Wun­der von Paris? – Elmar Klink

Kurzes Anti­kli­ma­kon­fe­renz-Dossier (auch ein Manifest) — 

Zuerst möchte ich eine kleine Geschich­te erzäh­len. Es gibt einen entzü­cken­den, berüh­ren­den Film „Das Wunder von Mailand“ von Vitto­rio de Sica aus dem Jahr 1951. — 

Darin geht es wie der Titel sagt um Wunder, …die ein naiver, gut gläu­bi­ger junger Mann namens Toto mithil­fe einer magi­schen Taube aus dem Jenseits (geschickt von seiner verstor­be­nen Pfle­ge­mut­ter) gegen den gött­li­chen Willen voll­bringt. Selbst­ver­ständ­lich ist das Milieu ein armes, um nicht zu sagen ganz erbärm­li­ches, in einer Obdach­lo­sen­be­hau­sung aus Well­blech- und Bret­ter­bu­den am Stadt­rand von Mailand. Als dort Erdöl gefun­den wird und geför­dert werden soll, soll das Slum­quar­tier abge­ris­sen werden. Toto und seine Freun­de können es mit Hilfe der Zauber­tau­be zunächst verhin­dern und sich dage­gen wehren. Doch nur vorüber­ge­hend und die Wirk­lich­keit erweist sich als mäch­ti­ger. Da entflie­hen Toto und seine Mitstrei­ter magisch beflü­gelt kurzer­hand der trost­lo­sen Wirk­lich­keit und entschwe­ben vereint auf Stra­ßen­keh­rer­be­sen in den Himmel über Mailand. Dabei singen sie: „Wir brau­chen nur ein Stück Boden und sei es noch so klein, und dann noch eine Hütte, um glück­lich zu sein“… — 

Um sich jeden Morgen erst einmal aufzu­wär­men, versam­meln sich die aus ihren Nacht­la­gern krie­chen­den Bewoh­ner, um von den oft weni­gen Sonnen­strah­len, die zwischen den Wolken durch­drin­gen an der Stelle, wo sie auftref­fen, möglichst viel abzu­be­kom­men. Schiebt sich der trübe Wolken­vor­hang erneut vor das Gestirn und tref­fen die Strah­len an ande­rer Stelle dane­ben auf, rennt der gesam­te Menschen­pulk dort­hin, um sich da erneut bibbernd aufzu­stel­len. Man rempelt und stößt einan­der an… So sehen wir diese Menschen­trau­be sich über das öde Vorstadt­land hin und her bewe­gen und die Szene­rie hat etwas von einem komi­schen Slap­stick, man wartet, ob man nicht viel­leicht Char­lie Chap­lin oder Jacques Tati irgend­wo in der Menschen­men­ge entdeckt, dabei ist uns der gutwil­li­ge, hilfs­be­rei­te Toto doch genau­so lieb. – (YouTube bietet Ausschnit­te und den komplet­ten Film auf Italie­nisch an). — 

Nun ist der über einwö­chi­ge, sogar noch etwas verlän­ger­te Klima­gip­fel von 195 Staa­ten der Erde zu Ende und hat geburts­we­hend ein Kommu­ni­qué hervor­ge­bracht, einen Vertrag, ein Stück Papier. Allge­mei­ne Eupho­rie machte sich breit über diesen im letz­ten Moment noch erziel­ten „Erfolg“. Denn was für eine elende Blama­ge wäre es für alle ange­reis­ten betei­lig­ten Dele­ga­tio­nen gewe­sen, wenn nicht wenigs­tens dieser selbst erklär­te „Erfolg“ erreicht worden wäre. Allein, er kann uns so derart mini­mal und unver­bind­lich bei weitem nicht genug sein. Denn vor Errei­chen des Fern­ziels 2050 darf emis­si­ons­mä­ßig noch einmal rich­tig zuge­schla­gen werden, aber bitte nur maxi­mal bis zu einer Erder­wär­mung von zwei Grad Celsi­us! Eine anzu­stre­ben­de Null­lö­sung als sofor­ti­ges, nöti­ges Mora­to­ri­um, um Schlimms­tes zu verhin­dern, ist schon nicht mehr in Sicht und mach­bar. Das sagt fast schon alles. Bis 2050 werden beträcht­li­che Teile des dadurch weiter geschmol­ze­nen Grön­land- und Polar­ei­ses sowie der welt­wei­ten Gebirgs­glet­scher die Welt­mee­re bis zu sieben Metern erhöht haben und für viele heute noch blühen­de flach gele­ge­ne Küsten- und Fluss­mün­dungs­städ­te und ‑regio­nen wird es das Aus bedeu­ten: Land bzw. Stadt unter in New York, Sidney, Kalkut­ta, London, Hamburg, Bremen, Lübeck, Amster­dam, Genua, Piräus, Kairo, Bagdad, Shang­hai, Jakar­ta, Tokio, San Fran­cis­co down­town, New Orleans, Buenos Aires, Kapstadt, Marseil­le, Barce­lo­na, Key West, die Baha­mas, Südsee­atol­le, indo­ne­si­sche Inseln, Däne­mark, die Nieder­lan­de, die Po-Ebene, Vene­dig – Tod in Vene­dig! Tel Aviv braucht keinen verrück­ten „Blau­milch­ka­nal“ mehr, um ans Meer ange­schlos­sen und wie in der Kishon-Satire zum Vene­dig des Nahen Ostens zu werden. Zwei­felt jemand noch daran? Welche Wunder von Paris und … soll­ten uns davor noch bewah­ren oder gar retten? — 

Die Nord­po­l­eis­kap­pe steht längst schon auf dem Spei­se­plan der großen Erdöl- und Erdgas­kon­zer­ne, die nur darauf warten, bis sie ganz­jäh­rig abge­schmol­zen sein wird, um mit ihren Bohr­in­seln und Super­tan­kern anzu­rü­cken und den Land­so­ckel darun­ter anzu­zap­fen und leer­zu­pum­pen. 2 °C mehr genü­gen ihnen schon. Welcher Vertrag ohne Exeku­tiv­sank­tio­nen sollte sie daran hindern? Jetzt schon schmilzt die weiße Kappe in den weni­gen Sommer­mo­na­ten sehr warmer Jahre wie dem jetzi­gen bereits weit­ge­hend ab. Der Eisbär, ein ausge­spro­che­ner Fleisch- und Tier­fett­fres­ser, wird sich bald vom Robben­ja­gen auf dem Eis umstel­len und zum Schmal­spur-Vege­ta­ri­er werden müssen, wenn er nur noch an Land verhar­ren soll und nicht mehr auf die Eisflä­chen kann, die es dann nicht mehr gibt. In den Zivi­li­sa­ti­ons­ab­fäl­len der Menschen und außer Beeren und Flech­ten der Tundra wird er nicht mehr genug zum Über­le­ben für sich und seinen Nach­wuchs finden. Es wird das Ende der jetzt noch etwa 22.000 Tiere-Popu­la­ti­on bedeu­ten. Ich rate: buchen Sie Kreuz­fahr­ten ins nörd­li­che Eismeer, um die bald letz­ten Exem­pla­re und süße kleine Knuds noch in freier Wild­bahn erle­ben und foto­gra­fie­ren zu können. Die eindrucks­vol­le Eisbä­ren-Doku­men­ta­ti­on des Schau­spie­lers Hannes Jaen­ni­cke hat die bitte­re Wahrheit … 

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