Gerechtes Geld – Dieter Suhr
1 Der rechtsphilosophische Ansatz
Ist unser Geld gerecht? – So fragt der Rechtsphilosoph. Er betrachtet das Geld aus rechtsethischer Sicht und legt dabei normative Maßstäbe an. Er fragt, wie das Geld sein soll.
Der Ökonom dagegen ist in erster Linie Wirklichkeitswissenschaftler. Für ihn klingt die Frage nach dem gerechten Geld ziemlich naiv: Möge doch der idealistische Geldverbesserer, denkt er sich, erst einmal zusehen, wie komplex und schwierig zu durchschauen die Welt des Geldes ist, ehe er dahergelaufen kommt und dieser monetären Welt beibringen will, wie sie gestaltet sein solle!
Der Ökonom träumt also keinen idealistisch-normativen Traum vom gerechten Geld. Er ist Realist. Er findet das Geld vor. Er verfolgt die geschichtlichen und erforscht die gegenwärtigen Erscheinungsformen des Geldes. Er schaut dem Geld die Funktionen ab, die es in der Volkswirtschaft und für die Wirtschaftssubjekte hat. Auf dieser empirischen Grundlage macht er sich seine Gedanken über gesetzmäßige Zusammenhänge und konzipiert seine Theorien.
Doch auch der Ökonom bleibt bei der schieren Faktizität seines Forschungsgegenstandes nicht stehen. Er beschreibt nicht nur die Funktionen und Wirkungsweisen des Geldes, sondern macht sich auch Gedanken darüber, ob das Geld seine Funktionen schlecht, gut oder bestens („optimal“) erfüllt. Er fragt z. B., ob das Geld „neutral“ wirkt oder ob es Verzerrungen in die Preisgefüge und Verteilungsströme der Volkswirtschaft bringt. Schließlich versucht er auch, Kriterien anzugeben, an denen optimales Geld gemessen werden kann.
So kommen der Rechtsphilosoph und der Ökonom einander doch noch näher: Beide müssen die tatsächlichen Wirkungsweisen und Funktionszusammenhänge der monetären Welt so gut wie irgend möglich kennen und ihren Forschungen zugrundelegen. Aber beide bleiben nicht hängen am Geld, wie es ist, sondern fragen weiter danach, wie es beschaffen sein soll. Am Ende wird sich sogar zeigen, dass gerechtes Geld und optimales Geld weitgehend auf dasselbe hinauslaufen.
2 Ungerechtigkeiten des unstabilen Geldes
2.1 Inflation und Deflation
Eine unerwartete Inflation schädigt Geldschuldgläubiger und begünstigt ihre Schuldner. Bei erwarteter Inflation hält sich umgekehrt der Geldschuldgläubiger auf Kosten seines Schuldners schadlos durch hohe Zinsen, die einen Inflationsausgleich enthalten. Ähnlich wirkt die Deflation. Inflation und Deflation schlagen gleichermaßen ungerecht in die kunstvoll ausbalancierten Rechtsbeziehungen der Menschen untereinander ein und bringen sie aus dem Gleichgewicht. Sie untergraben zudem die Rechtssicherheit und belasten die Menschen mit hemmenden Ungewissheiten über die Währung.
Zwischen den Auswirkungen der Inflation und denen der Deflation gibt es – abgesehen von unterschiedlichen ökonomischen Folgen – einen rechtlich bedeutsamen Unterschied: Während die Entwertung von Geldforderungen durch Inflation typischerweise langfristig angelegte Gelder betrifft, also marginales Vermögen, das der Betroffene bei Anlegung übrig hatte, trifft die Deflation typischerweise denjenigen, der sich langfristig Geld hat borgen müssen, weil er zu wenig hatte: Also belastet die Inflation eher marginal, die Deflation eher existentiell, so dass sich im Hinblick auf die Gerechtigkeit ein paar Prozente Deflation sehr viel schlimmer auf die von der Veränderung der Hauptschuld Betroffenen auswirken als die gleichen Prozente Inflation.
Auch das Geld im Portemonnaie oder in der Kasse entwertet sich bei Inflation. Doch dieser Kassenschwund bleibt weit hinter den soeben beschriebenen Ungerechtigkeiten des Wertschwundes bei Geldforderungen zurück. Selbst wenn jemand bei 5% Inflation hohe Beträge für zwei Wochen im Portemonnaie mit sich herumschleppt, so büßt er, bis er es ausgibt, nur etwa 2 Promille an Kaufkraft ein. Das sind Verluste, die einerseits kaum ins Gewicht fallen und denen man andererseits ausweichen kann, wenn man nicht zu viel „Kasse hält“. Wer aber eine Hypothekenforderung oder eine Kommunalobligation mit einer Laufzeit von 10 Jahren besitzt, bei dem schlägt die Inflation im Verlaufe der Zeit ganz erheblich zu Buche. Deshalb sind auch die Möglichkeiten eingeschränkt, der Geldentwertung dadurch auszuweichen, dass man, statt Geld in der Kasse bereitzuhalten, es in Geldforderungen verwandelt. Je langfristiger die Rechtsverhältnisse sind, in denen die Geldeinheit bei der Zumessung, Zuteilung, Auseinandersetzung und Entschädigung den Maßstab abgibt, desto verheerender wirkt sich die Inflation aus.
Man muss also bei den Gerechtigkeitsproblemen wie in der Geldtheorie einen wichtigen Unterschied beachten:
Das Geld ist einerseits ein Instrument und Mittel, das sowohl beim Tausch als auch bei der Schuldtilgung faktische Tauschmacht verkörpert und das man deshalb gern in der Kasse bereithält. Es ist mithin Liquiditäts‑, Schuldtilgungs- und Tauschmittel.
Die Währung ist andererseits die Maßeinheit, in der Kaufkraftschulden und Wertanteile von Vermögen gemessen und berechnet werden. Die Währungseinheit ist Liquiditäts‑, Tauschkraft- und Kalkulationsmaßstab.
Die Ungerechtigkeit von unstabilem Geld hängt also aufs engste damit zusammen, dass man einen Maßstab braucht, mit dem Kaufkraft gemessen werden kann. So wie man beim Wiegen von Kartoffeln das Kilogramm und beim Ausmessen von Vorhangstoff das Meter verwendet, so wird Kaufkraft in „Deutscher Mark“, „Österreichischem Schilling“, „Schweizer Franken“ oder „US-Dollar“ (in „Währungseinheiten“) gemessen. Dem entspricht es, dass Art. 73 Nr. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland „Währung, Maß, Gewicht und Zeitbestimmung (…) in einem Atemzuge nennt“.
„Unstabile Währung“ heißt also nichts anderes als „unzuverlässiges Maßsystem für Kaufkraft“. Eine Schrumpfung des Maßstabes bei Inflation wirkt genau so willkürlich und ungerecht, wie wenn bei Lieferung von bestelltem Stoff nach Jahr und Tag ein kürzerer Maßstab verwendet wird, als beim Kauf zugrundegelegt war. Die Entwertung des Tauschmittels, das sich jeweils nur kurz in meiner Kasse befindet, wäre durchaus erträglich, könnte man in Kaufkraftschulden ausweichen, die mit einem stabilen Maßstab gemessen werden.
2.2 Der währungsrechtliche „Anschluss- und Benutzungszwang“
Die Folgen einer unstabilen Währung treffen besonders hart, wenn der Bürger (wie bei uns in der Bundesrepublik Deutschland) währungsrechtlich dazu gezwungen wird,
sowohl die unstabile Währung als Maßstab
als auch das auf die Währungseinheit lautende Zahlungsmittel als Schuldtilgungsmittel
zu verwenden. Dabei wird der Bürger durch eine Art von währungsrechtlichem „Anschluss- und Benutzungszwang“ genötigt, sich an das staatliche Währungs- und Zahlungssystem auf Gedeih und Verderb anzuschließen, auch wenn dieses System alles andere als stabil ist und durchaus zuverlässigere Maßstäbe zur Verfügung stehen (nämlich Kaufkraftindizes, wie sie zur Zeit den relativ zuverlässigen Maßstab abgeben, an dem wir die Unzuverlässigkeit des gesetzlichen Kaufkraftmaßstabes messen und ablesen können). Diese Überlegungen sprechen freilich nicht gegen den Benutzungszwang überhaupt, sondern betreffen nur den Fall, dass er mit unstabiler Währung zusammentrifft.
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/07/31/banken-krise-italien-finanz-system-ist-an-seine-grenzen-gekommen/
Denkansätze von Antonino Galloni
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Wolfgang Reinke