Kritiker der Zinskritiker müssen kritisiert werden – Christian Mayer
Oder: Die eigene Weltsicht muss sich immer wieder an der Realität beweisen
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YouTube ist eine wunderbare Erfindung. Dort finden sich massenhaft Dokumentationen zu allen möglich Themen. Zugleich bietet diese Plattform aber jedem und jeder auch die Möglichkeit, seine Meinung einem riesigen Publikum anzutragen. Und dass die Qualität der Beiträge hier und da als mangelhaft bezeichnet werden darf, bestreitet niemand. Es ist nun aber so, dass man auf YouTube auch auf Videos stößt, die man gar nicht gesucht hat. Das ist in einem ersten Schritt nicht schlimm. Bisweilen fühlen wir uns dann aber genötigt, den nicht gesuchten Beitrag anzuklicken und anzusehen. Häufig mit dem Ergebnis, dass man sich über das Gesehene ärgert. Besonders dann, wenn Sachverhalte falsch erörtert werden.
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Normalerweise ist der Ärger aber schnell wieder verfolgen, indem man sich auf die Suche nach dem eigentlichen Beitrag begibt. In dem hier beschriebenen Fall kann ich aber nicht anders. Ich muss meinem Ärger Luft machen. Vor allem, wenn ein Oliver Janich, Gründer und ehemaliger Vorsitzende einer Vereinigung, die sich selbst „Die Partei der Vernunft“ nennt, eine Unwahrheit nach der anderen behauptet.
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In seinem Video „Zinskritik, Freigeld, Monetative, Schwundgeld und andere Kuriositäten“ versucht er, den Geldsystemkritikern fehlende Logik und dergleichen zu attestieren. Dabei fallen so viele Falschaussagen, dass man kaum weiß, wo anfangen.
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Zu Beginn habe ich mich sehr verärgert an die Arbeit gemacht. Je mehr ich mich aber mit Janichs Aussagen beschäftigt habe, desto mehr habe ich sogar Freude daran empfunden, die eigene kritische Sichtweise auf die Geldordnung jener der herrschenden Meinung gegenüberzustellen. Und das ist immerhin ein wichtiges Unterfangen. Andernfalls besteht die Gefahr, etwaige Fehler des eigenen Standpunktes nicht zu bemerken. Mit dieser Einsicht wurde die Auseinandersetzung mit Janichs Aussagen zu einer willkommenen Übung, den eigenen Blick auf die herrschende Geldordnung einer Kontrolle zu unterziehen.
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Eine ehrliche Gegenüberstellung von grundlegend verschiedenen Systemverständnissen birgt natürlich immer die Gefahr, erkennen zu müssen, dass die eigene Sichtweise einen Fehler enthält und man daraufhin sein bisheriges Weltbild korrigieren müsste. – Zumindest, wenn man ehrlich zu sich selbst ist. Doch anders ist Wahrheitssuche nicht möglich. Und damit wurde die Auseinandersetzung zu einem spannenden Unterfangen. Doch der Reihe nach.
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Es bietet sich an, das Video zuerst einmal in seiner ganzen Länge „genossen“ zu haben, bevor man sich an die Auseinandersetzung mit Janichs Aussagen macht.
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Folgende Thesen vertritt Oliver Janich in seinem knapp 10-minütigen Video. Diese werden im Folgenden erörtert:
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THESE 1: Der Zins ist etwas ganz Natürliches. (bei 0:40 min) – - -
THESE 2: Ohne Zins gibt es keine Wertschöpfung, weil die Menschen dann nur noch an Familienangehörige Geld verleihen. (bei 0:50 min) – - -
THESE 3: Bei der Giralgeldschöpfung wird der Zins nicht mitgeschöpft, das ist aber kein Problem, weil eine Bank diesen auch schöpfen kann. (1:58 min) – - -
THESE 4: Die Kritik am Zinseszins ist nicht berechtigt, da es keine risikolosen Anlageformen gibt. Daher überzeugt das Beispiel des Josefpfennigs nicht, da man immer wieder einmal das falsche Investment tätigt und das angehäufte Geld dann wieder verschwindet. (bei 4:00 min) – - -
THESE 5: Geldsystemkritiker fordern, dass Gold als Geld Verwendung findet. Und ist dieses Ziel erreicht, wird jemand versuchen alles Gold zu bekommen, also ein Monopol zu erlangen. (bei 5:38 min) – - -
THESE 6: Diejenigen, die diesen Unsinn [die Zinskritik] vertreten, müssen unter einer partiellen Unzurechnungsfähigkeit leiden. (bei 7:00 min) – - -
THESE 7: Niemand wird Geld annehmen, das immer weniger wert wird. (bei 7:53 min) – - -
THESE 8: Zwang ist immer schlecht. Jeder möchte selbst entscheiden, was er als Geld verwenden will. (bei 8:07 min) – - -
THESE 9: Die Zinskritiker fordern, der Staat müsse einfach Geld schöpfen dürfen, sobald er welches braucht. (ab 8:38 min) – - -
THESE 1: Der Zins ist etwas ganz Natürliches. (bei 0:40 min)
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Janich argumentiert, es sei völlig normal, dass man mehr Geld zurückbekomme als man verliehen habe. Immerhin stünde einem das verliehene Geld ja nicht für Konsum oder Investitionen zu Verfügung und deshalb würde man einen Preis dafür haben wollen. Er bezieht sich also explizit auf den Zins in unserem Geldsystem und nicht auf ein allgemeines Bewertungsprinzip (siehe unten). Mehr noch: Er unterstellt durch seine Darstellung eine Art naturgesetzliche Kausalität. Dass ich aber etwas dafür erhalte, wenn ich mein Geld anderen verleihe, beruht auf einer rechtlichen Vereinbarung und ist das Ergebnis von Gewohnheiten. Alleine die Tatsache, dass ich – wenn ich einem Freund Geld leihe – eben nur die geliehene Menge zurückfordere und nicht mehr, zeigt bereits, dass von einer Natürlichkeit (im Sinne von Zwangsläufigkeit) des Zinses keine Rede sein kann. Außerdem gibt es viele historische Beispiele, die zeigen, dass es im Geldwesen auch anders – also ohne Zins – geht. (Z. B. Brakteatenwährung, Wörgl).
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Andere Kritiker wie Janich argumentieren, die Natürlichkeit des Zinses sei bereits durch das Ab- bzw. Aufzinsen bewiesen. Heißt: Wir bewerten Dinge in Verbindung mit der Zeit unterschiedlich. Eine Pizza heute ist mir lieber als eine Pizza in einem Jahr. Diese Bewertung ist aber begrifflich nicht mit unserem Zinsverständnis identisch. Den Zins verorten wir korrekterweise in Wirtschaftsangelegenheiten. Denn sprachgeschichtlich bezieht sich das Wort „Zins“ auf eine Vermögens- bzw. Einkommensabgabe. Das Lateinische „census“ steht für „Abschätzung“ und diente zur Feststellung von Abgaben an die hohen Herren. Der Zins als Begriff ist also explizit auf ein wirtschaftliches System gemünzt und steht nicht für ein allgemeines Prinzip.
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Außerdem: Selbst wenn wir die Aussage zulassen, die menschliche Bewertung aller Dinge sei durch das Auf- und Abzinsen eine Art Zins, so wäre eine Übertragung dieses Verständnisses auf unser Geldsystem nicht unproblematisch. Gerade weil die unterstellte Zwangsläufigkeit nicht existiert. Wieso sollte man dieses menschliche „Bewertungsschema“ in ein System integrieren, das wir künstlich herstellen, also nach unseren Vorstellungen kreieren können? Weil es natürlich ist? Implizit unterstellt Janich hier, dass etwas Natürliches etwas Gutes sei. Selbst wenn das Geld und der Zins etwas Natürliches wären, müsste dies nicht zwangsläufig etwas Gutes sein. So ist der Fingerhut ebenfalls durch und durch natürlich, für den Menschen jedoch tödlich. Deshalb ist bei einer Kombination des scheinbar natürlichen „Zinsdenkens“ auf unser künstlich geschaffenes Geldsystem die Frage zu beantworten, ob diese Kombination etwas Gutes (für den Menschen) hervorbringt. Aber diese Frage wird von Janich nicht einmal gestellt.
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mehr dazu online
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YouTube ist eine wunderbare Erfindung. Dort finden sich massenhaft Dokumentationen zu allen möglich Themen. Zugleich bietet diese Plattform aber jedem und jeder auch die Möglichkeit, seine Meinung einem riesigen Publikum anzutragen. Und dass die Qualität der Beiträge hier und da als mangelhaft bezeichnet werden darf, bestreitet niemand. Es ist nun aber so, dass man auf YouTube auch auf Videos stößt, die man gar nicht gesucht hat. Das ist in einem ersten Schritt nicht schlimm. Bisweilen fühlen wir uns dann aber genötigt, den nicht gesuchten Beitrag anzuklicken und anzusehen. Häufig mit dem Ergebnis, dass man sich über das Gesehene ärgert. Besonders dann, wenn Sachverhalte falsch erörtert werden.
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Normalerweise ist der Ärger aber schnell wieder verfolgen, indem man sich auf die Suche nach dem eigentlichen Beitrag begibt. In dem hier beschriebenen Fall kann ich aber nicht anders. Ich muss meinem Ärger Luft machen. Vor allem, wenn ein Oliver Janich, Gründer und ehemaliger Vorsitzende einer Vereinigung, die sich selbst „Die Partei der Vernunft“ nennt, eine Unwahrheit nach der anderen behauptet.
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In seinem Video „Zinskritik, Freigeld, Monetative, Schwundgeld und andere Kuriositäten“ versucht er, den Geldsystemkritikern fehlende Logik und dergleichen zu attestieren. Dabei fallen so viele Falschaussagen, dass man kaum weiß, wo anfangen.
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Zu Beginn habe ich mich sehr verärgert an die Arbeit gemacht. Je mehr ich mich aber mit Janichs Aussagen beschäftigt habe, desto mehr habe ich sogar Freude daran empfunden, die eigene kritische Sichtweise auf die Geldordnung jener der herrschenden Meinung gegenüberzustellen. Und das ist immerhin ein wichtiges Unterfangen. Andernfalls besteht die Gefahr, etwaige Fehler des eigenen Standpunktes nicht zu bemerken. Mit dieser Einsicht wurde die Auseinandersetzung mit Janichs Aussagen zu einer willkommenen Übung, den eigenen Blick auf die herrschende Geldordnung einer Kontrolle zu unterziehen.
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Eine ehrliche Gegenüberstellung von grundlegend verschiedenen Systemverständnissen birgt natürlich immer die Gefahr, erkennen zu müssen, dass die eigene Sichtweise einen Fehler enthält und man daraufhin sein bisheriges Weltbild korrigieren müsste. – Zumindest, wenn man ehrlich zu sich selbst ist. Doch anders ist Wahrheitssuche nicht möglich. Und damit wurde die Auseinandersetzung zu einem spannenden Unterfangen. Doch der Reihe nach.
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Es bietet sich an, das Video zuerst einmal in seiner ganzen Länge „genossen“ zu haben, bevor man sich an die Auseinandersetzung mit Janichs Aussagen macht.
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Folgende Thesen vertritt Oliver Janich in seinem knapp 10-minütigen Video. Diese werden im Folgenden erörtert:
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THESE 1: Der Zins ist etwas ganz Natürliches. (bei 0:40 min) – - -
THESE 2: Ohne Zins gibt es keine Wertschöpfung, weil die Menschen dann nur noch an Familienangehörige Geld verleihen. (bei 0:50 min) – - -
THESE 3: Bei der Giralgeldschöpfung wird der Zins nicht mitgeschöpft, das ist aber kein Problem, weil eine Bank diesen auch schöpfen kann. (1:58 min) – - -
THESE 4: Die Kritik am Zinseszins ist nicht berechtigt, da es keine risikolosen Anlageformen gibt. Daher überzeugt das Beispiel des Josefpfennigs nicht, da man immer wieder einmal das falsche Investment tätigt und das angehäufte Geld dann wieder verschwindet. (bei 4:00 min) – - -
THESE 5: Geldsystemkritiker fordern, dass Gold als Geld Verwendung findet. Und ist dieses Ziel erreicht, wird jemand versuchen alles Gold zu bekommen, also ein Monopol zu erlangen. (bei 5:38 min) – - -
THESE 6: Diejenigen, die diesen Unsinn [die Zinskritik] vertreten, müssen unter einer partiellen Unzurechnungsfähigkeit leiden. (bei 7:00 min) – - -
THESE 7: Niemand wird Geld annehmen, das immer weniger wert wird. (bei 7:53 min) – - -
THESE 8: Zwang ist immer schlecht. Jeder möchte selbst entscheiden, was er als Geld verwenden will. (bei 8:07 min) – - -
THESE 9: Die Zinskritiker fordern, der Staat müsse einfach Geld schöpfen dürfen, sobald er welches braucht. (ab 8:38 min) – - -
THESE 1: Der Zins ist etwas ganz Natürliches. (bei 0:40 min)
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Janich argumentiert, es sei völlig normal, dass man mehr Geld zurückbekomme als man verliehen habe. Immerhin stünde einem das verliehene Geld ja nicht für Konsum oder Investitionen zu Verfügung und deshalb würde man einen Preis dafür haben wollen. Er bezieht sich also explizit auf den Zins in unserem Geldsystem und nicht auf ein allgemeines Bewertungsprinzip (siehe unten). Mehr noch: Er unterstellt durch seine Darstellung eine Art naturgesetzliche Kausalität. Dass ich aber etwas dafür erhalte, wenn ich mein Geld anderen verleihe, beruht auf einer rechtlichen Vereinbarung und ist das Ergebnis von Gewohnheiten. Alleine die Tatsache, dass ich – wenn ich einem Freund Geld leihe – eben nur die geliehene Menge zurückfordere und nicht mehr, zeigt bereits, dass von einer Natürlichkeit (im Sinne von Zwangsläufigkeit) des Zinses keine Rede sein kann. Außerdem gibt es viele historische Beispiele, die zeigen, dass es im Geldwesen auch anders – also ohne Zins – geht. (Z. B. Brakteatenwährung, Wörgl).
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Andere Kritiker wie Janich argumentieren, die Natürlichkeit des Zinses sei bereits durch das Ab- bzw. Aufzinsen bewiesen. Heißt: Wir bewerten Dinge in Verbindung mit der Zeit unterschiedlich. Eine Pizza heute ist mir lieber als eine Pizza in einem Jahr. Diese Bewertung ist aber begrifflich nicht mit unserem Zinsverständnis identisch. Den Zins verorten wir korrekterweise in Wirtschaftsangelegenheiten. Denn sprachgeschichtlich bezieht sich das Wort „Zins“ auf eine Vermögens- bzw. Einkommensabgabe. Das Lateinische „census“ steht für „Abschätzung“ und diente zur Feststellung von Abgaben an die hohen Herren. Der Zins als Begriff ist also explizit auf ein wirtschaftliches System gemünzt und steht nicht für ein allgemeines Prinzip.
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Außerdem: Selbst wenn wir die Aussage zulassen, die menschliche Bewertung aller Dinge sei durch das Auf- und Abzinsen eine Art Zins, so wäre eine Übertragung dieses Verständnisses auf unser Geldsystem nicht unproblematisch. Gerade weil die unterstellte Zwangsläufigkeit nicht existiert. Wieso sollte man dieses menschliche „Bewertungsschema“ in ein System integrieren, das wir künstlich herstellen, also nach unseren Vorstellungen kreieren können? Weil es natürlich ist? Implizit unterstellt Janich hier, dass etwas Natürliches etwas Gutes sei. Selbst wenn das Geld und der Zins etwas Natürliches wären, müsste dies nicht zwangsläufig etwas Gutes sein. So ist der Fingerhut ebenfalls durch und durch natürlich, für den Menschen jedoch tödlich. Deshalb ist bei einer Kombination des scheinbar natürlichen „Zinsdenkens“ auf unser künstlich geschaffenes Geldsystem die Frage zu beantworten, ob diese Kombination etwas Gutes (für den Menschen) hervorbringt. Aber diese Frage wird von Janich nicht einmal gestellt.
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