Wachstum im Euro-Raum durch Geldpoltik
EU-Streit über Sparkurs:
Wie Barroso sich kurz eine eigene Meinung erlaubte
http://tinyurl.com/cv73g37
Dazu 2 EB-Leserkommentare vom 24.02.2013 gegen 02:00 Uhr:
Wachstum ist ohne Staatsausgaben möglich
Barroso hat richtig festgestellt, dass die Rezession im Euro-Raum unerträglich für die Bürger ist. Auch Deutschland beginnt darunter zu leiden und auch bei uns ist die Abwahl der Bundesregierung deswegen nicht mehr undenkbar, obwohl die Opposition keine ökonomisch überzeugende Alternative bietet. Aber danach wird nicht gefragt werden. Der Unmut entscheidet und sucht sich und findet eine „Alternative für Deutschland“!!!
– Leider wird in der Debatte selten beachtet, dass Wachstum auf zweierlei beruhen kann:
1. auf guten Strukturreformen, die immer empfehlenswert sind, die sich aber meist erst nach langer Zeit wirklich auszahlen und zunächst nur schmerzhaft sind und zu demokratischen Ausweichbewegungen führen.
2. auf der Beschäftigung ungenutzter Kapazitäten, also der Überwindung von Arbeitslosigkeit und besserer Auslastung bereits vorhandener Produktionskapazitäten. Bei diesen setzt die Konjunkturpolitik an; der Wachstumseffekt kann sich rasch einstellen und dann die Strukturreformen demokratisch erleichtern, weil bei Vollbeschäftigung nicht mehr jeder noch so unproduktive Arbeitsplatz aus empfundener Solidarität verteidigt werden muss.
– Konjunkturpolitik durch Ausweitung von Staatsausgaben gibt es im Staatsschulden-Europa nicht mehr. Also stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch Konjunkturpolitik geben kann. Diese Frage lenkt den Blick – hoffentlich – auf die private Nachfrage und die Möglichkeiten, diese zu steigern. Dies ist traditionell das Betätigungsfeld der Geldpolitik, deren Hauptinstrument, die Leitzinsen, allerdings schon kurz vor der Nullzins-Schranke stehen. Nominalzinssenkungen sind nur noch in homöopathischen Dosen möglich. Sie können trotzdem sinnvoll sein, weil sie eine Signalfunktion haben. Aber ein weit stärkeres Signal wäre die Erhöhung des Inflationsziels der EZB von „unter, aber nahe 2%“, das nun schon seit 10 Jahren gilt und deshalb einmal evaluiert werden sollte. Es hat die Inflationserwartungen in einem Ausmaß geprägt, das angesichts der globalen Finanzkrise erstaunlich ist. Insoweit ein voller Erfolg, aber konjunkturpolitisch wohl ein Pyrrhussieg. Die Arbeitslosigkeit ist viel höher als in den USA, wo die Notenbank auch für Beschäftigung sorgen soll, während die europäische Geldpolitik meint, die Beschäftigung käme bei stabilem Geldwert (stabiler, aber sehr niedriger Inflationsrate) von selbst. War aber nicht so, wie eine ehrliche Evaluation zeigen wird, die den ehrlichen Vergleich der Inflations- und Beschäftigungsraten mit den USA einbeziehen sollte.
– Für die Konjunkturpolitik bleibt als einzige Chance eine Änderung der Geldpolitik. (Dazu mehr im Folgebeitrag zu bisher ungenutzten Möglichkeiten der Geldpolitik.)
Wachstum ist mit Geldpolitik möglich
An der Nullzins-Schranke kann die Notenbank starke Wirkungen ihrer Politik nicht mehr durch noch so große Geldvermehrung erzielen. Denn mit ihrem Beharren auf zu niedrigen Inflationsraten kastrieren sie diese Stimuli selbst. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sinkt und „vernascht“ jede erhoffte Wirkung der Geldmengenvermehrung. Nur noch durch die spürbare Erhöhung ihres Inflationsziels könnten sie eine spürbare Wirkung erreichen. Dann rauschen die kurzfristigen Realzinsen in den negativen Bereich; bei einem nominalen Leitzins von 1% sind bei einer Inflation von „unter, aber nahe 5%“ die kurzfristigen Realzinsen ‑4%; im Vergleich zu einem solchen geldpolitischen Orkan sind Nominalzinssenkungen von 0,75% auf 0,5% Prozent ein leichtes Säuseln im ökonomischen Blätterwald.
– Die letzten 10 Jahre EZB-Politik beweisen zweierlei: 1. Die EZB kann ihr Inflationsziel auch in globalen Turbulenzen mittelfristig verwirklichen. 2. Ihr öffentlich verkündetes Inflationsziel wird ihr auch im Falle einer Erhöhung geglaubt werden und deshalb das Handeln aller privaten Akteure im Euro-Raum bestimmen. Stabile Inflationserwartungen von „unter, aber nahe 5%“ haben ein inflationsgerechtes Verhalten zur Folge, das sich von dem Verhalten bei erwarteter Geldwertstabilität grundlegend unterscheidet. Ihr Inflationsziel von „unter, aber nahe 2%“ setzt die EZB ökonomisch und juristisch – wenn auch nicht mathematisch – korrekt mit Geldwertstabilität gleich.
– Inflationsgerechtes Verhalten bedeutet, über die Verwendung von Geldeinkommen unverzüglich zu entscheiden: entweder gleich konsumieren, weil morgen alles teurer ist, oder Ersparnisse so langfristig anlegen, wie man sie persönlich entbehren kann, um durch möglichst hohe Nominalzinsen die erwarteten Inflationsverluste weitgehend auszugleichen (steile Realzins-Strukturkurve).
Eckhard Behrens, Heidelberg www.humane-wirtschaft.de
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