Das postkapitalistische Manifest – Buchrezension von Alwine Schreiber-Martens

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Wie wir unsere Wirt­schafts- und Umwelt­kri­sen lösen können Buch von Toni Andreß
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Buch­re­zen­si­on von Alwine Schreiber-Martens- – -
Der Autor – studier­ter Wirt­schafts­ju­rist, aus den neuen Bundes­län­dern stam­mend – zielt im Buch­ti­tel auf einen Vergleich mit dem Kommu­nis­ti­schen Mani­fest von Karl Marx. Das ist im Unter­schied zum vorlie­gen­den Band ein schma­les Bänd­chen von 23 Seiten, inso­fern legt Toni Andreß hier sehr viel mehr vor als ein Mani­fest. Im Vorwort findet sich die kurze Erwäh­nung seiner Bekannt­schaft mit einem Text zum „System des dyna­mi­schen Geldes“ (Wolf­gang Berger).- – -
Die Thema­ti­sie­rung der Frei­wirt­schafts­leh­re von Silvio Gesell in diesem Text habe in ihm eine „Flamme der Hoff­nung“ (S. 9) für die Idee einer Alter­na­ti­ve zum Kapi­ta­lis­mus entfacht. Bereits im ersten Kapi­tel wird dann auch seine Wert­schät­zung für diese Theo­rie deut­lich. Er nennt sie und den Keyne­sia­nis­mus „die Grund­la­ge für das Konzept des Post­ka­pi­ta­lis­mus“ (S. 31). Aller­dings betont er hier in erster Linie die Kritik Gesells am aktu­el­len Geld(-System „Frei­geld“), hinge­gen erwähnt er die Reform der Boden­ord­nung („Frei­land“), die ja im Konzept Gesells auch grund­le­gend ist, fast nicht. Sie wird kurz gestreift im Kapi­tel „Arbeit“, in dem er ein Grund­ein­kom­men als Lösungs­an­satz vorstellt. Hier weist Andreß auf die von Gesell vorge­schla­ge­ne „Mütter­ren­te“ (S. 228 – 229) hin, die aus abge­schöpf­ten Boden­ren­ten (Boden­pach­ten) finan­ziert werden könnte. Der „Staat [sollte] nach Gesells Auffas­sung ein Mono­pol auf den Boden haben …, der an priva­te Nutzer nur verpach­tet werden kann, jedoch nicht verkauft.“ (S. 229)

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Im Quel­len­ver­zeich­nis tauchen einige Namen aus dem Umfeld der neue­ren frei­wirt­schaft­li­chen Theo­rie auf, erstaun­li­cher Weise fehlen aber z. B. die Namen Dirk Löhr oder Werner Onken. Der inhalt­li­che Aufbau ist natür­lich anders als im oben genann­ten Mani­fest, aber die Anzahl der Kapi­tel stimmt bei beiden über­ein, nämlich vier. Im Buch von Andreß lauten die Über­schrif­ten Kapi­tal, Umwelt, Arbeit und Markt.

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Das erste Kapi­tel mit Namen „Kapi­tal“ ist ein kurzer Ritt durch die Finanz­kri­sen der letz­ten Jahr­hun­der­te, bei denen immer der Zins eine grund­le­gen­de Rolle gespielt hat – auch ein deut­li­cher Unter­schied zum „Kommu­nis­ti­schen Mani­fest“. Dane­ben findet sich hier ein kurzer Blick auf die „Geld­sei­te“ der Frei­wirt­schafts­theo­rie mit den Expe­ri­men­ten der Wära in Bayern sowie in Wörgl, und den Keyne­sia­nis­mus mit u. a. dem Satz von Keynes: Kapi­tal wirft einen Ertrag ab, nicht weil es produk­tiv ist, sondern wenn und solan­ge es knapp ist. (S. 34) Es folgt eine Auflis­tung der erwar­te­ten stabi­li­sie­ren­den Folgen beider Lehr­mei­nun­gen, die sich ja nicht wider­spre­chen, sondern sich eher ergän­zen. Weiter­hin werden erst­ma­lig im Abschnitt 1.4 Auswir­kun­gen „eines Null­zins­ni­veaus“ (S. 38) aus der Sicht von Hyman Minsky und Joseph Stig­litz erwähnt: Minsky unter­streicht eben­falls die Rolle des Zins­ni­veaus bei der Entste­hung von Finanz­kri­sen (S. 39). Stig­litz wird mit dem Hinweis zitiert, dass Infla­ti­on nicht einfach durch sinken­de Zinsen und die Auswei­tung der Geld­men­ge begrün­det werden kann, und daher eine Anhe­bung der Zinsen eine „Thera­pie … schlim­mer als die Krank­heit“ (S. 43) sei.

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Das mit Abstand umfang­reichs­te Kapi­tel – mit gut 150 Seiten die Hälfte des Buch­tex­tes – ist Kapi­tel zwei: „Umwelt“. Es ist eine lohnen­de Heraus­for­de­rung, dieses Kapi­tel durch­zu­ar­bei­ten. Mögli­cher­wei­se war die Heraus­for­de­rung für den Autor beim Schrei­ben nicht gerin­ger! Seine Beschäf­ti­gung mit der Umwelt­öko­no­mik ist zu spüren. Allein schon die Auflis­tung der Unter­ab­schnit­te zeigt die Viel­falt: Umwelt­be­las­tung mit den Unter­punk­ten Treib­haus­ga­se, Chlor und Brom, Stick­stoff und Phos­phat, Pesti­zi­de, Staub und Rußpar­ti­kel, Ozon, Kunst­stof­fe, Radio­nu­kli­de; dane­ben Umwelt­zer­stö­rung mit den Unter­punk­ten Entwal­dung und Über­fi­schung. Als Lösungs­an­sät­ze nennt der Autor beispiel­haft das FCKW-Verbot sowie die CO2-Emis­si­ons­rech­te. Im Abschnitt „Hand­lungs­emp­feh­lun­gen“ werden Auswir­kun­gen in verschie­de­nen Berei­chen betrach­tet, auch hier eine lange Liste: Energie‑, Verkehrs‑, Bau‑, Land‑, Forst‑, Fisch‑, Entsorgungs‑, Abwas­ser-Wirt­schaft (S. 158 – 207). Hier finden sich viele Vorschlä­ge für gänz­lich neue Vorge­hens- und Produk­ti­ons­wei­sen. Manches mutet sehr futu­ris­tisch und groß­tech­nisch an, der Autor zeigt sich hier als großer Freund tech­ni­scher Inno­va­tio­nen. Eini­ges dage­gen ist sehr konkret umsetz­bar, so etwa im Unter­ab­schnitt Abwas­ser­wirt­schaft die Tren­nung und Wieder­nut­zung der verschie­de­nen Haus­halts­ab­was­ser. Natür­lich hängt die Reali­sie­rung stark von der bereits vorhan­de­nen Bebau­ung ab. In manchen Ländern dieser Welt wäre es aber in eini­gen Gegen­den leicht mach­bar. In Zeiten zuneh­men­der Wasser­knapp­heit welt­weit müss­ten diese Konzep­te sofort ange­gan­gen werden, denn sie sind nutzen­stif­tend. (S. 202 – 206) Beispie­le gibt es bereits in klei­ne­rem und größe­rem Maßstab.
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