Themen und Worte Nr. 274

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Themen und Worte

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Das Volk in den Vorstel­lun­gen von Popu­lis­ten und Rechtsextremen 

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„‚Volk‘ kann sehr Unter­schied­li­ches bezeich­nen. In der Verfas­sung steht, dass das Recht vom Volk ausgeht. Das bezieht sich auf die Gesamt­heit aller Staats­bür­ger. Aber diesem Volk wird in der Verfas­sung kein homo­ge­ner Wille unter­stellt. Und weil es diesen Willen nicht gibt, haben wir das Konzept der Partei­en­de­mo­kra­tie, die unter­schied­li­che Inter­es­sen und unter­schied­li­chen Willen bündelt. Die Verfas­sung sieht ein buntes, schil­lern­des Volk mit unter­schied­li­chen Aspek­ten. Dieser Volks­be­griff ist ein juris­ti­scher und inte­grie­ren­der Begriff. Alle Staats­bür­ge­rin­nen und Staats­bür­ger sind in der Macht inkludiert. 

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Der Volks­be­griff hinge­gen, der sich gegen die Élite stellt, ist exklu­die­rend. Wenn man herun­ter­de­kli­niert, welche Grup­pen aus dem Volks­be­griff der Popu­lis­ten ausge­schlos­sen werden, dann komme ich zur Mehr­heit der Bevöl­ke­rung. Die ande­ren Partei­en, die Sozi­al­be­weg­ten, die Grün­be­weg­ten, die kriti­schen Jour­na­lis­tin­nen, die Medien, die unab­hän­gi­ge Rich­ter­schaft, die unab­hän­gi­ge Wissen­schaft, unab­hän­gi­ge Künst­ler usw. Da bleibt nicht mehr viel ‚Volk‘ übrig.
Darin besteht die Gefahr, denn wenn diese Leute (die Rechts­po­pu­lis­ten) an die Macht kommen, dann haben sie auch die Macht diesen homo­ge­nen Volks­be­griff in reale Hand­lun­gen zu über­set­zen und die ande­ren auszuschließen.“

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Kultur­wis­sen­schaft­ler Prof. Walter Ötsch, Hoch­schu­le für Gesell­schafts­ge­stal­tung (HfGG) Koblenz, im Podcast des Falter (Öster­reich)
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„Stra­te­gisch schimp­fen mit Kickl“ (Öster­rei­chi­scher FPÖ-Chef) am 11.02.2024 falter.at Falter-Radio – Der Podcast mit Raimund Löw 

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Themen und Worte

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Der Mythos des Geldes 

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„Der letzte dieser Mythen ist einer der Grün­dungs­my­then nicht nur des Kapi­ta­lis­mus, sondern der gesam­ten Zivi­li­sa­ti­on. Wir sind zur Über­zeu­gung gelangt, dass Geld, wenn wir es aufbe­wah­ren, im Gegen­satz zu ande­ren Dingen der realen Welt nicht nur nicht zerfällt, sondern sich sogar vermehrt. Ja! Wir haben Leben geschaf­fen! Kapi­ta­lis­ten nennen die wunder­sa­men gene­ra­ti­ven Kräfte des gehor­te­ten Geldes Zinsen. Nicht­ka­pi­ta­lis­ten, die verste­hen, dass dieses Wunder­geld von jemand ande­rem kommt, nennen es Wucher, eine Form des lega­li­sier­ten Dieb­stahls (wie Miete und Steu­ern), der in die Struk­tur der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on einge­schrie­ben ist.

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Wucher ist Kredit­ver­ga­be mit der Absicht, mit Zins und Zinses­zins Profit zu erzie­len. Die Ausgangs­schuld wird verzinst, und dann wird nicht nur die ursprüng­li­che Schuld, sondern die Schuld plus Zinsen verzinst. Die Schul­den wach­sen nicht nur, sie wuchern expo­nen­ti­ell. Beruht unsere Gesell­schaft, ja unsere ganze Zivi­li­sa­ti­on, auf Wucher­schul­den, bedeu­tet das nicht nur, dass wir nie genug zum Zurück­zah­len haben, sondern auch, dass sich das, was wir zurück­zah­len müssen, wie das legen­dä­re Reis­korn auf dem Schach­brett verviel­facht, bis es das Univer­sum ausfüllt. Um den Abgrund der Verkom­men­heit, in den dies unwei­ger­lich führt, aufrecht­zu­er­hal­ten und zu recht­fer­ti­gen – Massen­ar­mut, Selbst­aus­beu­tung, Verwahr­lo­sung, und dies alles, um genug zusam­men­zu­krat­zen, damit die nächs­te Zahlung an die anschwel­len­de Mons­tro­si­tät, zu der der Kredit­ge­ber schnell mutier­te, geleis­tet werden konnte –, musste den Kredit­neh­mern eine mora­li­sche Pflicht zur Rück­zah­lung der Schul­den aufer­legt werden: die Einsicht, dass sie nicht nur diesem oder jenem Kredit­ge­ber Tribut schul­den, sondern dass das Univer­sum selbst ein Gläu­bi­ger-Schuld­ner-System ist. Die Menschen werden als Schuld­ner gebo­ren (auch Sünder genannt) und können ihre Rech­nun­gen niemals beglei­chen. Wenn sie unwei­ger­lich die wohl­tä­ti­gen Götter verra­ten, die sie bezah­len, ernäh­ren, beher­ber­gen und klei­den, werden sie als undank­bar, krimi­nell, vom Teufel beses­sen oder geis­tes­krank bezeich­net. Dieses Verständ­nis wird zuwei­len als »Reli­gi­on« bezeichnet.“

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Aus: Darren Allen „33 Mythen des Systems – Ein radi­ka­ler Leit­fa­den durch die Welt und uns selbst“; Prome­dia Verlag, Wien, 2023; ISBN 978–3‑85371–520‑8
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