Ökonomie – Dienerin oder Peitsche? – Wolfgang Berger
Im vierten Jahrhundert v. Chr. beschäftigte sich der Grieche Aristoteles mit den guten und den schlechten Seiten der Wirtschaft. Die gute Seite helfe dem Menschen dabei, es den Göttern gleich zu tun und mit Muße die Welt anzuschauen. Die Ökonomie sei hier die Dienerin des Menschen, die ihn durch eine gerechte Verteilung von Gütern und Dienstleistungen vor schwerer körperlicher Arbeit, Hunger und Armut schütze.
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Die schlechte Seite sei das Streben des Ökonomen, nicht mehr auf die gerechte Verteilung und die damit einhergehende philosophische Muße zu setzen, sondern auf die vermehrte Produktion von immer mehr Gütern. Aufgabe der Gesellschaft sei es aber, diesem Tun die Schranken zu weisen. Heute ist die Ökonomie nicht ansatzweise mehr Dienerin der Menschen, sondern ist eher zu seiner Peitsche geworden.
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Dabei leben heute viele Menschen wie Könige und Kaiser vor 2.400 Jahren und könnten mit dem, was sie haben, zufrieden sein – statt mit immer mehr Konsum den Planeten zu ruinieren. Der Kolumbianer Nicolás Gómez Dávila empfiehlt uns: „Was zum Beispiel Ludwig XIV oder Goethe nicht brauchten, kann uns als Kriterium des Unnützen dienen.“
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Können wir diese Entwicklung stoppen? Manche Ökonomen warnen, dass der Kapitalismus wachsen müsse, um einen Absturz zu vermeiden – mit weniger Arbeitsplätzen, weniger Einkommen, weniger Investitionen, weniger Steuereinnahmen, weniger Ausgaben und noch weniger Konsum. Die große Weltwirtschaftskrise mit ihren traumatischen wirtschaftlichen und politischen Verheerungen warnt uns noch heute vor einer solchen Abwärtsspirale.
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Aber es gab immer konjunkturelle Ab- und Aufschwünge, ohne dass daraus eine Abstiegsspirale folgte. Eine antizyklische Wirtschaftspolitik des Staates kann einen Rückgang auffangen. Die Staatsverschuldung würde zwar steigen, aber solange sie für Investitionen in Infrastruktur genutzt wird, wäre dagegen nichts einzuwenden. Auch Arbeitslosigkeit durch mangelnden Konsum erleben wir nicht. Technologisierung und Digitalisierung verschaffen uns jetzt sogar ein Allzeithoch an Beschäftigung in Deutschland.
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In Japan wuchs gemäß Internationalem Währungsfonds das reale Bruttoinlandsprodukt in sieben Jahren, stagnierte in fünf Jahren und schrumpfte in drei Jahren. Am Ende dieses Zeitraums (2008 – 2022) lag es um 15,4 % niedriger als zu Beginn. Und dies bei hohem sozialem Zusammenhalt, einem besonderen Stellenwert der Kultur und einem immer noch eindrucksvollen Wohlstandsniveau. – - –
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