Gemeinsam mehr bewirken – Pat Christ
Gemeinsam mehr bewirken – FreiwirtschaftlerInnen verstärken ihre Kooperation
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2018 gab es erstmals keine Jahresfeier der HUMANEN WIRTSCHAFT in Wuppertal. Stattdessen luden Akteure der freiwirtschaftlichen Szene zu einem „Vernetzungstreffen“ in die Silvio-Gesell-Tagungsstätte ein. Wie das kam? Immer häufiger wurde in Mailings und Sozialen Medien deutlich, wie groß der Wunsch in der diversifizierten „Szene“ ist, sich besser zu vernetzen und auszuloten, inwieweit zu bestimmten Aufgabengebieten eine Zusammenarbeit zweckdienlich für alle ist.
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Daraus resultierte das „Werkstatt-Treffen freiwirtschaftlicher Organisationen“ im September, das als ein offenes „Experiment“ angelegt war. Vorbereitet wurde es von der Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung (INWO), dem Freiwirtschaftlichen Jugendverband Deutschland (FJvD), dem Förderverein Natürliche Wirtschaftsordnung sowie dem Seminar für freiheitliche Ordnung. Namentlich Andreas Bangemann, Andreas Berner, Beate Bockting, David Fiedler, Matthias Klimpel und Holger Kreft waren für die Planung verantwortlich.
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Im Mittelpunkt des dreitägigen Treffens stand die Frage, was denn alle Akteure gemeinsam mit der Freiwirtschaft bewirken wollen und welche konkreten nächsten Schritte wichtig wären. Das betrifft zum Beispiel die internationale Zusammenarbeit mit freiwirtschaftlichen Initiativen aus anderen Ländern sowie den Ausbau der Forschung zum Thema „Freiwirtschaft“. In Bezug auf die eigenen Finanzen ist es notwendig, eine verlässliche Basis für die anstehende Arbeit zu schaffen. Die Gründung einer neuen Stiftung könnte dafür eine Lösung bieten. In einer Workshop-Gruppe lotete man die Chancen und Risiken aus. Eine Sache wurde inzwischen angepackt: Seit dem Treffen wird an einer gemeinsamen Internet-Plattform als erste Anlaufstelle für Interessenten getüftelt.
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Überall im Bundesgebiet existieren Gruppen, Grüppchen oder einzelne Personen, die auf verschiedene Weise darauf aufmerksam machen, dass etwas mit unserem Geldsystem und mit unserer Bodenordnung nicht stimmt. Die einen bekommen das aufgrund ihres Berufs mit. Andere aufgrund ihrer Forschungen. Wieder andere haben sich in ihrer Freizeit sehr viel Wissen zu diesem Thema angeeignet. Und setzen sich nun in größeren oder kleineren Organisationen dafür ein, dass sich wirtschaftlich und gesellschaftlich endlich etwas ändert. Manche engagieren sich dort, wo sie leben, für Regionalwährungen. Andere befassen sich mit der Sozialen Dreigliederung nach Rudolf Steiner.
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Die Mieten explodieren
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Vor allem das Thema „Bodenordnung“ gewann in jüngster Zeit an Brisanz, werden Grund und Boden doch immer knapper. Vermehrbar ist er nicht, dennoch wird Boden, anders als das wichtigste Lebensmittel Wasser, nicht als ein Allgemeingut behandelt. Deshalb kam und kommt es zur Explosion der Bauland- und Mietpreise mit der Folge, dass Wohnen inzwischen für viele Menschen unbezahlbar geworden ist. Schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen in Deutschland haben keine eigene Wohnung mehr. Sie leben in Verfügungswohnungen, werden in Einrichtungen beherbergt, schlüpfen bei Bekannten unter oder schlafen auf der Straße.
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Inzwischen kann die freiwirtschaftliche „Szene“ auf eine fast 100-jährige Geschichte zurückblicken. Viele, die sich heute engagieren, tun dies schon seit 50 oder 60 Jahren. Doch der Durchbruch der Idee „Freiwirtschaft“ lässt noch immer auf sich warten. Die Chance, endlich etwas im großen Stil zu ändern, scheinen aktuell sogar eher zu schwinden als zu steigen. Obwohl viele wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen nach Veränderung schreien.
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Mehrere freiwirtschaftlich orientierte Gruppen klagen darüber, dass sie Mitglieder verlieren. Mancher fühlt sich dort, wo er sich einbringt, völlig alleingelassen mit der ganzen Arbeit. Veranstaltungen ziehen nicht selten nur wenige Interessierte an. Regionalwährungen dümpeln vor sich hin oder müssen eingestellt werden.
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„Was hindert uns daran, wirksam zu werden?“ Diese Frage stand am Beginn der Tagung. Antworten zu finden, war in der Eröffnungsrunde nicht schwer. Man muss sich doch nur mal die Übermacht der „Gegenseite“ anschauen! Während vor Ort in kleinen Runden diskutiert wird, wächst die Macht der Oligopole ins schier unermessliche. Thilo Bode hat das in seinem Buch „Die Diktatur der Konzerne“ genau analysiert. Vor allem mit Blick auf unsere Demokratie warnt er vor der Zerstörungsgewalt globaler Unternehmen.
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Die Macht der anderen
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Die „Übermacht der Gegenseite“ ist zweifellos ein wichtiger Faktor. Dennoch ist zur Kenntnis zu nehmen, dass andere Gruppierungen in der langen Zeit, in der Geld- und BodenreformerInnen für ihre Ideen kämpfen, mit ihren Anliegen den Durchbruch geschafft haben. Es gelang zum Beispiel, Millionen von Menschen zu überzeugen, sich ganz oder überwiegend vegetarisch zu ernähren. Auch gehört fair gehandelter Kaffee heute zum guten Ton. Oder, um ein ganz anderes Thema ins Feld zu führen: Die noch in den 70er Jahren übliche, oft sogar als positiv bewertete Gewalt gegen Kinder ist heute nicht nur tabu, sondern geächtet und gesetzlich verboten.
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Das alles ist gut und in seinen Erfolgen nicht zu schmälern. Doch angesichts einer global äußerst bedrohlichen Entwicklung muss das Engagement darüber hinausgehen. Mehren sich doch die Warnzeichen, dass die Welt auf die nächste große Krise zusteuert. Das treibt FreiwirtschaftlerInnen, egal, welcher Gruppe sie zugehören, aktuell um. Mit Recht – vor allem auch mit Blick auf die fragile finanzielle Situation. Global waren wir noch nie so stark verschuldet wie dieser Tage. Die Schulden sollen inzwischen 165 Billionen US-Dollar betragen. Das ist etwa doppelt so viel wie die globale Wirtschaftsleistung, die sich heuer wahrscheinlich auf 87,5 Billionen US-Dollar belaufen wird.
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Das weltweite Wachstum wird auch nach Aussage des IWF immer schuldenintensiver. Es scheint nur eine Frage kurzer Zeit zu sein, bis wieder alles crasht. Für jedes Prozent Wachstum müssen immer mehr Kredite aufgenommen werden. Das wird dann zum Problem, wenn die Zinsen neuerlich steigen. Ein Prozess, der in den USA bereits begonnen hat. Wer nun neue Kredite benötigt, muss dafür deutlich mehr zahlen. Was die Existenz von Unternehmen und Staaten bedrohen und abermals eine weltweite Kettenreaktion auslösen könnte.
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