Doch wieder nur ein Feigenblatt? – Pat Christ
Marktanreize für Nachhaltigkeit zu schaffen, darauf zielt der Deutsche Nachhaltigkeitskodex des Nachhaltigkeitsrats ab. In 20 Kriterien beschreibt er Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen. Noch ist dies freiwillig. Doch ab 2017 sind größere Unternehmen in der EU verpflichtet, Daten zu Umwelt‑, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption bereitzustellen. Doch wird die Wirtschaft dadurch wohl wirklich nachhaltiger?
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung wurde im April 2001 von der Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder berufen. Er sollte die Regierung bezüglich ihrer Nachhaltigkeitspolitik beraten und den gesellschaftlichen Dialog zur Nachhaltigkeit fördern. Indem er Folgen gesellschaftlichen Handelns aufzeigt und Lösungsansätze zur Diskussion stellt, soll er außerdem mithelfen, die Vorstellung von dem, was Nachhaltigkeitspolitik konkret bedeutet, bei allen Beteiligten und in der Bevölkerung zu verbessern.
Im Oktober 2011 beschloss der Rat nach umfangreichen Vorarbeiten und einem engen Abstimmungsprozess mit Unternehmen und Stakeholdern den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) für Unternehmen. Ein auf Expertenebene entwickelter Entwurf war zwischen November 2010 und Ende Februar 2011 Gegenstand eines öffentlichen Dialogs. „Die jüngsten Entwicklungen an den Finanzmärkten haben gezeigt, dass nichts so sicher zu nachhaltigem Erfolg führt wie langfristiges Denken und Handeln“, erklärte Nikolaus von Bomhard, Vorstandsvorsitzender der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, nach Eröffnung des Dialogverfahrens.
Mit dem Handelskonzern REWE Group und dem Prüfdienstleister TÜV Rheinland, beide mit Sitz in Köln, legten die ersten Unternehmen im Februar 2012 Entsprechenserklärungen zum DNK vor. Nur sechs Monate nach Vorlage der Erklärung sorgte der Supermarkt REWE allerdings bereits für Negativschlagzeilen. Verdeckte Mitarbeiter erklärten, wie „Focus“ damals berichtete, dass Warenverräumer bei REWE durch Akkordvereinbarungen Regale für teilweise unter sechs Euro eingeräumt hätten.
… und gleich ein Lohnskandal
2013 gab es neue Skandalnachrichten. Der REWE-Konzern und seine Discount-Kette Penny sollten nach Recherchen des TV-Magazins „Frontal 21“ über Jahre hinweg Mitarbeiter bespitzelt haben. Und zwar nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch im privaten Umfeld. Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz, rügte dem Bericht zufolge die Überwachungspraxis des Kölner Konzerns: „Wenn sich ein Unternehmen fortgesetzt nicht an Recht und Gesetz hält und die Mitarbeiter hintergeht oder hinterrücks heimlich überwacht und das nicht nur in einem gerechtfertigten Extremfall, ist das eine nicht hinnehmbare Praxis, die durch eine Aufsichtsbehörde geahndet oder vor Gericht geklärt werden muss.“
Mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex will der Rat für Nachhaltige Entwicklung laut seinem Generalsekretär Günther Bachmann Firmen ein erprobtes Instrument zur Hand geben, mit dem sie ihre Nachhaltigkeitsleistungen effektiv kommunizieren können. Eine Datenbank des Nachhaltigkeitsrats listet inzwischen eine Menge Firmen mit „Entsprechenserklärungen“ auf. Angefangen von den „Abfallwirtschaftsbetrieben München“ und der „Allianz“ über MAN und Miele bis hin zur Volkswagen AG und zu Wüstenrot.
Was in Nachhaltigkeitsberichten offenbart wird, klingt gut. Nehmen wir den „Hochtief“-Baukonzern, der weltweit 81.000 Mitarbeiter beschäftigt. „Konzernweit basieren die Grundprinzipien der Personalarbeit auf den Menschen- und Arbeitnehmerrechten des UN Global Compact, den Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie dem Corporate-Governance-Kodex“, heißt es unter dem Punkt „Arbeitnehmerrechte“. Auch legt der Konzern „großen Wert auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen.“ Die Geschäftsleitung begrüße das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
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