Vorahnungen von Krieg – Gero Jenner

USA gegen China – hoffent­lich nur ein Handelskrieg
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Noch gegen Ende des vergan­ge­nen Jahr­hun­derts war im Spie­gel zu lesen, dass die Super­macht USA nach dem Unter­gang der Sowjet­uni­on einen voll­stän­di­gen Sieg errun­gen habe. Tatsäch­lich waren über­all auf der Welt die Filme Holly­woods zu sehen, klei­de­ten sich die Leute in Jeans, wurde ameri­ka­nisch gesun­gen und musi­ziert, Coca-Cola getrun­ken und brei­te­ten sich Windows, Apple und das in Ameri­ka erfun­de­ne Inter­net aus. Noch in den neun­zi­ger Jahren schien keine andere Welt­macht denk­bar zu sein als die Verei­nig­ten Staa­ten von Amerika.
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Wer einen Blick in die Geschich­te warf, hätte aller­dings schon damals wissen können, dass die ameri­ka­ni­sche Élite seit den acht­zi­ger Jahren emsig daran arbei­te­te, die Welt­stel­lung des eige­nen Lands auszu­höh­len. Die Vorherr­schaft Groß­bri­tan­ni­ens wurde in der zwei­ten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts dadurch unter­mi­niert, dass die Reichs­ten im Lande ihr dort erwirt­schaf­te­tes Geld lieber im Ausland, vor allem in den USA, aber auch auf dem Konti­nent anleg­ten, weil ehrgei­zig aufstre­ben­de Länder in der Regel höhere Rendi­ten erbrin­gen. Auf diese Weise kam es zu einem Kapi­tal- und Tech­no­lo­gie­trans­fer, der die Verei­nig­ten Staa­ten ebenso wie das aufstre­ben­de Deutsch­land erst zu einem wirt­schaft­li­chen, dann sehr schnell auch noch zu einem mili­tä­ri­schen Konkur­ren­ten Groß­bri­tan­ni­ens aufrü­cken ließ. Ameri­ka lag gegen Ende des 19. Jahr­hun­derts noch zu weit entfernt, um den Englän­dern Angst einzu­flö­ßen, aber die unter­schied­li­chen Macht­in­ter­es­sen von England und Deutsch­land soll­ten im begin­nen­den zwan­zigs­ten Jahr­hun­dert das Infer­no des Ersten Welt­kriegs entfa­chen. Konkur­renz – auch Handels­kon­kur­renz als Ringen um die Beherr­schung von Märk­ten – war nie ein Spaß. Es kann bitte­rer Ernst daraus werden.
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Manch­mal fällt der Geschich­te nichts Besse­res ein als ein Da Capo
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Der Geld- und Kapi­tal­trans­fer, der die Stel­lung Englands als Welt­macht einbre­chen ließ, spielt sich seit circa drei Jahr­zehn­ten auf ähnli­che Art zwischen den Verei­nig­ten Staa­ten und China ab. Das obere ein Prozent sehr reicher Ameri­ka­ner hat in dieser Zeit außer­or­dent­lich davon profi­tiert, dass die Indus­trien im eige­nen Land abge­wrackt und anschlie­ßend in China neu aufge­baut wurden. Im ökono­mi­schen Fach­jar­gon spricht man von einer güns­ti­ge­ren Allo­ka­ti­on des Kapi­tals. Zwei­fel­los erbrach­te dieses in China die besse­ren Früch­te, sprich, die höhe­ren Rendi­ten, aber ein hoher Preis war dafür zu zahlen – so hoch wie schon damals in Groß­bri­tan­ni­en. Wird die eigene indus­tri­el­le Basis schritt­wei­se ausge­dünnt, dann geht zugleich damit sehr viel tech­ni­sches und Inge­nieurs­wis­sen inner­halb der Bevöl­ke­rung verlo­ren, das dann eben in China und nicht mehr in den USA heimisch ist. Den Chine­sen ist in diesem Zusam­men­hang zuzu­ge­ste­hen, dass sie die wissen­schaft­lich-tech­ni­schen Lektio­nen des Westens nicht nur in sehr kurzer Zeit lern­ten, sondern darin inzwi­schen gera­de­zu exzel­lie­ren. Mit der Zahl ange­mel­de­ter Paten­te liegt das Land bereits an der Spitze. Die bloße Quan­ti­tät dieses tech­no­lo­gi­schen Aufstiegs bleibt auch dann beacht­lich, wenn das für die Quali­tät der Paten­te bisher nur teil­wei­se gilt. Diesel­be Entwick­lung hat sich zuvor in Japan abge­spielt, das inzwi­schen zu den tech­no­lo­gisch führen­den Staa­ten gehört – aber China verfügt über ein zehn­mal größe­res Poten­zi­al an Menschen.
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Äuße­rer und inne­rer Wettbewerb
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Staa­ten stehen im Wett­be­werb um den größe­ren Lebens­stan­dard – das ist ein Kampf, den sie nach außen führen. Gäbe es nur diesen äuße­ren Wett­be­werb, dann wären die USA auch heute noch eine Welt­macht, welche sich vor der Konkur­renz Chinas nicht zu fürch­ten brauch­te. Aber im Inne­ren moder­ner Staa­ten wird noch ein weite­rer Kampf geführt, der den Akteu­ren nur selten als solcher bewusst wird, und der doch in seiner Wirkung gleich mäch­tig sein kann wie der Sieg einer äuße­ren Macht – dies ist der Kampf, den ökono­mi­sche Eliten gegen das eigene Volk betrei­ben, indem sie dessen Inter­es­sen rück­sichts­los den eige­nen unter­wer­fen. Hätte die reiche Élite der Verei­nig­ten Staa­ten nur ande­ren Natio­nen bei deren Entwick­lung gehol­fen, ohne dass daraus ein Scha­den für das eigene Land entsteht, dann könnte man ihr Verhal­ten vorbe­halt­los begrü­ßen, aber insti­tu­tio­nel­le Vorkeh­run­gen, die einen solchen Scha­den verhin­dern, wurden bis heute niemals in Erwä­gung gezo­gen oder gar durch­ge­setzt. Die Ausla­ge­rung der indus­tri­el­len Substanz hat einer Mehr­heit von Ameri­ka­nern gescha­det, denn die dadurch erziel­te Verbil­li­gung der Waren wurde ja mit dem Preis der Vernich­tung von Arbeits­plät­zen und des damit erbrach­ten Einkom­mens erzielt. Dem ehema­li­gen Entwick­lungs­land China aber wurde nicht nur gehol­fen – diese Selbst­lo­sig­keit war in Wirk­lich­keit nie ein trei­ben­des Motiv –, sondern die Wahr­heit sieht sehr viel tris­ter aus: Aus rein egois­ti­schem Selbst­in­ter­es­se hat die ameri­ka­ni­sche Polit- und Wirt­schafts­eli­te den Trumpf der Welt­macht an China weiter­ge­reicht – ganz genau so wie es ihnen ein Jahr­hun­dert zuvor aus densel­ben Moti­ven die briti­sche Élite vorge­macht hat. Der innere Kampf um Status­er­halt, Berei­che­rung und Macht hat den äuße­ren Wett­be­werb entschieden.
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Irgend­wann helfen auch Scheu­klap­pen nicht länger
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Es war abzu­se­hen, dass irgend­ein ameri­ka­ni­scher Präsi­dent irgend­wann merken würde, wie es um die USA wirk­lich bestellt ist. Nieman­dem, der sich die Augen von ideo­lo­gi­schen Scheu­klap­pen frei­hält, kann entge­hen, dass sich die USA zwar weiter­hin einer Hand­voll von welt­weit bekann­ten Exzel­lenz­zen­tren rühmen dürfen und dass sie immer noch einige der welt­bes­ten Univer­si­tä­ten besit­zen, dass dies aber längst verein­zel­te Licht­punk­te in einer veröde­ten Indus­trie­land­schaft sind, dem berüch­tig­ten rust belt, der die Reali­tät für eine Mehr­heit von Ameri­ka­nern bildet. Schon gar nicht wird ein vorur­teils­frei­er Beob­ach­ter darüber hinweg­se­hen können, dass es um die Allge­mein­bil­dung inzwi­schen so schlecht bestellt ist, dass auf einen ameri­ka­ni­schen Forscher, der zu den welt­bes­ten in seinem Fache zählt, ein Viel­fa­ches an hoff­nungs­los dump­fen Köpfen kommt, welche in Charles Darwin einen Abge­sand­ten teuf­li­scher Mächte sehen. Wer nicht mit Blind­heit geschla­gen ist, wird gleich­falls bemer­ken, dass die Infra­struk­tur des Landes – die Substanz von Brücken, Stra­ßen, Schienen‑, Ener­gie­net­zen usw. – sich in rapi­dem Verfall befin­det und dass exor­bi­tan­te Schul­den der ameri­ka­ni­schen Poli­tik schon seit Jahren nicht mehr erlau­ben, daran wirk­lich etwas zu ändern. Das Geld, welches die Groß­macht noch aufzu­trei­ben vermag – vor allem auf dem Weg weite­rer Verschul­dung –, wird in das Mili­tär gesteckt, um wenigs­tens auf diesem Gebiet die Spitze zu halten. Aller­dings belie­fen sich schon die Kriege, welche die Bush-Regie­rung in Afgha­ni­stan und Irak zwischen 2003 und 2006 führte, auf etwa vier­hun­dert Milli­ar­den Dollar, die nicht zu bezah­len gewe­sen wären, hätten die Chine­sen nicht inner­halb etwa dersel­ben Zeit ameri­ka­ni­sche Staats­an­lei­hen und staat­lich garan­tier­te Pfand­brie­fe im Wert von 464 Milli­ar­den Dollar erwor­ben. Wie lange wird China den Ameri­ka­nern Kredit ertei­len, wenn Trump nun mit Handels­sank­tio­nen eine Poli­tik gegen ihr Land betreibt?
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Es ist das Verdienst eines Poli­ti­kers namens Trump,
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dass er die Misere des Landes erkann­te, jene Misere, welche die Washing­to­ner Polit­eli­te beider staats­tra­gen­den Partei­en beharr­lich verdräng­te, weil sie über­wie­gend selbst der Schicht ange­hört, die von der Ausla­ge­rung ameri­ka­ni­scher Indus­trien bis dahin so stark profi­tier­te. Dage­gen ist es das Unglück Ameri­kas, dass es zu einer Art von ökono­mi­schem Porzel­lan­la­den wurde, zu dessen Lenkung ein Elefant bestellt worden ist. Trump schlägt mit der Keule des Protek­tio­nis­mus um sich.
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