Zu den Waffen greifen – Offener Brief von Jürgen Todenhöfer

Der deut­sche Bundes­prä­si­dent Joachim Gauck über­rasch­te im Januar 2014 vieler seiner Lands­leu­te, als er zum Auftakt der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz dafür plädier­te, Deutsch­land müsse sich – auch mili­tä­risch – stär­ker für Sicher­heit und Menschen­rech­te einsetzen. 

Das führte zu kontro­ver­sen Diskus­sio­nen darüber, ob wir uns auf Kriege vorbe­rei­ten müss­ten, die nicht mehr nur, wie es das Grund­ge­setz vorsieht, der Vertei­di­gung dienen. 

Mitte Juni bekräf­tig­te Joachim Gauck seine Aussa­ge und erklär­te, ihm gehe es um ein (Zitat) „Ja zu einer akti­ven Teil­nah­me an Konflikt­lö­sun­gen im größe­ren Rahmen“. Dazu dürfe man (Zitat): „den Einsatz mili­tä­ri­scher Mittel als letz­tes Mittel nicht von vorn­her­ein verwerfen.“ 

Die Zitate stam­men aus einem Inter­view, das der Bundes­prä­si­dent dem Deutsch­land­ra­dio Kultur im Rahmen seines Norwe­gen-Besuchs gege­ben hat.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/aussenpolitik-gauck-warnt-vor-tabuisierung-von-militaer-einsaetzen-a-975165.html

Der Autor und Publi­zist Jürgen Toden­hö­fer, von 1972 bis 1990 für die CDU Mitglied des Deut­schen Bundes­tags, bezeich­net auf seiner Face­book-Seite die Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz als „eine Kriegs­kon­fe­renz. Jahre­lang wurden hier die Kriege gegen Afgha­ni­stan und den Irak gerecht­fer­tigt und Gründe für Mili­tär­schlä­ge gegen Iran vorgetragen.“ 

Toden­hö­fer schrieb am 2. Febru­ar 2014 aufgrund der genann­ten Aussa­gen des Bundes­prä­si­den­ten diesen offe­nen Brief an Joachim Gauck:

LIEBER HERR BUNDESPRÄSIDENT, 

Sie fordern, dass Deutsch­land mehr Verant­wor­tung in der Welt über­nimmt. Auch mili­tä­risch. Wissen Sie wirk­lich, wovon Sie reden? Ich bezweif­le es und habe daher vier Vorschläge:

Ein Besuch im syri­schen Aleppo oder in Homs. Damit Sie einmal persön­lich erle­ben, was Krieg bedeutet. 

Vier Wochen Patrouil­len­fahrt mit unse­ren Solda­ten in afgha­ni­schen Kampf­ge­bie­ten. Sie dürfen auch Ihre Kinder oder Enkel schicken. 

Ein Besuch eines Kran­ken­hau­ses in Paki­stan, Soma­lia oder im Yemen – bei unschul­di­gen Opfern ameri­ka­ni­scher Drohnenangriffe. 

Ein Besuch des deut­schen Solda­ten­fried­ho­fes El Alam­ein in Ägyp­ten. Dort liegen seit 70 Jahren 4.800 deut­sche Solda­ten begra­ben. Manche waren erst 17. Kein Bundes­prä­si­dent hat sie je besucht.

Nach unse­rem Grund­ge­setz haben Sie „dem Frie­den zu dienen“. Angriffs­krie­ge sind nach Arti­kel 26 verfas­sungs­wid­rig und straf­bar. Krieg ist grund­sätz­lich nur zur Vertei­di­gung zuläs­sig. Sagen Sie jetzt nicht, unsere Sicher­heit werde auch in Afrika vertei­digt. So etwas Ähnli­ches hatten wir schon mal. 100.000 Afgha­nen haben diesen Unsinn mit dem Leben bezahlt.

Wie kommt es, dass ausge­rech­net Sie als Bundes­prä­si­dent nach all den Kriegs­tra­gö­di­en unse­res Landes schon wieder deut­sche Mili­tär­ein­sät­ze fordern? Es stimmt, wir müssen mehr Verant­wor­tung in der Welt über­neh­men. Aber doch nicht für Kriege, sondern für den Frie­den! Als ehrli­cher Makler. Das sollte unsere Rolle sein. Und auch Ihre.

Ihr Jürgen Todenhöfer 

PS: Mir ist ein Präsi­dent lieber, der sich auf dem Okto­ber­fest von Freun­den einla­den lässt, als einer der schon wieder deut­sche Solda­ten ins Feuer schi­cken will. Von seinem siche­ren Büro aus. Fast bekom­me ich Sehn­sucht nach Wulff. Der wollte Menschen inte­grie­ren, nicht erschlagen.


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