hinter­fra­gen, was denn eigent­lich die tiefe­ren Ursa­chen für diese Dyna­mi­ken sind?
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Wie ich in diesem Arti­kel zeigen möchte, liegt der Haupt­grund für diesen Wachs­tums- und Effi­zi­enz­wahn­sinn in unse­rem Geld­sys­tem verborgen.
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Leider blen­den die Theo­rien der Sozia­len Arbeit diesen Zusam­men­hang weit­ge­hend aus. Zwar wird gefor­dert, sich auch poli­tisch einzu­mi­schen und zu sozia­len Unge­rech­tig­kei­ten kritisch Stel­lung zu bezie­hen (vgl. Thiersch 2002, Staub-Bernas­co­ni 2014), jedoch wird weit­ge­hend nur inner­halb eines begrenz­ten gesell­schaft­li­chen Bezugs­rah­mens argumentiert.
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Helmut Creutz macht die Bedeu­tung von Geld und Währung in einem bild­li­chen Vergleich mit einem Gebäu­de deut­lich. Das Funda­ment wird vom Geld- und Währungs­sys­tem gebil­det, im Unter­ge­schoss befin­det sich die Wirt­schaft, gefolgt von der Gesell­schaft im Mittel­bau, die Poli­tik befin­det sich im Dach­ge­schoss (vgl. Creutz 2012, 22). Die Theo­rien der Sozia­len Arbeit setzen vor allem auf der gesell­schaft­li­chen Ebene an, gehen teil­wei­se auf die Wirt­schaft ein, betrach­ten aber nicht den Grund. Dadurch wird der Kern vieler sozia­ler Proble­me nicht erkannt und auch keine nach­hal­ti­gen Lösungs­an­sät­ze können gefun­den werden.
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Insbe­son­de­re, weil die profes­sio­nel­len Sozi­al­ar­bei­ter in der tägli­chen Praxis so nah mit den nega­ti­ven Auswir­kun­gen unse­res kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tems konfron­tiert sind, soll­ten sie zu den Ursa­chen Stel­lung bezie­hen und sich auf dieser Basis zu sinn­vol­len Lösungs­an­sät­zen positionieren.
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Der Schlüs­sel für ein human­wirt­schaft­li­ches Verständ­nis der beschrie­be­nen Dyna­mik und der sich daraus erge­ben­den sozia­len Problem­la­gen liegt in einem Fehler unse­res Geldsystems.
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Um diese Zusam­men­hän­ge möglichst einfach und nach­voll­zieh­bar darzu­stel­len, werde ich zunächst auf ein histo­ri­sches Expe­ri­ment einge­hen und die Hinter­grün­de erläu­tern, um auf dieser Basis Lösungs­al­ter­na­ti­ven aufzei­gen zu können. 

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