Die UN-Nachhaltigkeitsziele und Silvio Gesells NWO – Felix Fuders
Die UN-Nachhaltigkeitsziele und Silvio Gesells NWO – Felix Fuders
Die Nachhaltigkeitsziele lassen sich in zwei Gruppen einteilen
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Wenn wir einen Blick in eine beliebige Zeitung in einem beliebigen Land werfen, werden häufig zwei große Probleme angesprochen: Ungleichheit und die zunehmende Zerstörung der natürlichen Umwelt, d. h. die Nicht-Nachhaltigkeit im engeren Sinne. Im Jahr 2015 erkannten mehr als 190 Staats- und Regierungschefs, dass sich die Welt auf einem „Kollisionskurs“ befindet, wie es mein verehrter Kollege Max-Neef (2010) einst ausdrückte, und verpflichteten sich zu 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung. Mit einer Ausnahme geht es bei allen Zielen entweder um die Nicht-Nachhaltigkeit im engeren Sinne (Ziele 9, 11 – 15) oder um Ungleichheit (Ziele 1 – 8, 10, 16). Seitdem haben unzählige Konferenzen und Spitzentreffen stattgefunden, wobei eines der wichtigsten Themen regelmäßig die Frage ist, wie diese Ziele finanziert werden können. Es wird jedoch nicht nur mehr Geld benötigt, sondern auch eine andere Art von Geld. Denn sowohl der Raubbau an der Natur als auch die Einkommensungleichheit stehen in direktem Zusammenhang mit unserem unnatürlichen Finanzsystem und insbesondere mit einem falschen Verständnis davon, was Geld ist und was es sein sollte.
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Geld ist wie das Blut der Wirtschaft
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Im Gegensatz zu realen Gütern ist Geld leicht lagerfähig und zirkuliert daher nicht so leicht in der Wirtschaft. Genau das ist aber seine Aufgabe. Geld kann als das Blut unserer Wirtschaft bezeichnet werden. Blut muss zirkulieren, sonst wird der Körper krank. Ähnlich wie der Blutkreislauf im menschlichen Körper wird auch die Wirtschaft krank, wenn das Geld nicht gut zirkuliert. Geld als Recheneinheit soll ein Medium sein, das den Austausch von Waren und Dienstleistungen erleichtert. Da die Menschen aber eine „Präferenz für Liquidität“ haben, wie Keynes (1936: 165 ff., 194 ff.) auszudrücken pflegte, sparen wir gerne Geld, je mehr, desto besser. Der Drang zum Horten ist ein natürliches Phänomen. Auch Tiere legen sich Vorräte für den Winter an. Bei realen Gütern wäre eine Hortung aber nur sehr eingeschränkt möglich, da reale Güter verderben. Mit anderen Worten, die natürliche Verderblichkeit aller Güter hält unseren natürlichen Drang zum Sparen in Schach. Jede übermäßige Hortung würde mit der Zeit zum Verlust der gehorteten Güter führen. Aber unser Geld, so wie es heute gestaltet ist, ermöglicht es, jeden Überschuss fast uneingeschränkt zu horten. Diese (unnatürliche) Gestaltung unseres heutigen Finanzsystems ermöglicht das Horten von produzierten Werten, was einen starken Anreiz bietet, mehr zu produzieren als tatsächlich benötigt wird.
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Unser Geldsystem zwingt zum Wachstum
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Aber das Design unseres Geldes bietet nicht nur einen starken Anreiz, mehr zu produzieren als tatsächlich benötigt wird; es zwingt sogar dazu, und auch hier ist die Triebfeder die unnatürliche Hortbarkeit des Geldes (für eine ähnliche Argumentation siehe Kennedy, 2011; Costanza et al., 2012; Farley, et al., 2013; Creutz, 2018). Geld, das unter dem Kopfkissen gelagert wird, zirkuliert nicht und kann daher der Wirtschaft nicht dienen. Dies versetzt den Eigentümer des Geldes in eine monopolartige Position, entweder die Wirtschaft zu ersticken oder vom Geldbedürftigen Zinsen zu „erpressen“ (Gesell, 1949: 205, 344). Um es mit Keynes’ (1936: 167) Worten auszudrücken, ist der Zins eine „Belohnung für den Verzicht auf Liquidität“. Der Zins ist also der Anreiz, das Geld zu verleihen (oder es zur Bank zu bringen, die es dann für uns verleiht). Um auf die oben verwendete Metapher des Geldes als „Blut der Wirtschaft“ zurückzukommen, kann der Zins als die „Droge“ angesehen werden, die das Geld fließfähiger macht und damit in der Wirtschaft zirkulieren lässt. Und wie jede Droge, die über einen längeren Zeitraum verabreicht wird, bringt auch der Geldzinssatz schwere Nebenwirkungen mit sich, namentlich den Zwang zu Wachstum (sog. Wachstumsimperativ der Wirtschaft) und eine stetig wachsende Ungleichheit.
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Zinsen lassen Einlagen wachsen, und da es ohne Schulden keine Zinsen gibt, muss auch die Gesamtverschuldung einer Volkswirtschaft in gleicher Weise wachsen. Dies ist eine einfache Tatsache, an der kein Weg vorbeiführt. Um es mit den Worten Frederick Soddys (1934: 25) auszudrücken: „Geld ist ein Kredit-Schulden-Verhältnis, aus dem sich niemand wirksam befreien kann“. Und schlimmer noch: Geldmenge und Schulden wachsen nicht nur linear, sondern einer Exponentialfunktion folgend. Denn jeder Betrag, der auf ein verzinstes Bankkonto eingezahlt wird, wird sich nach einiger Zeit verdoppelt haben. Hier wird erkennbar, warum die Geldmenge (definiert als Bankeinlagen plus Bargeld) wie auch die Gesamtverschuldung in jedem Land der Welt exponentiell wächst, wie wir in Abbildung 1 sehen können, die die Geldmenge M3 und die Staatsverschuldung für die USA darstellt. Die gleiche Exponentialfunktion der Geldmenge und der Verschuldung können wir in jedem Land der Welt erkennen, wenn der beobachtete Zeitraum nur lang genug ist.
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Ein stetiger Anstieg der Verschuldung bedeutet, dass wir immer mehr arbeiten müssen, um den Status quo nicht zu verlieren. Wir können dies leicht nachvollziehen, indem wir einen Blick in die Bilanzen der Unternehmen werfen und sie mit denen von vor 20 Jahren vergleichen, wo wir heute regelmäßig sehr viel mehr Fremdkapital finden. Aber auch wenn sich ein Unternehmen nicht mit Fremdkapital finanziert, ist es nicht von der Verpflichtung zum Wachstum befreit. Denn Zinsen sind die Opportunitätskosten einer jedweden produktivwirtschaftlichen Investition. Ein Unternehmen, das nicht wenigstens eine Rendite abwirft, die der Unternehmer erhalten könnte, wenn er das Geld auf ein Bankkonto einzahlt, ist wirtschaftlich unrentabel. Der Zins ist also der Rhythmus, in dem die reale (produktive) Wirtschaft tanzen muss, und nicht nur ein „Fetisch“, wie es Hamilton (2003) ausdrückt. Da Wirtschaftswachstum (reales BIP-Wachstum) bedeutet, dass wir in diesem Jahr mehr produzieren als im Jahr zuvor, und da der erste Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass es unmöglich ist, etwas aus dem Nichts zu produzieren, muss eine konstante BIP-Wachstumsrate auf lange Sicht zu einer verstärkten Nutzung der natürlichen Ressourcen führen (Daly & Farley, 2011). Der Wachstumsimperativ gilt sogar für die natürlichen Ressourcen selbst, jedenfalls dann, wenn sie von wirtschaftlichem Interesse sind. Hier bemerkte der Ökonom Herman Daly einst recht sarkastisch, aber treffend, dass alle natürliche Ressourcen, die sich nicht im Rhythmus des Zinssatzes vermehren, potenziell vom Aussterben bedroht sind (Daly & Cobb, 1989). Jede sogenannte „grüne“ Politik, die unser Finanzsystem nicht berücksichtigt, kann daher nur als Farce betrachtet werden (Fuders & Max-Neef, 2014).
Unser Geldsystem erzeugt Einkommensungleichheit
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Wie bereits erwähnt, wachsen Geldmenge und Verschuldung in synchroner Weise. Das heißt, während wir auf der einen Seite immer mehr Geldeinheiten auf Bankkonten finden, sind auf der anderen Seite immer mehr Menschen immer höher verschuldet. Mit anderen Worten: Auch die Einkommensungleichheit wächst exponentiell. Dies wird ebenfalls in Abbildung 1 besonders gut veranschaulicht. Dies ist keine Überraschung, da es, wie oben beschrieben, ohne Schulden keine Zinszahlungen gibt. Oder wie uns eine alte Weisheit lehrt: Die Wertpapiere des einen sind die Schulden der anderen. Die Schere zwischen dem oberen und dem unteren Punkt im Diagramm ist die (exponentiell wachsende) Ungleichheit. Die gleiche Schere kann in jedem anderen Land beobachtet werden, wenn der beobachtete Zeitraum nur lang genug ist. Dementsprechend zeigt der Gini-Index, der die Ungleichheit misst, nicht nur ähnlich hohe Werte für fast alle OECD-Länder, sondern auch eine deutliche Zunahme der Ungleichheit in den letzten 30 Jahren (OECD, 2015; Bárcena, et al., 2018). Dieses stete Wachstum der Einkommensungleichheit ist nicht durch die Marktwirtschaft bedingt, sondern insbesondere durch unser Geldsystem.
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Übrigens handelt es sich hierbei um eine ungerechte Ungleichheit. Nicht jede Ungleichheit ist ja automatisch ungerecht. Wenn jemand mehr arbeitet, dann soll er auch mehr verdienen, als jemand der weniger arbeitet, jedenfalls im Rechtsempfinden der meisten. Allerdings wachsen Geldvermögen auf Bankkonten eben nicht durch die Arbeitsleistung des Zinsempfängers und auch nicht durch die Arbeitsleistung des Geldes, wie der Slogan von Banken uns häufig gerne weismachen möchte („lassen Sie Ihr Geld arbeiten“). Geld arbeitet nicht, wie schon Aristoteles in seinem ersten Buch „Politik“ ([384 BC] 1995) etwas sarkastisch aber treffend herauszustellen pflegte. Es sind Menschen, die arbeiten und zusammen mit Maschinen (Kapital) Produkte und Dienstleistungen, also Werte herstellen. Geld ist kein Produktionsfaktor, kein Kapital. Da wir aber in unserem Sprachgebrauch wie auch in ökonomischen Modellen Geld und Kapital als Synonym verwenden und Geld somit als Ressource, als Produktionsfaktor ansehen, wird die Ungerechtigkeit der durch den Zins verursachten Einkommensumverteilung nicht erkannt. Wir können es auch so betrachten: Unser Geld kann nur so viel Wert sein, wie man dafür kaufen kann. Ohne realen Werte hat Geld keinen Wert. Da es insbesondere die Kreditnehmer sind, die durch ihre Investitionen in der Realwirtschaft die Produkte und Dienstleistungen schaffen, die dem Geld der Kreditgeber einen Wert geben, sollten sich die Kreditgeber bei den Kreditnehmern bedanken, anstatt Zinsen von ihnen zu erheben. Hätte Karl Marx dies verstanden, so hätte sein Hauptwerk wohl einen anderen Inhalt gehabt und einen anderen Titel getragen (hierzu bereits Fuders, 2010; 2018 und ausführlich 2023, Kap. 9).
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