Geldsystem: 13 ½ Gründe für eine Erneuerung
“Was bedeutet es, wenn die dringende Aufgabe jetzt nicht darin besteht, um jeden Preis zu handeln, sondern vielmehr darin, Inventur zu machen, um unsere Schwierigkeiten zu erhellen?”[1]
Das Gefühl des Getriebenseins beherrscht mittlerweile alle Bereiche des menschlichen Lebens. Die Dramatik der Ereignisse nimmt zu und mit ihr die Zahl der Ratschläge von allen Seiten, was wohl jetzt als nächstes zu tun ist. Politiker handeln sprunghaft und meist “alternativlos”. Bürgerinnen und Bürger verharren mit dem Gefühl der Machtlosigkeit in einer lethargischen Erstarrung. Sich ganz auf sich selbst konzentrierend, die großen Dinge teilnahmslos beobachtend, bewältigt man seinen Alltag. Dennoch ist die Lage angespannt und von heute auf morgen kann die vermeintliche Erstarrung in offene Aggressivität umschlagen. Wäre es da nicht wahrlich Zeit für eine Inventur? Innehalten, Bestand aufnehmen und erst dann entscheiden, was als nächstes zu tun ist? So handeln, dass wieder Ruhe einkehren und sich langfristige Entwicklungen hin zum Guten einstellen können?
Ohne “Inventur” aller Fragen des Geldsystems werden wir nicht weiter kommen. Die Liste im folgenden soll dynamisch sein, ergänzt, gekürzt und erweitert werden. Sie soll dazu beitragen, die Schwierigkeiten zu erhellen.
| 1 | Es haben sich unbezahlbare Schuldenberge aufgetürmt
Europa, die USA und auch alle anderen wirtschaftlich starken Nationen auf der Welt haben Schulden in nie erreichter Höhe. Mittlerweile müssen Steuerzahler für unvorstellbare Summen bürgen, die an klamme, international tätige Banken und ganze Länder ausgereicht werden, damit diese nicht pleite gehen. Diese immensen Geldströme fließen von der Gemeinschaft aller Menschen über einen vermeintlich zu beruhigenden Markt auf die Konten einiger weniger, die das Geld offenbar dringender brauchen, als diejenigen, die es bezahlen müssen. Für diesen Vorgang müssen viele Millionen Menschen ihre Ansprüche zurückschrauben und ihren erreichten Lebensstandard für eine ungewisse Zukunft opfern.
Nicht mehr zahlungsfähige Schuldner werden durch Steuerzahler ersetzt. An der Schuldenhöhe ändert sich nichts, denn deren Ursache sind die gleich hohen Geldvermögen. Für deren Zustandekommen und vor allem deren Abbau zugunsten sinkender Schulden scheinen sich zuständige Entscheider nicht zu interessieren.
| 2 | Es herrscht eine unnötige Armut.
Trotz eines nie dagewesenen Reichtums verarmen selbst in den hochentwickelten Ländern immer breitere Bevölkerungsschichten.
Das herrschende Geldsystem lässt Geld nur dorthin fließen, wo sichergestellt ist, dass der Rückfluss höher ist, als das zu Anfang Gegebene. Das zwingt zur Verschuldung und führt zwangsläufig zu noch größerer Armut, bei denen, die auf Geld zum Leben angewiesen sind.
| 3 | Die verborgene Zinslast.
Die automatisch, durch Zins und Zinseszins wachsenden Vermögen auf der einen Seite führen zu Verschuldungen in gleicher Höhe auf der anderen Seite. Nicht das Geld arbeitet, sondern die Menschen. Die Zinsen akkumulieren und verstecken sich in jedem Preis und in jeder Steuer. Neun von zehn Menschen verlieren mehr als sie gewinnen.
| 4 | Eine systematische Ungleichverteilung.
Das Ergebnis der menschlichen Arbeit, in der Summe als Bruttosozialprodukt ausgedrückt, wird an die Kapitalbesitzenden und an die arbeitenden Menschen ausgeschüttet. Erstere werden auch zuerst bedient. Ihr Anspruch an die Leistung steigt exponentiell, weil er mathematischen Gesetzen folgt. Da jedoch menschliche Leistung nicht exponentiell wachsen kann, sondern an natürliche Grenzen stößt, führt diese Situation auf Dauer dazu, dass die arbeitenden Menschen mit fortschreitender Zeit immer weniger von ihrem Arbeitsergebnis erhalten und die Kapitalbesitzenden dafür immer mehr.
| 5 | Ungerechte Handelsbeziehungen.
Will ein Handelspartner (ein einzelnes Unternehmen oder auch ein ganzes Land) einen Mangel beheben braucht er Geld. Er leiht es gegen Zinsen von jemandem, der Überschüsse hat. Ein Land, das zu viel produziert, ist gezwungen Abnehmer für das Überschüssige zu finden. Unausgeglichene Handelsbilanzen werden aber in Geld ausgedrückt und so geschieht es, dass das Gesamtproblem einzig auf den abgewälzt wird, der im Mangel lebt. Das Geld in seiner heutigen Verfassung ist nicht etwa neutrales Mittel für einen gerechten Handelsaustausch, sondern erzeugt selbst ungerechte Verhältnisse.
| 6 | Das Geld fließt nicht
Verknappung, Blockade, Zurückhaltung sind bewusst einsetzbare Mittel, um für einen möglichst hohen “Preis des Geldes” zu sorgen. Kapitalrenditen sind leistungslose Einkommen zu Lasten aller Menschen in einem Währungsraum. Weil die Nutzung des gesetzlichen Zahlungsmittels kostenlos ist, entstehen der Gesellschaft Zinskosten in ständig steigendem Maße. Statt eines (Geld)Flusses durch die Wirtschaftslandschaft haben wir es mit einem “Schleusensystem” von Stauwehren zu tun, dessen Nutzen bei sehr wenigen liegt.
| 7 | Zwang zum unendlichen Wachstum
Die mit mathematischer Genauigkeit wachsenden Ansprüche des Kapitals an der Gesamtheit aller Leistungen (Bruttosozialprodukt) können nur durch ständige Leistungssteigerung gedeckt werden. Leistungssteigerung stößt nicht nur an physikalische Grenzen beim Menschen selbst, sie führt auch unweigerlich zu einem zunehmenden Raubbau an den lebenswichtigen Ressourcen der Natur.
Bild: h.koppdelaney unter CC-Lizenz auf Flickr.com
Weiter zu Teil 2 der 13 ½ Gründe:
[1] Matthew Arnold (1822–1888)
Aktuelle Kommentare