Griechenland-Sog: Experten warnen vor Portugal-Panik

HUMANE WIRTSCHAFT  ein Leser­bei­trag:

Man wird „Stroh­hal­me“ loslas­sen müssen, die


man bisher für „Balken“ gehal­ten hat und

dafür echte „Balken“ ergrei­fen müssen, die

man bisher für „Stroh­hal­me“ gehal­ten hat.

Das ist der Abschied vom schö­nen Schein

zu dem uns die Ereig­nis­se zwin­gen werden.“


Im Fall der sich expo­nen­ti­ell entwi­ckeln­den Euro-Krise um Grie­chen­land,
Portu­gal, Spani­en, Irland und Itali­en strei­ten sich jetzt die
linear-mecha­nis­tisch denken­den Exper­ten: Helfen wir den in Not gera­te­nen
Euro-Ländern, dann krie­gen wir es mit dem Teufel zu tun. Helfen wir nicht,
dann haben wir Belze­bub am Bein. Also alles falsch, was immer wir auch tun
und lassen – oder?

Prof. Hans-Werner Sinn sprach in seinem SPIE­GEL-ONLINE-Inter­view vom
26.04.10 über das „fehlen­de Geschäfts­mo­dell“ Grie­chen­lands – das glei­che
gilt für Portu­gal. Wobei „fehlen­des Geschäfts­mo­dell“ eine wenig
diffe­ren­zier­te, profi­lier­te und daher kaum wett­be­werbs­fä­hi­ge Volks­wirt­schaft
bedeu­tet. Darauf und auf die drin­gen­de Notwen­dig­keit eines Stra­te­gie­wech­sels
weise ich die Portu­gie­sen – auch Frau Merkel, seit Juli 2007 – seit ihrem
Eintritt in die EG und spezi­ell nach dem Beitritt zum Euro immer wieder hin.
Auch darauf, dass sie einmal unter den Ersten sein würden, die über die
Klinge sprin­gen müssen, wenn sie nichts tun und die umge­kipp­te EU dem Ende
der Fahnen­stan­ge näher kommt. Schil­ler, würde er heute leben, würde
mögli­cher­wei­se in seinem berühm­tem Zitat von den Göttern das Wort „Dumm­heit“
durch „Subven­tio­nen“ ersetz­ten und heraus käme dabei: „Gegen Subven­tio­nen
kämp­fen Götter selbst verge­bens“. Oder noch präzi­ser: „Gegen den Rausch des
staat­lich legi­ti­mier­ten und regu­lier­ten Systemraubbaus…“.

Aber ange­sichts der sich auftür­men­den und linear nicht lösba­ren Proble­me
zeich­net sich ein Umden­ken ab. Inter­es­san­ter­wei­se setzte sich am vergan­ge­nen
Sonn­tag Prof. Arnulf Baring als einzi­ger der Gäste von Anne Will über die
punk­tu­el­len Details des Grie­chen­land­pro­blems hinweg und machte –  sinn­ge­mäss
– die folgen­de Aussa­ge: „Wir alle und nicht nur Grie­chen­land marschie­ren
schon lange in die falsche Rich­tung, und falls nichts geschieht wird am Ende
auch die Bundes­re­pu­blik da landen, wo sich Grie­chen­land heute befin­det. Ich
habe bereits 1997 in meinem Buch darüber geschrie­ben“. Das war
unge­heu­er­lich, denn hier wurde doch tatsäch­lich die „Staats­re­li­gi­on“ in
Frage gestellt, und zu ande­ren Zeiten wäre man dafür gekreu­zigt worden.

Genau das ist es, was ich schon immer behaup­tet habe: Eine zuneh­men­de Anzahl
von Euro-Ländern gerät in Schwie­rig­kei­ten, weil das Führungs­sys­tem (dt.-
franz. Achse + Bene­lux) in die falsche Rich­tung marschiert und die Lage
zuneh­mend untrag­bar wird. Wie der Herr, so’s Gscherr!. Und in der Tat, den
Haupt­an­füh­rern beginnt schon zu schwa­nen, dass es letzt­end­lich ihnen selbst
an den Kragen gehen könnte, wenn Grie­chen­land und andere pleite gehen.

Ob Sie aller­dings die rich­ti­gen, immer imma­te­ri­el­len Ursa­chen sehen und
entspre­chend wirk­sa­me und nach­hal­ti­ge Maßnah­men tref­fen werden bleibt zu bezwei­feln. Wahr­schein­li­cher ist, dass man
sich auf ein Reform­mo­dell einigt, das es erlaubt sich für einige Zeit weiter
in die eigene Tasche zu lügen – bis am Ende auch Deutsch­land selbst auf dem
Zehn­me­ter­brett steht, wo es in ein Schwimm­bad ohne Wasser sprin­gen muss, wo
unten die ande­ren Opfer schon liegen.

Ich wunde­re mich immer wieder: Alle Welt sieht derzeit tagtäg­lich wie solche
Krisen durch imma­te­ri­ell-psychi­sche Fakto­ren – Vertrau­ens­ver­lust der Rating
Agen­tu­ren und ande­rer – ausge­löst, wie im Hand­um­dre­hen riesi­ge
Vermö­gens­wer­te vernich­tet werden, aber keiner will diese zu ihrer Lösung
einset­zen; alles geschieht auf der mate­ri­ell-mone­tä­ren Ebene, wodurch der
Miss­erfolg und Fort­gang des Nieder­gangs bereits vorpro­gram­miert sind.

Der Versuch vor dem Unter­gang einen „Stroh­halm“ zu testen ist alle­mal der
Mühe wert, denn anders als der voll­ge­so­ge­ne morsche Balken könnte er ja
tragen. Bald wird nicht viel mehr übrig bleiben.

Rolf Dahmer aus Esto­ril in Portugal 

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